Eric Gandelin (Sauber): «Rundenzeiten sind uns egal»
Seit Juli 2013 arbeitet Eric Gandelin (36) als Chefdesigner beim Schweizer Sauber-Team. Seine Formel-1-Karriere hatte er 1999 im GP-Rennstall von Alain Prost begonnen. In unserem Interview spricht der Franzose aus Bourg la Reine (bei Paris) über die ganz besonderen Anforderungen der neuen Formel-1-Modellgeneration und zieht eine kleine Zwischenbilanz von Sauber hier in Jerez.
Eric, ich möchte gerne bei der Design-Phase des Sauber C33 beginnen. Was war dabei die grösste Herausforderung?
Ich würde sagen: das Einbetten der neuen Antriebseinheit ins Auto. Als Kundenteam hast du da kein leichtes Leben, weil die Informationen nur Stück um Stück kommen und ziemlich spät. Versteh mich nicht falsch – wir haben ein exzellentes Arbeitsverhältnis mit Ferrari. Aber als Werksteam hast du es da gewiss einfacher. Ich würde bei den Herausforderungen während der Design-Phase auch die Kühlanforderungen der neuen Antriebseinheiten hervorheben.
Lass uns einen Moment von der Fahrzeugnase sprechen. Warum habt ihr euch für die Lösung mit dem Anhängsel entschieden, und wie flexibel seid ihr, etwas Anderes zu machen?
Das Design der Nase wird von zwei Faktoren diktiert: Zum einen sind das die Vorschriften der FIA. Aus Sicherheitsgründen wurde da vorgeschrieben, dass die Nasenspitze auf einer Höhe von 18,5 cm über Boden enden muss. Hintergrund: Man wollte verhindern, dass Rennwagen aufsteigen, wenn sie auf ein Hindernis stossen. Der andere Faktor ist die aerodynamische Leistungsfähigkeit. Wir haben einfach die Erfahrung gemacht – mit einer ganz nach unten gezogenen Nase erreichen wir weniger Aero-Effizienz. Wenn du dann versuchst, eine hohe Nase mit der FIA-Vorschrift zu verheiraten, dann kommst du eben zu einer Lösung, wie du sie jetzt am C33 siehst. Und auch bei anderen Rennwagen.
Warst du überrascht davon, welche Vielfalt wir bei der Form der Fahrzeugnasen erleben?
Basierend auf den zahlreichen Sitzungen mit der FIA ging ich schon davon aus, dass wir verschiedene Lösungen sehen würden. Eine richtige Überraschung habe ich nicht erlebt, selbst wenn einige Lösungen etwas extremer sind als andere. Im Grund gibt es zwei Familien: die herabgezogenen Nasen à la Ferrari und Mercedes sowie die Designs wie unseres oder Toro Rosso.
Was ist ab nun gescheiter? Die eigene Lösung verfeinern oder einen ganz frischen Weg einzuschlagen?
Wir haben schon während der Entwicklungsphase verschiedene Lösungen untersucht und kamen aus bestimmten Gründen zu unserer Lösung. Wir halten sie für den besten Kompromiss.
Das ist jene Phase im Jahr, wo man erste Lösungen der Gegner sieht und auf den Gedanken kommen könnte: das entspricht möglicherweise nicht ganz dem Gedanken des Reglements. Wo siehst du da Probleme?
Ich habe einige Bereiche gesehen, die ich als interessant und einfallsreich bezeichnen würde. Aber ich habe jetzt nichts gesehen, das ich für illegal halte. Selbst wenn hier natürlich die FIA das letzte Wort hat.
Wo schlummert bei dieser neuen Modellgeneration das grösste Entwicklungspotenzial?
Noch immer bei der Aerodynamik. Am Heck haben wir ja den abgeblasenen Diffusor verloren und auch den Zusatzflügel über dem Getriebe. Alle Rennställe arbeiten fieberhaft daran, dort den verlorenen Abtrieb zurück zu gewinnen. Das machen wir genauso. Auch der schmalere Frontflügel bietet noch reichlich Raum zur Entwicklung.
Wir haben fast drei Testtage hinter uns. Eine kleine Zwischenbilanz aus Sicht von Sauber, bitte.
Wir sind nicht mit dem Ziel nach Jerez gereist, eine tolle Rundenzeit hinzulegen. Das interessiert uns hier überhaupt nicht. Wir sind nur dazu da, Erfahrung mit der neuen Antriebseinheit zu sammeln und den Wagen standfest zu machen. Wir prüfen, ob die Kühlung stimmt, wir arbeiten an der erheblich komplexeren Elektronik. Bislang sind wir zufrieden, selbst wenn die Arbeit wie ein Berg vor dir wirkt. Wir haben verhältnismässig spät mit diesem Wagen begonnen. Es war ein erhebliches Stück Arbeit, hier mit einem Auto zu sein, und ich bin glücklich und stolz, das die Sauber-Truppe das geschafft hat. Das können offenbar nicht alle Rennställe von sich behaupten.
Wir werden dann ein grosses Evo-Paket nach Bahrain bringen und zwar schon zum ersten Test. Bis auf ein paar Einzelheiten wird das jener Spezifikation entsprechen, mit welcher wir in Australien antreten. Wir werden andere Flügel vorne und hinten haben, andere Luftleit-Elemente am ganzen Wagen. Wir wollten die ganze Mechanik hier in Spanien zum Laufen bringen, um dann in Bahrain den Wagen schneller zu machen.
Auf welches Element des Sauber C33 bist du besonders stolz?
(Schmunzelt.) Eigentlich möchte ich das nicht preisgeben!
Wie schwierig war es, den Wagen ans Gewichtslimit zu bringen?
Sehr schwierig. Und das bleibt bei allen Rennställen ein grosses Thema. Das Mehrgewicht durch die neuen Antriebseinheiten und die verbesserten Crash-Strukturen ist massiv. Das ist ein heisses und ein teures Thema. Das bindet nicht nur Zeit und Mannstunden, sondern auch viel Geld. Weil du das Gewicht mit exotischen Materialien herunterbringen musst. Wir hatten uns dafür stark gemacht, dass man das Limit nicht so tief ansetzt. Leider haben sich einige Rennställe dagegen ausgesprochen. Leider auch sind grössere und damit schwere Piloten benachteiligt. Das ist sehr bedauerlich.
Mit der gleichen Getriebeabstufung in Monza und Monaco fahren zu müssen: Wie packt man das an?
Wir dürfen während der Saison ja nur einmal wechseln, das stimmt. Wir kommen da basierend auf den Informationen unseres Motorenpartners Ferrari sowie durch Simulationen zu einem Kompromiss.
Am ersten Tag haben alle Rennställe zusammen nicht mal 100 Runden geschafft, und Renault steckt in Schwierigkeiten. Hast dich das erstaunt?
Ohne jetzt Details von Renault zu kennen, würde ich sagen: ich habe ein starkes Mercedes erwartet, das hat sich bestätigt, aber ich hätte nicht gedacht, dass Renault solche Schwierigkeiten haben würde. Wir als Ferrari-Partner sind mit der Arbeit zufrieden.