Abu Dhabi-GP: Darauf achten die Mercedes-Ingenieure
Unter Beobachtung: In Abu Dhabi wird das Mercedes-Team noch mehr als in Brasilien im Fokus der Medien stehen
Der ganze Formel-1-Zirkus freut sich auf den Saisonabschluss in Abu Dhabi, wo zum ersten Mal in der Geschichte der Königsklasse die doppelte Punktzahl verteilt wird. Für das Mercedes-Team ist der letzte GP der Saison ein ganz besonderes Rennen, schliesslich wird sich damit entscheiden, welcher der beiden Silberpfeil-Piloten Lewis Hamilton und Nico Rosberg in diesem Jahr die WM-Krone aufsetzen darf. Hamilton reicht ein zweiter Platz hinter seinem Teamkollegen, denn der Brite reist mit einem 17-Punkte-Vorsprung in die Wüste.
Trotzdem betonte der Weltmeister von 2008, dass er nichts anderes als auf Sieg fahren werde und hoffe, dass der WM-Kampf auf der Strecke ausgetragen und nicht durch die Tücken der Technik entschieden werde. Auch Mercedes-Motorsportdirektor Toto Wolff versprach, dass sein Team alles daran setzen werde, einen spannenden WM-Ausgang auf der Strecke zu garantieren. Die Formel-1-Ingenieure aus Brackley, Brixworth und Stuttgart kennen die Herausforderungen des Yas Marina Circuit und verraten vor dem letzten Rennwochenende des Jahres, worauf es beim letzten Kräftemessen der Silberpfeilpiloten ankommt:
Streckenverlauf
Der Yas Marina Circuit besitzt relativ wenige High-Speed-Passagen. Abgesehen von den Kurven 1 bis 4 besteht eine Runde mit ihren 21 Kurven hauptsächlich aus langsamen Kurven und Geraden. Ein unerwartetes Ergebnis des Streckenverlaufs ist ein Mangel an Überholmanövern. Das prominenteste Beispiel dafür war die Titelentscheidung in der Saison 2010. Zwischen den Kurven 7 und 8 verläuft eine extrem lange Gerade. Die Geschwindigkeit auf dieser ist jedoch abhängig davon, ob man im vorhergehenden langsamen Abschnitt mit wenig Grip nahe genug am Vordermann dran bleiben kann. Die 2014er Fahrzeuggeneration kann anderen Autos leichter folgen als ihre Vorgänger. Dadurch gab es mehr Überholmanöver als in den vergangenen Jahren. Dennoch ist ein erfolgreiches Manöver auf dieser Strecke alles andere als einfach.
Reifen
In den vergangenen beiden Jahren kamen in Abu Dhabi die weiche und die mittlere Reifenmischung zum Einsatz. 2012 und 2013 gab es deshalb hauptsächlich einen oder zwei Stopps. In diesem Jahr werden die weiche und die extra-weiche Mischung eingesetzt. Eine aggressive Wahl, wenn man bedenkt, dass der weichere Reifen im Vorjahr nur eine Handvoll Runden eingesetzt wurde. Die folgenden beiden Stints wurden auf den härteren Reifen absolviert. Die 2014er.Reifenmischungen sind ungefähr eine halbe Stufe härter als ihre Vorgänger. Dennoch könnte es auch in diesem Jahr in Abu Dhabi ein 3-Stopp-Rennen geben. Dies kann wie in Brasilien zu verschiedenen Strategieentscheidungen, mehreren Positionswechseln und zu vielen Zweikämpfen im gesamten Feld führen.
Benzinverbrauch
Mit Blick auf den Benzinverbrauch befindet sich Abu Dhabi im oberen Bereich der Skala. Allerdings gab es bislang noch auf keiner Strecke grosse Schwierigkeiten in dieser Hinsicht. Dabei gab es schon einige Strecken in diesem Jahr, auf denen der Benzinverbrauch eine grössere Rolle spielte als in Yas Marina. Die Fahrer sind mit den Einschränkungen beim Benzinverbrauch bislang beeindruckend gut zurechtgekommen. Dieser Aspekt ist also eher theoretischer Natur als eine grosse Sorge.
Rennen in der Abenddämmerung
Immer mehr Rennen finden in der Abenddämmerung statt. Dies führt zu schwankenden Streckentemperaturen zwischen den verschiedenen Trainings des Wochenendes. An einem normalen Rennwochenende schwanken die Strecken- und Umgebungstemperaturen vielleicht um fünf bis zehn Grad. In Abu Dhabi fällt dieser Wert viel höher aus. Der Einfluss auf die Performance kann dabei mehr als eine halbe Sekunde pro Runde betragen. Darauf müssen sich die Teams einstellen, um bei der Abstimmung nicht vom richtigen Weg abzukommen. Ein Überhitzungsproblem könnte somit im zweiten Training nicht so gross sein wie im ersten. Ein zu grosser Ausgleich würde als das Risiko bedeuten, den falschen Weg bei der Balance einzuschlagen. Die Teams können hierbei auf ihre Erfahrungen aus Singapur und Bahrain zurückgreifen. Dennoch müssen sie genau darauf achten.
Zuverlässigkeit
Beim Saisonfinale erreichen bei allen Teams einige Fahrzeugkomponenten das Ende ihres Lebenszyklus. Das gehört zum Lauf der Saison. Schliesslich werden die Teile so entworfen, dass sie die Saison überstehen, aber nicht viel mehr. Natürlich wird alles unternommen, um die bestmöglichen Spezifikationen im Auto einzusetzen und so das Risiko von Zuverlässigkeitsproblemen zu minimieren. Die vielen roten Flaggen in Brasilien haben jedoch gezeigt, dass alles am Limit ist. Unbekannte Defekte treten zu diesem Zeitpunkt der Saison immer öfter auf. Das ist auch in Abu Dhabi zu erwarten. Dadurch wird es schwierig, in den üblichen Rhythmus des Rennwochenendes zu finden, da die Trainings häufig unterbrochen werden.
Externe Einflüsse
In den letzten Zügen einer langen Saison setzt bei allen Beteiligten langsam Müdigkeit ein. Dazu gesellt sich der Druck des Titelkampfes, sowohl intern von den Teamteilhabern als auch extern von den Medien. Jede Bewegung des Teams wird genau beobachtet. Der Umgang mit diesem Druck gehört zum Tagesgeschäft in der Formel 1. Daran ist jedes Teammitglied gewöhnt. Aber beim angespannten Finale in Abu Dhabi gilt dies umso mehr.
Das nächste Kapitel
Abgesehen von grösseren Überraschungen sind die Positionen in der Konstrukteurs-Weltmeisterschaft im gesamten Feld bezogen. Die Teams konzentrieren sich in Abu Dhabi deshalb vor allem auf 2015. Natürlich wird jedes Team weiter vollen Einsatz an diesem Rennwochenende zeigen. Aber es wäre keine Überraschung, wenn das Freitagstraining von Vorbereitungen auf die nächste Saison dominiert würde. An einigen Autos kann es bereits neue Teile geben. Andere konzentrieren sich vielleicht eher darauf, die beste Basis-Fahrzeugabstimmung für die folgenden beiden Testtage nach dem Grand Prix-Wochenende zu finden. Der verlängerte Abu Dhabi-Trip bietet den Teams die letzte Chance, Daten vor der Winterpause zu sammeln. Damit könnte er ein Schlüsselelement für die Performance in der Saison 2015 sein.