Paul Hembery: «Das Pokerspiel hat schon begonnen»
Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery: «Obwohl die Strecke die Reifen nicht speziell verschleisst, kann der thermische Abbau sehr hoch sein»
Red Bull Racing-Pilot Sebstian Vettel eroberte im Qualifying zum Singapur-GP die 41. Pole-Position seiner Karriere. Der jüngste dreifache Champion der Formel-1-Historie umrundete den Marina Bay Street Circuit auf der extra-weichen Reifenmischung in 1:42,841 min. Weniger als eine Zehntelsekunde langsamer war Mercedes-Pilot Nico Rosberg, der die zweitschnellste Runde fuhr.
Zwischen den beiden zur Verfügung stehenden Reifenmischungen Extra-Weich und Medium liegt ein stattlicher Zeitunterschied von etwa zwei Sekunden. Das eröffnet den Team-Strategen viele verschiedene Möglichkeiten.Reifen sparen im Qualifying
Reifen Sparen im Qualifying
Das Qualifying mussten die Formel-1-Stars bei heissen 31 Grad Aussentemperatur bestreiten, die hohe Luftfeuchtigkeit erschwerte die Zeitenjagd am Abend. Die meisten Piloten rückten im ersten Abschnitt erst auf der Medium-Mischung aus und drehten am Ende eine schnelle Runde auf den extra-weichen Reifen. Nur das Red Bull Racing-Duo Vettel und Mark Webber sowie Lotus-Pilot Romain Grosjean verzichteten in den ersten 20 Minuten ganz auf die weichere Mischung, wobei der Australier mit der insgesamt sechstschnellsten Runde der schnellste Medium-Pilot auf der Piste war. Die schnellste Zwischenzeit sicherte sich Mercedes-Star Lewis Hamilton.
Im zweiten Qualifying-Segment rückten dann alle auf den extra-weichen Sohlen aus, die meisten auf dem gleichen Satz, auf dem sie schon im Q1 unterwegs gewesen waren. Vettel drehte nur eine schnelle Runde und setzte sich mit einem Vorsprung von acht Zehntelsekunden vor seinem Teamkollegen an die Spitze. Auch Webber umrundete den Strassenkurs nur ein Mal. Die gleiche Strategie wählte das Mercedes-Duo.
Als die Top-Ten für das finale Kräftemessen ausrückte, dominierte bei der Reifenwahl wieder die Farbe rot, nur McLaren-Pilot Jenson Button verliess die Box auf einem Satz Medium-Reifen, verzichtete jedoch darauf, eine Zeit zu setzen. Erst bei seiner zweiten Ausfahrt auf den extra-weichen Reifen drehte der Weltmeister von 2009 eine schnelle Runde.
Vettel ging mit dem schwarzen Gold erneut sehr sparsam um und sicherte sich die Pole-Position mit nur einer schnellen Runde. Auch die beiden Ferrari-Piloten Fernando Alonso und Felipe Massa beschränkten sich auf nur einen Versuch auf der weicheren Mischung. Sauber-Neuling Esteban Gutiérrez, der erstmals ins Q3 vorstossen konnte, verzichtete sogar ganz auf die Zeitenjagd und realisierte mit Startplatz 10 das beste Qualifiyng-Ergebnis seiner Formel-1-Karriere.
Pirelli erwartet Zwei- und Drei-Stopp-Strategien
Pirelli-Motorsportdirektor Paul Hembery analysierte nach dem Abschlusstraining: «Schon zu Beginn des Rennwochenendes war klar, dass sich im Rennen alles um die Reifenstrategie drehen wird. Diese Wahl wirkt sich auch auf das Qualifying aus, deshalb hat das Pokerspiel schon heute begonnen. Blickt man auf die vergangenen Grands Prix von Singapur, dann erkennt man, dass eine gute Startposition hier wichtig ist, denn das Überholen ist sehr knifflig.»
Der Brite erklärt: «Angesichts des Zeitunterschieds, der zwischen den beiden Reifenmischungen liegt, war die Reifen-Wahl für das Zeittraining klar: Die extra-weiche Mischung ist so viel schneller als die Medium-Reifen. Allerdings müssen die Reifen gut eingeteilt werden.» Und damit nicht genug: «Dass Qualifying und Rennen hier in der Nacht stattfinden, ist eine einzigartige Situation, die Entwicklung der Strecke und der Aussentemperatur ist einmalig. Obwohl die Strecke die Reifen nicht speziell verschleisst, kann der thermische Abbau sehr hoch sein. Und der Umstand, dass diese Strecke keine langen Geraden aufweist und die meisten Kurven im WM-Kalender umfasst, vergrössert die Herausforderung. Ein weiteres Charakteristikum dieses Rundkurses sind die harten Bremszonen, die weitere Hitze in die Reifen pumpen.»
Die Pirelli-Prognose
In Singapur lässt sich die optimale Strategie wegen der grossen Wahrscheinlichkeit von Safety-Car-Phasen kaum voraussagen. Trotzdem wagt Hembery eine Prognose: « Wir rechnen morgen damit, dass die Teams entweder eine Zwei- oder eine Drei-Stopp-Strategie verfolgen werden. Allerdings hängt das auch von vielen anderen Faktoren wie die Temperatur oder die Menge der Safety-Car-Phasen ab. Da den Strategen nahezu unbegrenzte Möglichkeiten geboten werden, ist der Rennausgang noch völlig offen.»
Der Motorsportdirektor weiss: Theoretisch ist eine Drei-Stopp-Strategie am effizientesten. Doch weil es auf diesem engen Stadtkurs schwierig ist, an den Gegnern vorbeizuziehen, werden die meisten Teams wohl auf eine Zwei-Stopp-Strategie setzen. Eine wahrscheinliche Wahl ist der Start auf der extra-weichen Mischung und der Wechsel auf die Medium-Reifen in Runde 16, bevor in Runde 39 wieder auf die extra-weichen Sohlen gewechselt wird. Als Alternative dazu steht der Schlussspurt auf den Medium-Reifen.