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Michael Schumacher in Reha – Ärzte vorsichtig

Von Petra Wiesmayer
Gary Hartstein glaubt nicht an Michael Schumachers Genesung

Gary Hartstein glaubt nicht an Michael Schumachers Genesung

Michael Schumacher ist nicht mehr in der Uniklinik in Grenoble, sondern in der Universitätsklinik Centre Hospitalier Universitaire Vaudois in Lausanne in Reha. Spezialisten bleiben mit Prognosen jedoch vorsichtig.

Während die Fans des Rekordweltmeisters auf der ganzen Welt mit großer Erleichterung und Freude und euphorisch reagierten und den 45-Jährigen schon wieder völlig genesen sehen, sind Spezialisten etwas zurückhaltender. Prof. Dr. Claus Wallesch, der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation, erklärt beim Onlineportal der Zeit, dass die Reha nicht erst jetzt beginne, sondern bereits in Grenoble erste physiotherapeutische Schritte unternommen wurden.

«Eine Rehabilitation beginnt bereits im Akutkrankenhaus, in der Klinik also, in der die eigentliche Ursache des Komas behandelt wird – ein Schädel-Hirn-Trauma wie bei Michael Schumacher etwa. Neben den Ärzten arbeiten oft schon Physiotherapeuten mit dem Patienten», wird Wallesch zitiert. «Sehen die Ärzte keine Möglichkeit mehr, den Zustand des Patienten mit akuten Maßnahmen zu bessern, verlegen sie ihn in eine Rehaklinik. Dort geht es mit der sogenannten Früh-Rehabilitation weiter, die den Patienten auf die eigentliche Reha vorbereitet – also darauf, dass er selbst an der Verbesserung seiner verlorenen Fähigkeiten arbeiten kann und von Therapeuten nur noch begleitet werden muss.»

Wallesch erklärt, eine Reha würde im Schnitt etwa einen Monat dauern, Prof. Dr. Martin Grond, Chefarzt der Klinik für Neurologie am Kreisklinikum Siegen und Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Neurologie, spricht jedoch von Monaten. «Selbst bei leichten Schädigungen setzt man mindesten drei Wochen an, meist sind es jedoch Monate», sagte Grond bei Spiegel Online. «Und für diese möglicherweise lange Phase der Reha sollten wir keine Neuigkeiten über Michael Schumacher erwarten.»

Unterschied zwischen quantitativen und qualitativem Bewusstsein

Dass Schumacher «nicht mehr im Koma» liege, sei lediglich eine Beschreibung des sogenannten quantitativen Bewusstseins, «also der Wechsel vom Koma in einen nicht-komatösen Zustand», erklärte er. «Über das qualitative Bewusstsein, also etwa die Fähigkeit, die Umgebung wahrzunehmen, zu kommunizieren, sich zu bewegen, sagt die kurze Mitteilung nichts aus. Es fällt kein Wort zu seinen Hirnfunktionen. Als Arzt möchte ich deshalb nicht über den Zustand von Michael Schumacher spekulieren. Denn vom Wachkoma bis hin zu weitgehender Erholung ist gerade im Prinzip alles möglich und denkbar.»

Das erste Ziel nach dem Koma sei es, herauszufinden, wozu der Patient in der Lage sei und dann darauf aufzubauen. «Kann er sich spontan bewegen? Reagiert er auf die Umwelt? Kehrt die Sprache zurück? Ein Team von Ärzten und Therapeuten unterschiedlicher Fachrichtungen kümmert sich um den Patienten, in der Hoffnung, dass es jeden Tag etwas besser wird.» Dabei würde die Zeit helfen, sagte Grond weiter. Prognosen seien daher jedoch unmöglich. «Selbst die behandelnden Ärzte wissen zu Beginn nicht, wie gut sich ein Mensch nach dem Koma erholt. Auch ich habe in meiner Laufbahn schon stark unterschätzt, wie gut sich Patienten regenerieren können. Schon aus diesem Grund wären Prognosen zu Michael Schumacher zu diesem Zeitpunkt fahrlässig.»

