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Emotionaler Heim-GP für Kobayashi

Von André Zengler
Ein Japaner steht immer wieder auf: Kamui Kobayashi

Ein Japaner steht immer wieder auf: Kamui Kobayashi

Ein Heimrennen ist für jeden Fahrer ein spezieller Grand Prix. Für Kamui Kobayashi wird der Start in Japan in diesem Jahr ganz besonders emotional.

Der derzeit einzige japanische Formel-1-Pilot spricht über die Situation in seinem Heimatland, Hilfsaktionen, seine bisherige Saison und das bevorstehende Rennen in Suzuka, wo das Team 2010 sein bestes Saisonergebnis holte.

Kamui, welchen Eindruck haben Sie persönlich von der aktuellen Situation in Japan?

Kamui Kobayashi: «Nachdem sich die Nachrichten im März überschlugen und alles immer schlimmer wurde, ist es beeindruckend, was bis jetzt geleistet wurde. Das liegt daran, dass Japan viel Hilfe von ausserhalb bekommen hat und die Japaner selbst so stark sind und sich gegenseitig unheimlich viel Unterstützung und Hilfe gegeben haben. Natürlich ist der Weg des Wiederaufbaus noch weit, aber die Fortschritte sind bemerkenswert.»

Denken Sie, dass es gut ist für das Land und die Menschen, dass die Formel 1 kommt?

KK: «Ja, das ist definitiv der Fall. Der Grand Prix ist in Japan ein grosses Ereignis, er ist etwas sehr Positives für die Menschen und auch für das Land, weil das Rennen internationale Wahrnehmung bringt. Es macht den Leuten Freude, sie geniessen die Formel 1 sehr. Also fahren wir dort, trotz der tragischen Ereignisse, die das Land getroffen haben.»

Können Sie beschreiben, was in Ihnen vorging, als Sie am 11. März von dem Erdbeben und dem Tsunami hörten?

KK: «Ich war an dem Tag in Barcelona, es war der letzte Testtag vor der Saison, und ich war mit Fahren an der Reihe. Am Morgen klang das alles noch nicht so schlimm, aber dann wurden die Meldungen stündlich fürchterlicher. Es war kaum zu glauben, dass alles tatsächlich passierte, was wir hörten. Gleichzeitig war es schwierig, sich auf das Testen und die Rennsimulation zu konzentrieren, die wir an diesem Tag fuhren. Mir kam auch die nukleare Katastrophe von Tschernobyl in den Sinn. Japan ist ein kleines Land, ich habe mich gefragt, ob ich wohl jemals wieder nach Hause kann, wenn dort so etwas passiert. Das waren keine schönen Gedanken. Es war nicht einfach und sehr emotional.»

Wie oft waren Sie seither in Japan?

KK: «Häufig. Ich bin auch damals von Barcelona aus gleich nach Tokio geflogen.»

Können Sie uns etwas über Ihre Hilfsinitiativen erzählen?

KK: «Am wichtigsten waren die vielen internationalen Initiativen von den verschiedenen Organisationen. Persönlich wollte ich etwas machen, das Leuten erlaubt, mit wenig Geld etwas beizutragen. Deshalb haben wir das App „You are connected“ für iPhones und iPads mit Bildern und Botschaften von allen Formel-1-Fahrern und –Teamchefs gemacht. Es kostet nur 0,79 Euro und bis Ende Juli, also in den ersten knapp zwei Monaten, hatten wir über 10.000 Downloads von Menschen aus 49 Ländern. Der Betrag ist nicht hoch, aber ich denke, es war eine gute Möglichkeit für Leute, die helfen wollten. Und es war schön, dass damit die F1-Piloten und Teams aus aller Herren Länder ihr Mitgefühl und ihre Solidarität mit den Menschen in Japan ausgedrückt haben. Der Preis war niedrig, aber ich denke, wenn wir zehn Euro verlangt hätten, hätten das weniger Menschen bezahlen wollen. Einen Euro zu investieren, können sich mehr Leute leisten. Wie auch immer, am Ende ist es für mich die Regierung, die dem Land helfen muss. Für das Grand-Prix-Wochenende habe ich eine Gruppe von 60 Gästen eingeladen. Es ist ein Mädchenchor, das MJC Ensemble, aus einem der zerstörten Gebiete. Die Mädchen kommen in Begleitung ihrer Eltern oder von Familienangehörigen aus Minami-Soma in der Fukushima-Präfektur. Sie werden die Nationalhymne vor dem Rennen singen. Ich habe mich um die Busreise, Hotelzimmer und Tickets gekümmert und hoffe einfach, dass sie eine gute Zeit haben. Seit einem Jahr bin ich als internationaler Botschafter des japanischen Touristenamtes tätig. In dieser Rolle habe ich an vielen Meetings in Tokio teilgenommen und versucht, weitere Projekte zu unterstützen. Die Tatsache, dass wir keinen japanischen Automobilhersteller mehr in der F1 haben, macht es recht schwierig für mich. Es würde helfen, wenn noch einer da wäre und der Fokus nicht so auf mir läge.»

