Ferrari und Kimi Räikkönen: Hat er noch Fürsprecher?
Kimi Räikkönen ist ganz entspannt
An Kimi Räikkönen hängt das ganze Transfer-Schach im Hinblick auf die Saison 2016. Holt Ferrari für ihn einen anderen Piloten, dann kommt Schwung in die Bude. Sonst eher nicht. Im ersten Teil unserer Umfrage kannten die italienischen Medienvertreter wenig Gnade – sie finden, Kimi sei zu alt, er habe nicht die richtige Einstellung, das Feuer sei erloschen, ausserdem koste er zu viel. Wir haben weitere Stimmen gesammelt, auf der Suche nach einem Fürsprecher. Eins vorweg – es gibt sie noch.
Pino Allievi (La Gazzetta dello Sport)
«Kimi sollte bleiben, denn er ist ein grosser Champion mit einem göttlichen Fahrstil. Die Italiener lieben ihn. Aber wenn man ihn ersetzen will, dann am ehesten durch Nico Hülkenberg – einen Piloten von grosser Qualität, der es verdient hätte, für ein Team zu fahren, wo seine Begabung voll zur Entfaltung kommt.»
Arianna Ravelli (Corriere della Sera)
«Man müsste Räikkönen auswechseln. Am liebsten wäre mir Ricciardo – aber ich kann mir nicht vorstellen, dass Vettel das besonders toll fände. Ferrari braucht einen Piloten, der vom Team volles Vertrauen erhält. Das scheint mir bei Ferrari und Räikkönen komplett verloren gegangen zu sein, das Klima bei Ferrari ist nicht gut. Wenn man Kimi kritisieren will, dann sollte man das bestimmt nicht in der Öffentlichkeit tun, so wie es Teamchef Arrivabene bei mehr als einer Gelegenheit getan hat. Denn Kimi ist eben durchaus nicht der Eismann, sondern ein hochsensibler Mensch. Ich sehe sein gegenwärtiges Problem eher auf der mentalen Ebene, nicht im technischen Umgang mit dem Rennwagen.»
Cristiano Chiavegato (La Stampa)
«Kimi muss ersetzt werden durch einen jungen Löwen, wie einen Sainz oder einen Verstappen. Ein solcher Fahrer könnte zusammen mit Ferrari wachsen.»
Luigi Perna (La Gazzetta dello Sport)
«Man sollte Kimi durch Ricciardo ersetzen – selbst wenn das für Ferrari teuer wird. Kimi hat im vergangenen und auch im laufenden Jahr gezeigt, dass er den Speed und die Konstanz von einst eingebüsst hat. Alonso und auch Vettel haben ihn entzaubert. Gleichzeitig habe ich nicht den Eindruck, dass er sich in diesen Autos je richtig wohl gefühlt hat, und die Stimmung zwischen ihm und dem Team hat sich verschlechtert. Ricciardo, jung und hochbegabt, wäre eine Investition für die Zukunft.»
Fulvio Solms (Corriere dello Sport)
«Man müsste ihn ersetzen, weil seine Rückkehr zu Ferrari nicht das gebracht hat, was man sich davon erhofft hatte. Er kommt mir demotiviert vor, das neue Team-Management steht ihm nicht besonders nahe. Aber ich erkenne niemanden, der ihn passend ersetzen könnte. Bottas finde ich jetzt nicht besser als Massa, Ricciardo ist schwer vergleichbar mit Vettel, dem neuen Massstab bei Ferrari. Gutiérrez brächte Geld, aber einen tollen Fahrer finde ich ihn nicht. Marciello und Fuoco sind unreif. Was würde ich tun, wenn ich entscheiden müsste? Ich würde Hülkenberg holen. Kimi hat nicht zu den letzten beiden Ferrari-Rennern gepasst, er passt nicht zum neuen Management, manchmal passt er noch nicht mal zu sich selber.»
