Sebastian Vettel (Ferrari): «Ich bin nicht besonders»
Ferrari-Präsident Sergio Marchionne hat für die Saison 2016 das Ziel ausgegeben: Der Fahrer-WM-Titel muss endlich zurück nach Maranello, zum ersten Mal seit Kimi Räikkönen 2007. Der Mann, der es richten soll, heisst Sebastian Vettel. Der vierfache Formel-1-Champion hat 2015 mit drei Siegen in seinem ersten Jahr angedeutet, wozu Ferrari fähig ist. Aber 2016 steckt der Wurm drin: Das Auto ist nicht schnell genug, es gibt Probleme mit der Standfestigkeit, und vom Glück verfolgt ist die Scuderia auch nicht.
Zuletzt gab in Österreich einen Reifenplatzer, in England erneut eine Strafe von fünf Rängen zurück in der Startaufstellung, weil einmal mehr das Getriebe kaputt gegangen war.
Sebastian Vettel meint: «Jeder weiss, dass ich mich bei Ferrari wohl fühle und wie wichtig es mir war, für dieses Team zu fahren, aber das Ziel besteht natürlich nicht darin, sich über den romantischen oder traditionellen Teil bei Ferrari zu freuen – wir wollen gemeinsam etwas erreichen. Deswegen bin ich zu Ferrari. Wir sind auf gutem Weg, aber wir sind, wo wir sein wollen.»
Kimi Räikkönen hat bei Ferrari einen neuen Vertrag unterzeichnet. Sebastian über den Finnen: «Kimi ist im Umgang sehr einfach. Es gibt viel Transparenz und keine Spielereien, nichts, worüber man sich Gedanken machen müsste. Er ist auch einer der beliebtesten Fahrer der Formel 1, obschon er sich kaum in der Öffentlichkeit äussert und man wenig über ihn weiss. Als ich in den Sport kam, war er einer der ersten, die mit mir sehr offen und ehrlich umgegangen ist, wo du auch gespürt hast – der respektiert einen.»
Sprachforscher glauben, eine Sprache ist dann richtig eingesickert, wenn man anfängt, in der Fremdsprache zu träumen. Vettel, der sich in kurzer Zeit ein gutes Italienisch angeeignet hat, meint: «Nein, das ist bei mir noch nicht der Fall, dazu bin ich nicht sprachsicher genug. Ich hatte anfangs Italienischstunden. Denn es ist mir wichtig, dass ich in der Sprache des Rennstalls kommunizieren kann. Ich spreche nicht so gut, weil mir das Vokabular fehlt, aber ich verstehe relativ viel.»
Niki Lauda hat einmal erzählt, als Ferrari-Fahrer hätte er sich in Italien kaum mehr frei bewegen können. Selbst wenn es nur auf einen schnellen Kaffee ging oder sein Auto auftanken musste, war er sofort von Tifosi umringt. Sebastian lacht: «Ich trinke zwar keinen Kaffee, aber ich kann in Ruhe tanken. Die Zeiten haben sich geändert.»
Das haben sie fürwahr. Und Vettel schwimmt da ein wenig gegen den Strom, vor allem was den Umgang mit sozialen Netzwerken angeht. Was ihm Formel-1-Promoter Bernie Ecclestone vorgeworfen hat. Vettel lässt diese Kritik kalt: «Das ist einfach nicht mein Ding. Ich habe nichts gegen Menschen, die das täglich, stündlich oder minütlich pflegen. Aber ich kann mich mit diesen sozialen Netzwerken einfach nicht identifizieren. Ich habe nicht das Bedürfnis, mich ständig mitzuteilen. Wenn ich für mich sein kann, dann geniesse ich das sehr. Bernie kann sagen, was er will, das ist mir wurscht. Ich mach das so, wie ich es für richtig halte.»
«Ich sehe mich selber sowieso nicht als Berühmtheit. Ich fahre Bus. Ich fahre Bahn. Ich stelle mich irgendwo in eine Schlange von Menschen. Ich mach die gleichen Dinge wie alle anderen. Wieso sollte das anders sein, nur weil ich schneller Autofahren kann als die meisten anderen Leute? Das macht mich doch nicht zu etwas Besonderem.»
«Wenn du auf einem Formel-1-Siegerpodest steht, und am Fusse jubeln die Menschen und schwenken Fahnen und brüllen, dann ist das natürlich schön, aber dann wachst du am Montagmorgen auf, und es ist zuhause ganz ruhig – das sind zwei komplett verschiedene Welten. Ich mag diesen Kontrast.»