Jerez, Tag 1: Nico Rosberg & Sebastian Vettel glänzen
Die Konkurrenz hatte gehofft, dank viel Arbeit im Winter den Weltmeistern von Mercedes näher rücken zu können. Davon konnte bis am Sonntagnachmittag keine Rede sein. Scheinbar mühelos spulte Nico Rosberg Runde um Runde ab, der neue Silberpfeil vom Typ W06 ist nicht nur zuverlässig, sondern auch schnell. Das ist eine starke Ansage zum Beginn der Wintertestfahrten in Andalusien.
Erst um 14.00 Uhr taucht ein anderer Name auf Rang 1 auf – jener von Sebastian Vettel im Ferrari. Davor war vier Stunden lang bei Ferrari gar nichts gegangen: die italienischen Techniker forschten in den Innereien des neuen Ferrari F15-T nach einem Sensorenproblem. Zudem funktionierte der Sprechfunk nicht nach Wunsch. Dann aber zeigte der vierfache Weltmeister mit einer Zeit unter 1:23 min, dass Ferrari nicht komplett auf dem Holzweg sein kann.
Dennoch sollte jetzt nicht in diese Zeit hinein interpretiert werden, dass Ferrari dem Weltmeister Mercedes im ersten Teil der WM um die Ohren pfeifen wird: Nico Rosberg war die meiste Zeit mit Dauerläufen beschäftigt und hatte tüchtig Sprit an Bord, Rosberg und Vettel waren auch nicht auf den gleichen Reifen unterwegs. Mehr als eine Runde vor dem Ende ging Rosberg schliesslich zu Aero-Test über. Der Deutsche hatte sämtliche Funktionstest offenbar schon hinter sich gebracht.
Zwangspausen bei Williams, Red Bull Racing und McLaren
Williams begann das Wintertestprogramm mit Verspätung: beim Aufbau und letzten Checks des Wagens gab es Verzögerungen, Valtteri Bottas konnte erst zur Mittagsstunde auf die Bahn gehen. Der Wagen erwies sich jedoch auf Anhieb als schnell.
Auch bei Red Bull Racing gab es eine längere Zwangspause: Daniel Ricciardos Wagen zog am Morgen nach 22 Runden eine lange Rauchfahne hinter sich her – wie es scheint, hatte ein Teil der Karosserie Feuer gefangen. Der Wagen des WM-Dritten von 2014 verschwand erstmal in der Box. Der dahinter fahrende Sauber-Fahrer Marcus Ericsson sah Rauch und Öl, aber kein Feuer.
Fernando Alonso hatte sich seinen ersten Arbeitstag im McLaren-Honda gewiss anders vorgestellt: Nur sechs Runden, ein stotternder japanischer Motor. Sky-TV-Experte Marc Surer sagt: «Ich finde es schon erstaunlich, dass Honda nach all den Problemen, die es schon beim Abu-Dhabi-Test im vergangenen November gegeben hatte, hier in Jerez jetzt nicht mehr zum Fahren gekommen ist. Der Motor hörte sich teilweise so an, als würde er nur auf vier Zylindern laufen.»
McLaren und Honda wollten Medienvertretern weismachen, alles laufe nach Plan. Damit lässt sich ein verpatzter Testtag leider nicht schönreden. Wer nach Plan arbeitet, spult Runden ab wie Nico Rosberg.
Mercedes-Gegner stärker als vor einem Jahr
Marcus Ericsson zeigte im Sauber einen ansprechenden Testbeginn. Vor etwas mehr als zwei Monaten hatte der junge Schwede beim Abu-Dhabi-Test den 2014er Sauber bewegt und war damit überhaupt nicht klargekommen – der frühere Caterham-Fahrer beschwerte sich über Schwierigkeiten mit der Bremsstabilität sowie über ein wenig erbauliches Handling in schnellen Kurven.
Beide Sorgenbereiche scheinen mit dem neuen Sauber ausgemerzt zu sein, daher hat er auch mehr Vertrauen ins Auto. Marc Surer fällt auf: «Ericsson konnte später in die Kurven hineinbremsen als Nico Rosberg im Mercedes.» Der Schwede freut sich: «Es ist immer gut, einen Wintertest zu beginnen und gleich mal ohne Probleme fahren zu können. Das ist eine gute Basis.»
Generell sind Ferrari und Renault viel weiter als vor einem Jahr, als der Testbeginn für beide Motorenhersteller blamabel war und nur Mercedes scheinbar ohne Probleme fahren konnte. Die Triebwerke von Ferrari und Renault klingen dieses Mal sauber, was wir vom Honda nicht behaupten können.
Der junge Carlos Sainz war vorrangig damit beschäftigt, Startversuche zu üben. Toro-Rosso-Technikchef James Key gestern hier in Jerez: «Wir müssen es schaffen, mit unseren jungen Piloten so intensiv zu arbeiten, dass sie bis zum Saisonstart in Australien alle Automatismen im Blut haben.»
Davon konnte vor einem Jahr keine Rede sein. Damals kam das Team wegen grosser Probleme mit dem Renault-Motor so wenig zum Fahren, dass der damalige Toro-Fahrer Daniil Kvyat seinen ersten Start erst in Australien übte… Doch auch für Sainz lief nicht alles nach Plan: Rund eine Stunde vor dem Ende des Tests sorgte der Spross der gleichnamigen Rallye-Legende für die zweite rote Flagge des Tages. Sein STR10 musste von der Strecke geschafft werden.
Insgesamt schafften es die Formel-1-Stars auf der Strecke dennoch locker, deutlich über den Kilometerstand des Vorjahres zu kommen: 2014 legten sieben Autos am ersten Jerez-Testtag noch insgesamt 93 Runden zurück, diesmal waren es mehr als vier Mal soviel. Rosberg alleine drehte deutlich über 100 Runden.
Gegen Abend tauchte in Jerez der Lotus E23 auf. Die Briten hatten es vorgezogen, alle Funktionen im Werk von Enstone zu prüfen, bevor der Wagen nach Südspanien transportiert wird.
Jerez-Test, Tag 1
Sebastian Vettel (D), Ferrari, 1:22,620 min (60 Runden)
Marcus Ericsson (S), Sauber-Ferrari, 1:22,777 min (73 Runden)
Nico Rosberg (D), Mercedes, 1:23,106 min (157 Runden)
Daniel Ricciardo (AUS), Red Bull Racing-Renault, 1:23,338 (35 Runden)
Valtteri Bottas (FIN), Williams-Mercedes, 1:23,906 min (73 Runden)
Carlos Sainz (E), Toro Rosso-Renault, 1:25,327 (46 Runden)
Fernando Alonso (E), McLaren-Honda, 1:40,738 (6 Runden)
Nicht im Einsatz: Pastor Maldonado (YV), Lotus-Renault (Auto zu spät angekommen)