10 Dinge, die Sie über die Wintertests wissen müssen
1. Beim Parken lernt man wenig
Die Unbestechlichkeit der Zahlen sagt uns nach dem Jerez-Test: Von den drei Motorenherstellern in der Formel 1 hat Mercedes die Hausaufgaben am besten erledigt, vor Ferrari und Renault. Erster Gradmesser dazu ist nicht so sehr die Stoppuhr (die kommt dann eher beim zweiten und dritten Wintertest in Bahrain zum Einsatz), sondern der Rundenzähler. Da stehen die Mercedes-Rennställe herausragend da:
Mercedes 309 Runden
Ferrari 251
McLaren (Mercedes) 244
Williams (Mercedes) 175
Sauber (Ferrari) 163
Force India (Mercedes) 146
Caterham (Renault) 76
Toro Rosso (Renault) 54
Marussia (Ferrari) 30
Red Bull Racing (Renault) 21
2. Jerez ist aus Reifensicht wenig wert
Die verschiedenen Rennställe haben in Andalusien viel übers eigene Auto gelernt. Aber in Sachen Reifen stehen alle noch am Anfang: es war zu kühl, um wirklich Rückschlüsse zum Verhalten der 2014er Pirelli zu erhalten. Dennoch gilt auch hier: wer mehr zum Fahren gekommen ist, liegt im Vorteil. Mehr über die Pirelli-Reifen lesen Sie HIER
3. Der Sound stimmt
Tonaufnahmen von Prüfständen, die im Internet kursierten, sprachen nur die halbe Wahrheit: Live auf der Rennstrecke klingen die neuen Antriebseinheiten kehlig tief und überraschend gut. Der heulende Turbo trägt zur interessanten Geräuschkulisse bei, beim Anbremsen der Kurven splotzen die neuen Motoren aufregend, wenn die Energierückgewinnung in vollem Gange ist. Ja, natürlich drehen die 2014er Einheiten weniger hoch als die bisherigen V8-Saugmotoren, und viele Fans werden das vermissen. Aber die Diskussion um den Motorenton wird so schnell abebben wie bei der Umstellung von den V10-Aggregaten auf die V8-Motoren. Nach wenigen Rennen werden wir nicht mehr davon sprechen.
4. Ferrari liegt auf Kurs
Selbst wer Ferrari jetzt nicht sein Lieblingsteam nennen würde, ist klug genug zu wissen: Die Formel 1 ohne ein siegfähiges Ferrari ist eine weniger interessante Formel 1. Von daher haben wir gute Kunde für Tifosi: Kimi Räikkönen und Fernando Alonso sind reichlich zum Fahren gekommen, vor allem aber – grosses Aufatmen unter den Aerodynamikern – stimmen die Werte von Windkanal und Rennstrecke überein. Jetzt zahlt sich die Aufmöbelung des eigenen Windkanals in Maranello aus.
5. Diskussion um die Nasen bleibt
Der alte Renngrundsatz «Ein schnelles Auto ist auch ein schönes Auto» gilt für viele Rennfans nicht: In den sozialen Netzwerken wird über die gesammelte Hässlichkeit der Fahrzeugnasen kontrovers diskutiert, und so bald wird diese Diskussion auch nicht leiser. Denn die Rennställe arbeiten an anderen Lösungen, und die werden nicht gezwungenermassen hübscher sein. Im Laufe des Jahres jedoch werden wir uns anderen Themen zuwenden. Es gibt auch die ersten Formel-1-Fans, welche gewissermassen über die Nasenspitze hinaus denken und Vorzüge der neuen Renner loben: Nicht mehr Dutzende von Zusatzflügeln wie anfangs der 2000er Jahre, eine hübschere Gesamtoptik aufgrund der schmaleren Frontflügel – und endlich sehen die Rennwagen auch wieder unterschiedlich aus! Vor Jahren haben wir uns an unförmig breite Frontflügel und viel zu schmale Heckflügel gewöhnt und sogar an die unsäglichen Rillenreifen. Dennoch hat der Vorwurf Bestand: Die Regelverfasser haben genug Sachverstand, dass sie den Lösungsweg der Teams hätten erahnen müssen.
