Vettel (Ferrari): Aus Reifenplatzer nichts gelernt
Kimi Räikkönen fährt am gestrandeten Wagen von Sebastian Vettel vorbei
Der Reifenplatzer bei Sebastian Vettel, mit seinem Ferrari beim Österreich-GP in Führung liegend, hat in Italien wenig Mitleid erregt. Die grössten Zeitungen südlich der Alpen gehen mit dem ältesten Formel-1-Rennstall stattdessen streng ins Gericht.
Die Gazzetta dello Sport findet: «Vettel tut sein Möglichstes, wird jedoch von einer riskanten Strategie verraten.» Der Corriere dello Sport sieht Ferrari «im Würgegriff des Pechs». Tuttosport stellt nüchtern fest: «Der Weg wird für Ferrari immer steiler.» Dieser Meinung ist auch die Stampa, die schreibt: «Ferrari ist von Mercedes weit entfernt.»
Ernüchterung macht sich in den italienischen Zeitungen breit. Viele Kommentatoren finden: Nach der riskanten Strategie vom August 2015, als Sebastian Vettel so lange auf seinen Pirelli auf der Bahn blieb, bis ein Reifen platzte, aus dieser Lektion wurde ihrer Meinung nach offenbar nichts gelernt. Ferrari habe nun auf dem Red Bull Ring wieder viel riskiert und wieder verloren.
Die beiden Ferrari-Piloten liegen in der WM nun mit 96 Punkten gleichauf. Teamchef Maurizio Arrivabene hat wiederholt davon gesprochen, dass der WM-Traum nicht vorbei sei. Notfalls könne Vettel ja auch mit einem Sieg Weltmeister werden. Aber ist das wirklich realistisch, wenn der Abstand zu WM-Leader Nico Rosberg inzwischen 57 Punkte beträgt und auf den starken Hamilton 46?
Die Gazzetta fragt rhetorisch: «Warum lässt sich Ferrari mit Vettel auf so ein Husarenstück ein, wo Vettel doch vom neunten Platz losfuhr? Wieso wird auf Biegen und Brechen die damalige Belgien-Strategie wiederholt, wo sie doch beim ersten Mal schon nicht funktioniert hat?»
Ferrari-Teamchef Arrivabene verteidigt sich: «Es gab kein Anzeichen dafür, dass der Reifen kaputtgehen würde. Wir haben uns wiederholt mit Sebastian verständigt. Es gab keinerlei Anzeichen eines Defekts, alle Daten waren normal.» Das hat Vettel bestätigt.
Pirelli wiederum bleibt vage: Kein Reifen halte ewig, vor allem nicht, wenn er lange gefahren werde und man in Österreich auch noch ständig über die Randsteine fahre. Die Mailänder Spezialisten vermuten noch immer einen isolierten Defekt, denn an keinem anderen Fahrzeug ist es auf dem Red Bull Ring im Rennen zu so einem Zwischenfall gekommen.
In Italien wird vermutet: Langsam mache sich Verzweiflung breit in Maranello. Der erste Sieg müsse endlich her, der Druck steige mit jedem Grand Prix, der nicht gewonnen wird. Der letzte Sieg geht auf September 2015 in Singapur zurück. Der Erfolgszwang zeige sich auch daran, dass Ferrari zum Österreich-GP hin eine weitere Entwicklungswertmarke des Motors eingelöst hat.
Maurizio Arrivabene: «Vom Motor her sehen wir uns auf Augenhöhe mit Mercedes. Wir müssen bei der Aerodynamik zulegen und das Chassis so abstimmen, dass wir das optimale Betriebsfenster der Reifen besser treffen.»
Den Medienschaffenden in Italien geht nach neun Rennen ohne Sieg langsam der Glaube verloren, dass Ferrari dieser Saison noch eine Wendung geben kann. Es wird Ferrari angekreidet, dass der rote Renner gemessen am Silberpfeil nicht nur zu langsam sei, sondern auch zu wenig zuverlässig. Von strategischen Fehlern ganz zu schweigen.
Sebastian Vettel sollte mit dem Ferrari SF16-H ein Wörtchen um den WM-Titel mitreden. Arrivabene und Vettel beteuern, dass jeweils nur ganz wenig zum Sieg fehlt. Aber die Stimmen werden lauter in Italien, dass in Wahrheit die Festung Mercedes auch 2016 nicht zu knacken sei.
Die Reppublica urteilt: «Vettel muss seinen WM-Traum begraben.»