Im vergangenen Jahr haben Sie einen speziellen Handel mit dem Veranstalter abgeschlossen – können Sie uns den erklären?

KK: «Ja, das haben wir ausgemacht, bevor die Katastrophen passierten. Ich habe mit dem Veranstalter vereinbart, dass ich für jeden WM-Punkt, den ich 2011 bis zum Grossen Preis von Japan hole, eine Familie zum Rennen in Suzuka einlade. Wir haben über 6000 Briefe von Leuten erhalten, die kommen möchten. Jedes Mal, wenn ich Punkte geholt habe, habe ich die entsprechende Anzahl von Briefen gezogen und so nach dem Zufallsprinzip bisher 27 Familien eingeladen. Und weil es so unheimlich viele Briefe waren, habe ich noch zehn extra gezogen. Jetzt sind 37 Familien meine Gäste.»

Wie beurteilen Sie Ihre Saison bislang?

KK: «Wir sind auf jeden Fall besser als im vergangenen Jahr. Unser Saisonstart in Melbourne war klasse, und auch später kamen noch einige gute Rennen. Glanzpunkte waren für mich Monaco und Montréal. Aber wir hatten auch unsere Schwierigkeiten. In Melbourne haben wir zehn Punkte wegen der Disqualifikation verloren, dann hatte ich je einen Plattfuss in der Türkei und in Barcelona sowie Getriebeschäden in Silverstone und Monza. Darüber hinaus haben nicht alle unsere technischen Entwicklungen im Laufe der Saison das gebracht, was wir uns von ihnen versprochen hatten. Die Saison war bislang also durchwachsen mit Höhen und Tiefen, aber sie ist noch nicht vorbei.»

Im Vorjahr fanden in Suzuka Qualifying und Rennen am Sonntag innerhalb weniger Stunden statt, weil es am Samstag so stark geregnet hat. Wie haben Sie das erlebt?

KK: «Ich fand es eine Herausforderung, Qualifying und Rennen am selben Tag zu absolvieren. Die Fans haben es sicher genossen, so ein volles Programm geboten zu bekommen. Und das hatten sie auch wirklich verdient, der Samstag war fürchterlich für sie. Die Zuschauer sassen sechs, sieben Stunden lang im strömenden Regen auf der Tribüne und haben so geduldig gewartet. Ich war sehr froh, dass am Sonntag die Sonne herauskam und wir nicht nur ein gutes Ergebnis erzielt haben, sondern mit diesem Rennen auch eine wirklich gute Show geboten haben. Tatsächlich denke ich, dass die Rennstrecke in Suzuka normalerweise für die Fahrer aufregender ist als für die Zuschauer, weil sie so technisch ist. Aber im vergangenen Jahr war der Sonntag wirklich ein Krimi. Ich hoffe trotzdem, dass es in diesem Jahr zum Rennen nicht regnet.»

Können Sie Ihr Heimrennen geniessen?

KK: «Ich bin ganz bestimmt stolz, nach Hause zu kommen und dort im Rennen anzutreten. Es ist beides – eine besondere Freude und zusätzlicher Druck. Ich denke auch, dass es vielen anderen Fahrern leid täte, wenn Suzuka vom Kalender verschwände. Die Strecke ist sehr beliebt und viele Fahrer gehen auch gern nach Tokio. Das weiss ich, weil sie mich ja fragen, was man dort am besten macht und wohin man geht.»

Was haben Sie sich für den diesjährigen Grossen Preis von Japan vorgenommen?

KK: «Im vergangenen Jahr haben wir dort unser bestes Team-Ergebnis der Saison 2010 geholt. Ich wurde Siebter, mein damaliger Teamkollege Nick Heidfeld wurde Achter. Vor diesem Rennen hatte ich sehr wenig Erfahrung in Suzuka, und ich war ein Rookie in der Formel 1. Also hoffe ich, dass ich in diesem Jahr ein noch besseres Ergebnis holen kann. Für die Fans wünsche ich mir gutes Wetter. Ich denke, dank DRS und KERS stehen die Chancen gut, dass sie auch in diesem Jahr wieder eine gute Show zu sehen bekommen. Ausserdem wäre Suzuka ein guter Ort für die Entscheidung der Fahrer-Weltmeisterschaft: Die Rennstrecke ist sehr würdig, die Karaoke-Partys sind legendär, und es gäbe noch einmal mehr positive Berichterstattung für Japan.»

Quelle: Sauber F1

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