Watson: «Whitmarsh bei McLaren schon entmachtet»
Der Nordire John Watson fuhr von 1979 bis 1983 sowie als Aushilfe 1985 für McLaren. 1982 wurde er mit McLaren WM-Dritter (wohlgemerkt zwei Ränge vor seinem prominenten Stallgefährten Niki Lauda), vier seiner fünf Grand-Prix-Siege hat er für McLaren errungen, dabei auch (1981) den ersten von Ron Dennis als Chef von McLaren. Watson kennt die britische Szene in- und auswändig, daher haben ihn die Kollegen von Sky Sports in Grossbritannien zur Analyse der Machtübernahme durch Dennis bei McLaren gebeten.
John, was wird der Machtwechsel bei McLaren für Auswirkungen haben?
Nun, zunächst einmal hat es viele gewiss verblüfft, wie Ron Dennis seine Rückkehr geplant hat. Er ist jedoch nicht mehr wie früher einfach nur Teamchef, er ist Chef einer ganzen Gruppe von Firmen, von welchen der Formel-1-Rennstall einfach ein Teil ist. Die Art und Weise, wie das Ganze in der McLaren-Mitteilung formuliert worden ist, lässt für mich keinen Zweifel – er ist wieder der starke Mann, er trägt die Verantwortung. De facto ist also Martin Whitmarsh eigentlich schon nicht mehr Teamchef.
Um auf die Frage zurück zu kommen: Es ist schwer zu sagen, was er bei seiner Rückkehr kurzfristig ändern kann. Ich glaube, er will einfach seine grundsätzliche Philosophie wieder stärker einbringen, wie ein Rennstall aufgebaut ist und wie er geführt werden sollte, und das könnte durchaus auch Personalrochaden bedeuten. Solche Personalwechsel sehe ich auf allen Ebenen, Mechaniker, Techniker, Ingenieure, Fahrer. Die Tatsache, dass 2015 Honda zu McLaren zurückkehrt ist bei dieser Machtverschiebung gewiss kein Zufall.
Fehlte es bei McLaren an Autorität?
Nun, jeder Spitzenmanager pflegt einen anderen Führungsstil, und jener von Martin Whitmarsh war sicher etwas entspannter. Das bedeutet aber nicht, dass mehr Autorität automatisch zu mehr Erfolg führt. 2012 war das Team lange Zeit auf gutem Weg, mit Lewis Hamilton den Titel zu gewinnen, schliesslich war das Auto zu wenig standfest, um Vettel zu packen. Das war letztlich auch einer der Gründe, wieso Hamilton weg wollte.
Der verlorene Titel und die Trennung von Hamilton haben bei Ron Dennis gewiss Spuren hinterlassen. Es war Ron, der Hamilton in die McLaren-Familie gebracht hat, als Lewis ein Kartknirps war. Jemanden über all die Jahre aufzubauen und dann an ein gegnerisches Team zu verlieren, das ist sicher nicht schön anzuschauen.
Ron Dennis wusste: Keine Rennsiege 2013, ja, nicht einmal ein einziger Podestplatz – da muss der Chef handeln. Der Vorstand der Gruppe sieht das offenbar genau so und hat Dennis daher die Kontrolle über das Formel-1-Team zurückgegeben.
Was bedeutet das für die Zukunft von Martin Whitmarsh?
Martin ist ein aussergewöhnlich intelligenter Mann, er pflegt einfach einen anderen Stil als Ron. Das hat ihn nicht daran gehindert, vor drei Jahren einen Coup zu verhindern. Schon damals wurden Pläne geschmiedet, ihn zu entmachten. Ob die Veränderung jetzt zum Verlassen der Firma führt – das müssen er und McLaren entscheiden.
Ron Dennis hat ja gesagt, er wolle nicht Teamchef werden, er ist gewissermassen dieser Rolle übergeordnet. Er ist schon Chef, aber er hat gar nicht die Möglichkeiten, das Tagesgeschäft des Teams zu führen. Es wäre also möglich, dass Whitmarsh das weiter tut, selbst wenn ich das für eher unwahrscheinlich halte.
Siehst du hier eine Chance für Ross Brawn?
Auf kurze Sicht nicht, aus dem einfachen Grund, weil er nach der Trennung von Mercedes nicht so bald für ein anderes Formel-1-Team arbeiten darf. Ross ist im Urlaub, und ich weiss, dass er jede Menge Fischerausflüge gebucht hat.
Ross Brawn bei McLaren? Da fällt mir als erstes ein, dass McLaren und Ferrari in jener Phase sieben WM-Titel in Folge gewannen – zwei Mal Mika Häkkinen für McLaren, dann fünf Mal Michael Schumacher für Ferrari. Und in diesen Jahren gab es jede Menge böses Blut zwischen Ferrari und McLaren. Ich frage mich, ob Persönlichkeiten wie Ron Dennis und Ross Brawn das hinter sich lassen können.