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Helmut Marko: «WM-Chance von Verstappen ist intakt»

Von Gerhard Kuntschik
Dr. Helmut Marko: «Der Anspruch ist, so nah wie möglich an Mercedes zu sein und dieses Team zu fordern»

Dr. Helmut Marko: «Der Anspruch ist, so nah wie möglich an Mercedes zu sein und dieses Team zu fordern»

Red Bull-Motorsportberater Dr. Helmut Marko spricht im Interview über die WM-Chancen von Max Verstappen, die Leistungen von Alex Albon, Pierre Gasly und Daniil Kvyat sowie die nächste Generation von Red Bull-Talenten.

Vier Siege in sechs Rennen: Wer soll Lewis Hamilton auf der rasanten Fahrt zum siebten WM-Titel stoppen? «Verstappen kann noch immer Weltmeister werden, das ist ja unser Saisonziel», erklärt dessen Förderer, Red Bulls Motorsportchef Dr. Helmut Marko – denn 2020 ist die letzte Chance für den Niederländer, jüngster Weltmeister der Formel zu werden. Max wird am 30. September 23, Sebastian Vettel war bei seinem ersten Titel 2010 23 Jahre und 134 Tage alt, als er in Abu Dhabi zum lachenden Dritten im Titelduell Alonso gegen Webber wurde.

In der Causa Strafe gegen Racing Point wegen «Copygate» erwartet auch der 77-jährige Grazer Jurist den Ausgang der Berufungsverhandlung mit Spannung – und sieht nicht nur Racing Point als «Schuldigen», sondern auch Mercedes als «Mittäter», wie er im Interview erklärt.

Ist das Ziel, Max Verstappen zum jüngsten Champion zu machen, angesichts von Hamiltons Erfolgslauf noch realistisch?

Helmut Marko: Natürlich ist es das.

Wieso?

Weil wir in Spanien unter unseren Möglichkeiten geblieben waren. Wir waren dort am Freitag mit sehr guten Longruns auf Mercedes-Niveau. Im Rennen überhitzten aber beide Reifentypen auf der Hinterachse, so dass wir unser Tempo reduzieren mussten. Bei Alex Albon war es noch schlimmer als bei Max Verstappen, weil wir bei ihm auch im Setup in die falsche Richtung gegangen waren. Dazu kommt, dass ab Belgien der ‚Partymodus‘ (Extraleistung beim Motor, Anm.) durch die FIA untersagt wird. Der betrifft nicht nur die Qualifikation, der wirkt sich auch in der In- und Outlap (vor/nach Boxenstopp, Anm.) und bei Überholvorgängen aus.

Das heisst, du erwartest Red Bull Racing ab Spa noch näher an Mercedes dran?

Ja. Obwohl wir noch immer gewisse Nachteile durch unser Fahrwerk haben, das irgendwie unberechenbar ist, weil sich Daten aus dem Windkanal auf der Strecke nicht spiegeln. Aber daran arbeiten wir intensiv. Wir bringen wieder neue Teile nach Belgien, die die Stabilität fördern sollen. Wir sind jetzt nicht einmal bei Saisonhalbzeit. Und irgendwann muss die Glückssträhne von Mercedes enden.

Die da wäre?

Na ja, dass es Hamilton in Silverstone noch mit kaputtem Reifen ins Ziel schaffte... Oder dass er in Barcelona über Karbon-Teile fährt, sich aber keine Beschädigung holt. So etwas geht nicht ständig gut.

In den Diskussionen um die Pandemie und das Durchbringen der Saison ist die Causa Ferrari, sprich die Unregelmässigkeiten am Motor 2019, völlig eingeschlafen. Auch für dich?

Ferraris aktuelle Rundenzeiten, die deutlich unter jenen des Vorjahres liegen, sagen doch alles. Aber es stimmt, das ist alles Corona-bedingt entschlafen.

Dafür köchelt das Verfahren gegen Racing Point wegen Kopierens der hinteren Mercedes-Bremsbelüftung weiter bis zum Berufungsgericht der FIA. Wie steht Red Bull dazu?

Wir erwarten eine Klarstellung, was erlaubt ist und was nicht, ohne dass es im Reglement zu viele Grauzonen gibt. Was Racing Point machte und was Mercedes, das ergibt ja zwei Täter. Ich erwarte Begriffsdefinitionen von der FIA noch vor dem nächsten Rennen. Was nicht verständlich ist: Einmal wird ein Team bestraft, darf damit aber weiterfahren und wird danach bei jedem Renneinsatz ermahnt. Für uns ist klar: Ein Kopieren wie von Racing Point betrieben, ist nicht gestattet. Genauso wenig das Weitergeben an Mitbewerber. Und es gibt Indizien, dass Mercedes das machte. Der Ausgang des Verfahrens ist auch für uns für die Arbeit zwischen unseren Teams Red Bull Racing und AlphaTauri massgeblich. Wir schlossen uns dem Protest nicht an, weil mit Ferrari und Renault ohnedies zwei gewichtige Teams aktiv wurden.

