Sebastian Vettel: «Ich muss Ricciardo nicht heiraten»
Daniel Ricciardo: Gegen Vettel kann etwas Beten gewiss nicht schaden
Monza am Donnerstagnachmittag: draussen flirren hunderte Fahrerlagergäste durcheinander, nervös wie Fruchtfliegen über einer Obstplatte, die meisten von ihnen mit grossen Augen, denn ihren Ausweis haben sie dank des Bruders des Polizeichefs erhalten, der jemanden bei einem bestimmten Team kennt, und sie sind das erste Mal in einem Formel-1-Fahrerlager. Das kunterbunte Durcheinander ist einer der Gründe, warum wir Monza so entwaffnend sympathisch finden. Manch einer dieser Neulinge linst kurz in die Energy-Station hinein, wie ein Teleskop-Arm fährt eine Hand mit Digitalkamera aus, Klick!, ein gewisser Sebastian Vettel ist für die Ewigkeit festgehalten. Der Champion wieder hält selber fest, allerdings nicht in Bildern, sondern in Worten. Und dabei geht es vorrangig um seinen neuen Teamgefährten für 2014 bei Red Bull Racing, Daniel Ricciardo.
Sebastian, was gab deiner Meinung nach im Toro-Rosso-Duell zwischen Daniel Ricciardo und Jean-Eric Vergne um die Beförderung zu Red Bull Racing den Ausschlag?
Generell machen beide dieses Jahr einen guten Job. Vielleicht haben wir etwas tieferen Einblick in die Arbeit als die meisten von aussen, also gibt uns das die bessere Position zum Urteilen. Was die Ergebnisse angeht, so bewegen sie sich auf fast gleichem Niveau, das gilt auch für ihren Speed, aber die Resultate von Daniel kamen gleichmässiger.
Welche Herausforderung erwartest du von Daniel?
Das einzuschätzen fällt auch mir schwer. Er sitzt derzeit in einem Wagen, der es ihm nicht erlaubt, ständig in die Punkte zu fahren oder gar um Podestplätze zu kämpfen. Aber ich bin sicher, er hat sich einiges vorgenommen, und von daher wird meine Situation 2014 nicht arg anders sein als sie es heute ist (Vettel beginnt zu schmunzeln) – schon wieder ein Australier, der mir das Leben schwer macht.
Du hast diesen Schritt auch getan, von Toro Rosso zu Red Bull Racing, das war von 2008 auf 2009. Was hat sich seither verändert?
Der grosse Unterschied besteht darin, dass die Erwartungshaltung eine ganz andere ist. Wir hatten damals bei Red Bull Racing noch kein Rennen gewonnen, heute sind wir dreifache Weltmeister. Das schraubt automatisch die Erwartungen hoch, auch für Daniel. Die Menschen haben vielleicht die Vorstellung, dass Fahrer in Mittelfeld-Teams nicht auf dem Niveau von Piloten in Top-Teams fahren. Das ist vielleicht über alles gesehen nicht falsch. Aber man muss ja auch einem jungen Piloten die Möglichkeit geben, diesen Schritt zu machen. Sonst finden wir ja nie heraus, was so ein Pilot wirklich taugt. Für ihn ist das eine tolle Sache, und ich freue mich für ihn.
Wie gut kennst du Daniel bereits?
Nicht besonders gut, auch wenn er schon eine ganze Weile Teil der Red-Bull-Familie ist. Selbst wenn wir in der Energy-Station gewissermassen Tür an Tür arbeiten, sehen wir voneinander kaum etwas, weil einfach die Fahrer generell mit der eigenen Arbeit beschäftigt sind. Generell ist er ein Mensch, der mit einem Lächlen durchs Leben geht und macht einen überaus sympathischen Eindruck.
Als du damals von Toro Rosso zu Red Bull Racin gewechselt hast, was machte da den grössten Unterschied aus?
Guckt euch doch nur einmal um – wieviele Menschen jetzt gerade hier sitzen und diese Medienrunde verfolgen und wieviele drüben bei Toro Rosso sitzen. Das Medieninteresse ist sicher ein elementar anderes. Toro Rosso ist als kleineres Team vielleicht auch das familiärere, wir hatten damals 2008 ein ganz besonderes Jahr zusammen, einschliesslich des ersten Sieges genau hier in Monza. Und wenn du zurückblickst, dann geschieht das natürlich mit einer gewissen Romantik. Bei Red Bull Racing herrscht ebenfalls ein menschliches Klima, aber das ganze Team ist grösser und arbeitet professioneller. RBR bietet die bessere Chance, die eigenen Träume zu verwirklichen, daber der Druck ist grösser und die Öffentlichtkeitsarbeit ist ungleich aufwändiger. Aber ich bin sicher, daran denkt Daniel nicht. Er weiss, dass er unter normalen Umständen um Podestplätze und Siege mitreden kann, und er wird sich darauf irre freuen.
Erwartest du auch ein anderes Verhältnis zu Daniel als Stallgefährten, wenn du das mit Mark Webber vergleichst?
Hm, was immer ich jetzt sagen werde, wird das Arbeitsverhältnis mit Mark schlecht aussehen lassen, und das will ich nicht. Ich habe nie ein Geheimnis daraus gemacht, dass wir keine Busenfreunde sind, und dafür gibt es auch Gründe. Aber wenn ihr bei den ganzen Teamsitzungen dabei sein könntet, dann würdet ihr sehen, dass wir dort respektvoll und professionell miteinander umgehen. Aber ich denke nicht zu sehr an das Verhältnis mit Ricciardo – ich muss ihn ja nicht heiraten! Ich habe keinen Zweifel daran, dass wir gut miteinander auskommen werden.