6. Die Strategie von Bernie Ecclestone
Während der Jerez-Testwoche hat sich Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone sehr abfällig über Aussehen und Ton der neuen GP-Renner geäussert. Die Grand-Prix-Fans wundern sich: Wieso redet «Mr. Formula One» sein eigenes Produkt schlecht? Spürt er, dass seine Zeit am Formel-1-Ruder abgelaufen ist, also kann es ihm egal sein? Will er (wie so oft) einfach Unruhe stiften unter dem Motto – Hauptsache, es wird über die Formel 1 geredet? Oder gerät er langsam in ein Alter, in dem man schon mal ein wenig schusselig wird? Wir sagen: Egal, wie sehr der 83-Jährige über Sound und Fahrzeugnasen schimpft, das Interesse am GP-Sport würde nur dann sinken, wenn die Rennen eintönig wären.
7. Der Weltmeister ist gefordert
Da nützt alles Schönreden nichts («Testfahrten sind ja dazu da, Fehler zu finden» etc.): Renault und die Partnerteams stecken in grossen Schwierigkeiten. Die Testfahrten von Jerez haben gezeigt, dass es mit noch so fleissigen Prüfstandsversuchen nicht getan ist. Die Franzosen beteuern, dass alle Probleme mit den Antriebseinheiten lösbar sind. Viel Zeit ist dazu nicht: In knapp zwei Wochen wird in Bahrain gefahren. Auch Red Bull Racing steht unter Druck: eine falsch herum montierte Feder ist ärgerlich und kostet Zeit. Anhaltende Überhitzungsprobleme sind weniger leicht zu beheben. Auch hier muss der Bahrain-Test zeigen, ob und wie schnell beim Weltmeister reagiert werden kann.
8. Neulinge und Rückkehrer überzeugen
An drei Piloten werden wir 2014 besonders viel Freude haben: Die jungen Kevin Magnussen und Daniil Kvyat haben sich in der Formel 1 eingelebt, als wären sie schon seit Jahren mit dabei. Beide wirken unaufgeregt, hochkonzentriert, fahren fast fehlerfrei. Magnussen kam ausgiebig zum Fahren, der Russe Kvyat wegen Problemen mit dem Toro Rosso-Renault noch nicht. Und von Caterham wird 2014 nicht nur der hässlichen Nase wegen mehr gesprochen: Kamui Kobayashi erzeugt erheblich mehr Emotionen als die blassen 2013er Fahrer Charles Pic und Giedo van der Garde.
9. Die Rückkehr der Traditionsteams
Nicht nur Ferrari scheint gut aufgestellt zu sein, die Fans dürfen sich auch über ansteigende Form der britischen Traditionsteams McLaren und Williams freuen. Das ist nach der jämmerlichen Bilanz 2013 auch dringend nötig. Vorwiegend dank Partner Mercedes, aber auch mit einigen raffinierten aerodynamischen Lösungen machen McLaren und Williams von sich reden. Die verkleidete Hinterradaufhängung am McLaren wird Schule machen, das schlanke Williams-Heck ebenso. Beide Renner glänzen auf der Bahn durch gutes Handling, und das zeigt sich auch auf der Stoppuhr.
10. Lotus bereits im Rückstand
Zehn Rennställe hatten in Jerez Gelegenheit, Kinderkrankheiten ihrer Renner auszukurieren oder sich wenigstens Gedanken zu machen, was vor dem Bahrain-Test zu unternehmen ist. Lotus ist keine Runde gefahren und wird diese Erfahrungen erst noch machen müssen. Abgesehen davon, dass sie mit Motorenpartner Renault derzeit schlecht bedient sind. Lotus-Teamchef Gerard Lopez kann die Auswirkungen des Fehlens in Andalusien noch so abwiegeln: die Schwarzen gehen mit einem Rückstand in die Saison. Da nützt auch die clevere Nasenlösung nichts.