Lewis Hamilton gegen Nico Rosberg: Ist Mercedes naiv?
Ich erinnere mich beispielsweise an eine Zeichnung des legendären Autosport-Cartoonisten Jim Bamber. Einer meiner Lieblings-Cartoons aus seiner Feder karikiert die Rivalität von Ricciardo Patrese und Eddie Cheever, die Mitte der 80er Jahre für Alfa Romeo fuhren.
Also Rivalität trifft es vielleicht nicht ganz im Kern – sie hassten sich abgrundtief.
Bamber zeichnete die beiden in Käfigen mit Rädern, wie sich versuchen, einander durch die Gitterstäbe an die Gurgel zu gehen. Das kam der Wahrheit schmerzlich nahe.
Im Südafrika-GP 1985 in Kyalami brachten es die zwei fertig, in der ersten Kurve miteinander zu kollidieren und von der Bahn zu kreiseln. Die verblüffeten Zuschauer in Crowthorne wurden auch weiterhin gut unterhalten: Cheever und Patrese standen auf der Grasnarbe über der Auslaufzone, keifend und gestikulierend, beide fuchsteufelswild.
Bei einer anderen Gelegenheit, im Gespräch mit Eddie Cheever, erwähnte ich beiläufig den Namen seines Stallgefährten. «Welcher Stallgefährte?» höhnte der US-Amerikaner. «Meist’ wohl das Arschloch im anderen grünen Auto ...»
Bei solchen Temperamentsausbrüchen wurde es sehr deutlich, dass Cheever in Rom aufgewachsen war. Patrese, als italienischer Vollblüter, war von ähnlich explosiver Natur, wenn es die Situation erforderte.
Die Ironie dabei ist: Beide waren für sich alleine charmante und extrem nette Menschen – vermutlich genau jene Art von netten Jungs, die Mercedes-Teamchef Toto Wolff ansprach, als er davon redete, wie er sich das Verhalten seiner Fahrer so vorstelle.
Wie Patrese und Cheever grenzwertig bewiesen haben, ist es einfach naiv, nein, es ist so gut wie unmöglich, zwei Top-Piloten im gleichen Team glücklich zu halten. Oder wie es Sir Frank Williams 1981 bezüglich der Spannungen zwischen Alan Jones und Carlos Reutemann beschrieben hat: «Das passiert eben, wenn du zwei Bullen auf die gleiche Wiese stellst.»
Toto Wolff hat vergangene Woche Bedenken geäussert, wie die schlechte Stimmung zwischen den Fahrern aufs restliche Team überschwappen könnte. Nun, bei allem Respekt, aber Rosberg und Hamilton sind doch Schmusekätzchen gegen Fahrer wie, sagen wir Alain Prost und Ayrton Senna, ganz besonders Senna.
Das Verhältnis zwischen den beiden erreichte bei McLaren eine Dimension, dass sie in den Nachbesprechungen von Training und Rennen nicht mehr direkt miteinander sprachen. Obschon sie nur Zentimeter voneinander entfernt da sassen, fragte der eine den Renningenieur des Rivalen, wenn er etwas übers Handling des anderen Autos wissen wollte. Sie taten so, als wäre der Teamgefährte überhaupt nicht anwesend.
Aber genau das ist für mich ein wichtiger Punkt: Die meisten McLaren-Mechaniker hatten keine Ahnung, welche Tiefen die Animosität zwischen den beiden Fahrern erreicht hatte. Teamchef Ron Dennis und Team-Manager Dave Ryan schafften es durch kluges Management, dass diese Feindschaft die Stimmung in der Box nicht vergiftete.
Es liegt an Toto Wolff, bei Mercedes das Gleiche zu schaffen. Denn er muss sich schon darüber im Klaren sein: Entweder so oder er stellt eben zwei nette Jungs an, die sich aber nie zu solchen Leistungen anstacheln werden wie es Hamilton und Rosberg heute tun. Und ich darf doch wohl davon ausgehen, dass Mercedes Formel-1-Sport betreibt, um Grands Prix zu gewinnen und nicht um den ersten Preis im Wettbewerb «Glücklichster Arbeitsplatz des Jahres» zu gewinnen.
Also findet euch damit ab! Andere Rennställe würden sich wünschen, sie hätten so ein Luxusproblem.
Maurice Hamilton ist freier Journalist und Buchautor. Er arbeitet unter anderem für den «Guardian», die BBC oder für ESPN. In der Formel 1 ist er seit 1977 tätig.