Jules Bianchi: Abu Dhabi hat ihn nicht vergessen
Die Geste ist rührend und beklemmend zugleich: «Tous avec Jules 17» steht da rot auf weiss am Eingang zum Fahrerlager des Yas Marina Cirucit, und dann: #forzajules. Keiner hat den in der vergangenen Nacht nach Frankreich verlegten Racer vergessen seit diesem unglückseligen 5. Oktober in Suzuka. Die Show namens Formel 1 geht weiter, aber keiner kann ausblenden, dass ein Mitglied dieses Zirkus um sein Leben kämpft; eines Zirkus, der in schweren Zeiten zusammenrückt und das Klischee Lügen straft, dass das Menschliche in der Formel 1 längst verloren gegangen sei.
Jules Bianchi wird uns noch präsenter sein, sollte der Marussia-Rennstall es wirklich schaffen, hier mit Rennwagen aufzutauchen. Einer der Boliden wäre seiner gewesen. Ohne seine couragierte Fahrt im Monaco-GP auf Rang 9 würde Marussia derzeit nicht auf dem neunten WM-Rang stehen, vor Sauber und Caterham.
Hinter den Kulissen laufen die Arbeiten auf Hochtouren, aus der Tragödie um den Ferrari-Zögling etwas zu lernen. Anfangs Dezember wird der Bericht der Expertenkommission zum Unfall an den FIA-Präsidenten Jean Todt überreicht.
Ein Aspekt, an welchem gearbeitet wird: die Reifen.
Natürlich kann Pirelli keine Mitschuld am Unfall von Bianchi gegeben werden. Fakt ist vielmehr, dass das Testkorsett – welches sich die Formel 1 selber geschnürt hat – eine Mitschuld trägt, dass das Unfassbare passiert ist.
Hintergrund: Die Formel-1-Fahrer wollen mehr Testfahrten auf nasser Bahn, und sie wollen auch andere Reifen. Der heutige Rahmen, der Pirelli vorgegeben wird, zwingt zu zwei Reifentypen für nasse Bahn, den (grün markierten) Intermediate für Mischverhältnisse, feuchte Bahn und wenig Regen, den (blau markieten) Regenreifen für nasse Strecke und viel Regen.
Die Krux: Rennfahrer verwenden immer jene Lösung, mit welcher sie schneller vorwärts kommen. Und das ist in der Regel der Intermediate-Reifen. Selbst wenn der Einsatz von Regenreifen sicherer wäre.
Pirelli erwidert völlig zu Recht, dass die Testmöglichkeiten auf nasser Bahn ungenügend seien. Das Reglement erlaubt nur den Einsatz eines mindestens zwei Jahre alten Autos, das nützt zu wenig. Die Bahn wie im vergangenen Februar künstlich nass zu machen, hat sich als untaugliches Mittel erwiesen.
Und schon geht zwischen den Teams wieder die Streiterei los: denn während die Testbahn von Fiorano prima geeignet wäre, wittern einige schon wieder einen Vorteil für Bahnbesitzer Ferrari.
Die Uneinigkeit zwischen den Rennställen wird auch von Pirelli-Rennchef Paul Hembery angeprangert. Der Brite findet, die Teams sollten sich zuerst mal darüber einig werden, was sie genau wollen, bevor man zum Alleinausrüster kommt. Hembery kritisiert auch seit Jahren, dass Pirelli nicht genügend Testmöglichkeiten erhält, um den bestmöglichen Reifen zu entwickeln.
Eine andere Strecke, wo Tests auf nasser Bahn simulierbar sind, ist Le Castellet in Frankreich. Aber um dort Reifen erproben zu können, müsste zuerst das Reglement geändert werden.
Wetten, dass sich die Teams darüber wieder nicht einig werden?