Was erwartest du auf den nächsten Power-Strecken in Spa und Monza? Honda hat ja deutlich an Leistung zugelegt.

Ja, im Renntrimm, noch nicht im Qualifying. Von der Theorie her wären beide Rennen für uns schwierig, doch im Vorjahr waren wir schon in beiden gut dabei bei der Geschwindigkeit, auch wenn die Resultate nicht kamen, weil Max crashte. Der Anspruch ist, so nah wie möglich an Mercedes zu sein und dieses Team zu fordern. Wir wissen aber, dass wir das Problem der überhitzenden Hinterreifen haben, dennoch wunderte uns in Barcelona, wieso uns Bottas nicht überholen konnte. Aus Freundlichkeit liess Bottas den Max sicher nicht Zweiter werden.

Es gibt mittlerweile Kritik an Alex Albon. Ist sein Platz gefährdet?

Die Leistung in Barcelona samt der Strategie geht auf die Kappe seines Renningenieurs. Da sah Alex saublöd aus, nicht aus seiner Schuld. Es war sein schlechtestes Rennen, aber solange es mit ihm vorwärtsgeht, steht er ausser Diskussion.

Bei AlphaTauri fährt Gasly solide, aber Kvyat fällt ab.

Ja, Daniil bringt nicht die Leistungen, die wir erwarten. Aber noch sind wir erst vor Halbzeit. Und der Auer (Lucas, Anm.) ist nicht auf meiner Liste, falls Du das meinst.

Nein. Aber wer hätte aus dem Red-Bull-Kader eine F1-Superlizenz?

Tsunoda in der Formel 2 und Lawson in der Formel 3 lägen derzeit auf Plätzen, die zur Superlizenz berechtigen. Aber wir denken nicht an einen Austausch von Kvyat.

Wie steht es um die Vertragsverlängerung des Österreich-GP?

Die fällt praktisch zusammen mit dem Abschluss des neuen Concorde-Agreements (kommerzieller Vertrag zwischen Teams, FIA und Promotor, Anm.). Der wurde ja mittlerweile getätigt. Die GP-Verlängerung ist im Laufen und in positiver Entwicklung.

Spanien-GP 2020, Barcelona

1. Lewis Hamilton (GB), Mercedes, 1:19:44,062h
2. Max Verstappen (NL), Red Bull Racing, +24,177 sec
3. Valtteri Bottas (FIN), Mercedes, +44,752
4. Lance Stroll (CDN), Racing Point, +1 Runde
5. Sergio Pérez (MEX), Racing Point, +1 Runde
6. Carlos Sainz (E), McLaren, +1 Runde
7. Sebastian Vettel (D), Ferrari, +1 Runde
8. Alex Albon (T), Red Bull Racing, +1 Runde
9. Pierre Gasly (F), AlphaTauri, +1 Runde
10. Lando Norris (GB), McLaren, +1 Runde
11. Daniel Ricciardo (AUS), Renault, +1 Runde
12. Daniil Kvyat (RUS), AlphaTauri, +1 Runde
13. Esteban Ocon (F), Renault, +1 Runde
14. Kimi Räikkönen (FIN), Alfa Romeo, +1 Runde
15. Kevin Magnussen (DK), Haas, +1 Runde
16. Antonio Giovinazzi (I), Alfa Romeo, +1 Runde
17. George Russell (GB), Williams, +1 Runde
18. Nicholas Latifi (CDN), Williams, +2 Runden
19. Romain Grosjean (F), Haas, +2 Runden      
      Charles Leclerc (MC), Ferrari, DNF

WM-Stand Fahrer nach 6 von 13 Rennen

1. Hamilton 132 Punkte
2. Verstappen 95
3. Bottas 89
4. Leclerc 45
5. Stroll 40
6. Albon 40
7. Norris 39
8. Pérez 32
9. Sainz 23
10. Ricciardo 20
11. Vettel 16
12. Ocon 16
13. Gasly 14
14. Nico Hülkenberg (D) 6
15. Giovinazzi 2
16. Kvyat 2
17. Magnussen 1
18. Räikkönen 0
19. Latifi 0
20. Russell 0
21. Grosjean 0

Marken
1. Mercedes 221
2. Red Bull Racing 135
3. Racing Point 63 (78)*
4. McLaren 62
5. Ferrari 61
6. Renault 36
7. AlphaTauri 16
8. Alfa Romeo 2
9. Haas 1
10. Williams 0

* 15 Punkte Abzug wegen Einsatzes illegal kopierter Bremsbelüfung

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