Strafe Sebastian Vettel: WM-Plan Ferrari in Gefahr
Sebastian Vettel ist genervt
Die Zensur sagte alles: als Sebastian Vettels Renningenieur Ricciardo Adami den vierfachen Champion anfunkte, um ihm nach dem ersten Quali-Segment zu eröffnen, «wir sind Platz 16, Seb, es tut mir leid», da musste «Formula One Management» die Antwort mit einem langen Zensurpiepser bedecken. Der Kraftausdruck von Sebastian Vettel ist verständlich: denn die schlechte Startposition bringt den ganzen WM-Fahrplan des Heppenheimers in Schwierigkeiten.
Und es kam noch dicker: am Samstagabend musste der Malaysia-GP-Sieger eine Strafversetzung hinnehmen, weil er im dritten freien Training unter roter Flagge überholt hatte.
Kleine Ursache, grosse Wirkung: ein Problem mit der elektronischen Steuereinheit führte zum Abmelden der Energierückgewinnung H, jener Energie also, die ein Generator vom drehenden Turbolader sammelt. Vettel hatte doppeltes Pech: aufgrund der Pistencharakteristik des Circuit Gilles Villeneuve reicht die kinetische Energie (die beim Bremsen gesammelt wird) nur für einen zusätzlichen Schub über rund einen Drittel der Runde. Der Rest muss die MGU-H liefern (motor generator unit heat). Ohne die kinetische Energie fehlen rund zwei Drittel der Hybrid-Power, oder anders gerechnet: rund 100 PS Leistung. Auf einer Power-Strecke wie Kanada ist das, als würde man Vettel einen Mühlstein mit auf den Weg geben.
Gut für Vettel: der Defekt war verhältnismässig einfach zu beheben. Im Rennen sollte sich das nicht wiederholen.
Schlecht für Vettel: er musste noch weiter nach hinten wegen Überholens unter roter Flagge im dritten freien Training.
Vettel beteuerte bei den Rennkommissaren Garry Connelly (Australien), Silvia Bellot (Spanien), Alan Jones (Australien) und Mike Kaerne (Kanada) – Merhi sei so langsam unterwegs gewesen, da habe er, Vettel, geglaubt, der Spanier habe ein technisches Problem. «Natürlich hatte ich den Marussia gesehen, aber er war wirklich sehr langsam unterwegs. Ich weiss nicht, was für Schwierigkeiten er hatte, also habe ich ihn überholt.»
Die Regelhüter konnten sich dieser Darstellung nicht anschliessen: fünf Ränge zurück, drei Strafpunkte. Aufgrund der weiteren Strafen im Feld kam dabei schliesslich der 18. Startplatz heraus.
Ferrari-Teamchef Maurizio Arrivabene ärgert sich: «Wenn Kimi Räikkönen Trainingsdritter wird, dann hätte das Sebastian gewiss auch können. Wir hätten also beide Autos leicht in die zweite Startreihe gebracht. Wir hatten ein ähnliches Problem schon in Spanien, und wir waren eigentlich der Überzeugung, dass wir das gelöst hatten.»
Ex-Formel-1-Pilot Johnny Herbert sagt: «Damit ist der ganze WM-Fahrplan von Ferrari in Gefahr. Denn bislang hat es Vettel mit tollen Rennen geschafft, auf Schlagdistanz zu den beiden Mercedes-Fahrern zu bleiben. Mit regelmässigen Podestplatzierungen und dank seines Sieges in Sepang liegt er nur 18 Punkte hinter Rosberg und 28 Zähler hinter WM-Leader Hamilton. Ferrari wollte so lange wir möglich in der Nähe von Mercedes bleiben, um dann im Verlaufe der Saison mit frischen Entwicklungen die Lücke zu schliessen. Ich glaube wirklich, dass man sich – auch wenn das natürlich nicht zugegeben wird – eine kleine WM-Chance ausrechnete. Aber dieser Plan ist nun in Frage gestellt, wenn Vettel so weit hinten losfahren muss.»
Der Plan geht vielleicht auch aus anderem Grund nicht auf: die Verbesserungen am Motor haben, gemessen am Trainingsergebnis, nicht den erhofften Schritt nach vorne gebracht. Der Abstand zu Mercedes ist gleich gross geblieben.