Sehr wichtig nach einem längeren Koma sei der Aufbau der Muskeln, die bei längerem Liegen schwinden. «Physiotherapeuten aktivieren die Muskulatur zunächst passiv, also etwa durchs Bewegen von Armen und Beinen des Betroffenen, und sobald wie möglich dann aktiv gemeinsam mit dem Patienten.»

Gehirn kann sich regenerieren

Prof. Wallesch erklärt, dass darüber hinaus eine kognitive Reha stattfinde, die sogar dabei helfen könne, dass sich geschädigte Areale im Gehirn zumindest teilweise regenerieren. «Weil die Nervenverbindungen im Gehirn veränderbar (plastisch) sind, können Hirnfunktionen – zumindest zum Teil – auch wieder regeneriert werden. So können neue Hirnzellen aus neuronalen Stammzellen nachwachsen, in verletzte Areale einwandern und dabei helfen, Nervenknoten zu reparieren. Wenn die Neurone neue Fortsätze bilden, können auch verletzte Nervenbahnen regenerieren», beschreibt Wallesch.

«Diese Reparaturprozesse lassen sich durch motorisches, kognitives oder logopädisches Training stimulieren. Dabei kann die Funktion eines verletzten Hirnbereichs mitunter auch von anderen, gesunden Hirnarealen übernommen werden. Insgesamt aber ist die Reparaturfähigkeit des Hirns begrenzt. Je größer die Verletzungen des Hirngewebes sind, umso schlechter sind die Aussichten für Genesung oder Besserung.»

Der ehemalige Formel-1-Arzt und Koma-Experte Gary Hartstein bleibt in seiner Einschätzung der Situation noch vorsichtiger. Er stimmt mit Prof. Dr. Martin Grond in der Unterscheidung zwischen quantitativen und qualitativem Bewusstsein überein, beschreibt die Lage nur noch etwas schonungsloser und spricht von «höchst zynischen Sprachgebrauch», der die wahre Situation verschleiern soll. Es werde keine positiven Schumi-News mehr geben, sagte der Amerikaner noch vor Kurzen und änderte seine Meinung auch nach den Nachrichten vom Montag nicht.

Hartstein: Die Nachrichten sind nichts wirklich Neues

«Nun wird uns erzählt, mit einem Anflug von Triumph, Michael liege nicht länger im Koma. Dies ist keine Neuigkeit!», schreibt er in seinem Blog. Denn bereits als seine Managerin Sabine Kehm im April erklärt habe, Michael Schumacher habe wache Momente und sei gelegentlich bei Bewusstsein, sei das das Ende des Komas gewesen. «Sie gebrauchte zwei Ausdrücke, die nur Spezialisten unterscheiden können; für Laien ist wach und bei Bewusstsein das Gleiche. Diese Ausdrucksweise rührte ganz klar von Diskussionen mit den Ärzten her und ist eine genaue Beschreibung eines minimalem Bewusstseinszustands.»

«Dass man uns jetzt erzählt, Michael sei nicht mehr im Koma, ist keine Neuigkeit und ich kann mir nicht helfen, aber ich finde, das ist ein höchst zynischer Sprachgebrauch, der die Wahrheit beschreibt, um einen falschen Eindruck zu erzeugen», ist Hartstein sicher. Er glaube nicht, dass sich dieser minimale Bewusstseinszustand grundlegend geändert habe. «Wäre davon die Rede, dass er in die Reha geht, dass er Probleme damit hat, sich zu artikulieren und hart daran arbeitet. Oder dass er wieder laufen lernen muss, lesen, schreiben etc. Aber nein, uns wird gesagt, was wir bereits wissen und, dass wir keine weiteren Updates erwarten dürfen. In etwa das, was ich mir schon gedacht hatte.»

Es werde wohl keine guten Nachrichten mehr geben, wiederholt Hartstein somit durch die Blume. «Dies alles hinterlässt mir einen sehr schlechten Nachgeschmack. Und viel Platz für Traurigkeit für Michaels Familie. Und für euch, seine Fans», schließt Hartstein.

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