Stefano Mancini (La Stampa)
«Ich würde Kimi durch den Hülkenberg ersetzen, weil sich die Formel 1 in den vergangenen zwei Jahren stark verändert hat und sich Räikkönen wohl nicht anpassen kann. Das zeigen seine vielen Fehler. Hülkenberg hingegen ist vom Grand-Prix-Auto in den Langstrecken-Porsche gewechselt und hat auf Anhieb in Le Mans gewonnen, er wäre eine optimale Nummer 2 für Ferrari.»
Paolo Filisetti (Studio Filisetti)
«Abgesehen von Bahrain waren die Darbietungen von Räikkönen in diesem Jahr enttäuschend, also bei acht von neun Rennen. Ich halte ihn noch immer für einen schnellen Mann, aber er scheint mir auch dieses Jahr fürs Auto kein richtiges Gefühl aufbauen zu können und kommt mir oft demotiviert vor. Ich fände es aber fair, die Entscheidung erst am Schluss des Jahres zu fällen und damit Kimi eine Chance zu geben. Versagt er weiter, dann muss er ersetzt werden. Aber durch wen? Ich sähe gerne einen jungen Piloten, aber Ferrari will bestimmt einen Mann mit Erfahrung. Hülkenberg würde sich aufdrängen, aber ich kann mir einfach zwei Deutsche bei Ferrari nicht vorstellen. Mir gefällt Ricciardo sehr gut, der sich in diesem Jahr mit einem schlechten Auto abmühen muss. Vielleicht würde sein Engagement von Vettel nicht besonders geschätzt, aber Ferrari hätte damit eine starke Fahrerpaarung.»
Paolo Ianieri (La Gazzetta dello Sport)
«Kimi muss durch Sainz oder Fuoco ersetzt werden, weil Ferrari endlich mal auf die Jugend setzen sollte. Und weil Räikkönen erneut versagt hat. Ferrari kann es sich nicht leisten, einen Piloten zu haben, der nur alle fünf Rennen mal volle Leistung bringt. Zudem ist für mich Kimi auf Medien- oder Marketing-Ebene kontraproduktiv. Es war ein Fehler, ihn zu Ferrari zurückzuholen. Es wäre ein weiterer Fehler, ihn zu behalten.»
Giorgio Piola (Studio Piola)
«Kimi muss bleiben, weil er im Moment einfach die beste Wahl ist als Stallgefährte von Vettel. Zudem sollte man ihn unterstützen, wenn er die Saison zu Ende fahren soll. Seine Fehler werden viel zu stark betont. Das technische Problem, das zum Dreher in Kanada führte, wird dabei geflissentlich vergessen.»
Paolo D’Alessio (freischaffend)
«In Italien sagen wir – eine aufgewärmte Minestrone schmeckt selten. Das trifft den Kern bei Kimi Räikkönen. Nach seinem WM-Titel 2007 scheint er mir Glanz, Entschlossenheit und Konkurrenzfähigkeit verloren zu haben. Ende 2009 wurde er von Ferrari freigestellt, um für Alonso Platz zu machen. Als man ihn dann 2014 zurückgeholt hat, hofften viele auf die Heimkehr des verlorenen Sohns. Doch seither hat er wenig oder nichts bewiesen. Das liegt auch am Material, aber vor allem an eigenen Beschränkungen, was Charakter und Anpassungsfähigkeit angeht. Und was für mich noch beunruhigender ist – in letzter Zeit macht er Fehler.»
«Welchen Sinn würde es machen, ihn zu behalten? Lieber auf einen Fahrer setzen, der motivierter ist. Ricciardo würde mir gut gefallen, aber könnte Vettel mit ihm leben? Also doch lieber Bottas oder Hülkenberg. Die werden vielleicht nie Weltmeister, bieten aber soliden Gegenwert und nehmen der Nummer 1 keine Sonne weg. Wie die Historie gezeigt hat, steht Ferrari ein Superstar (Vettel) und eine verlässliche Nummer 2 prima zu Gesicht. Dann könnte man auch mal wieder an den Markenpokal denken.»