Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Maximilian Günther: Direkt auf einer Wellenlänge

Von Rob La Salle
Maximilian Günther und Alex Sims

Maximilian Günther und Alex Sims

Maximilian Günther und Alex Sims sprechen über den Start der virtuellen Formel-E-Saison, die Bilanz der bisherigen realen Rennen sowie über die Aussichten auf eine Rückkehr auf die Rennstrecke.
Maximilian, Alexander, Sie sind beide zurück auf der Rennstrecke – wenn auch erstmal nur virtuell. Wie ist nach den ersten Rennen Ihr Eindruck von der ABB Formula E Race at Home Challenge?

Maximilian Günther: Natürlich ist es für uns erstmal ungewohnt, unsere Rennen virtuell auszutragen. Aber wir sind alle Wettkampftypen und haben aktuell nun einmal keine andere Chance, auf der Strecke gegeneinander anzutreten. Daher ist die Race at Home Challenge eine tolle Gelegenheit für uns – und die Grafik sieht aus meiner Sicht schon teilweise verblüffend echt aus.

Alexander Sims: Für mich ist Sim-Racing völliges Neuland, von daher bin ich mit wenigen Erwartungen in die Rennen gegangen. Es macht jedoch großen Spaß, in die virtuelle Welt einzutauchen und etwas von dem Wettkampf-Feeling zu bekommen, das uns ansonsten in dieser Zeit fehlt. Darüber hinaus habe ich den Eindruck, das Maximilian verdammt schnell unterwegs ist. (lacht)

Das haben Sie schon nach der Test Round gesagt. Wieso war Ihnen das von vornherein klar?

Sims: Ich erlebe ihn im Rahmen unserer Vorbereitungen auf jedes einzelne reale Formel-E-Rennen sehr oft im BMW Motorsport Simulator und sehe, dass er darin deutlich schneller ist als ich. Zum Glück sind wir auf der echten Rennstrecke auf gleichem Niveau, aber im Simulator hat Maximilian ganz offensichtlich deutlich mehr Erfahrung als ich – auch, weil er früher in anderen Teams schon Simulatorarbeit gemacht hat. Dazu kommt noch, dass er schon früher mit Sim-Racing angefangen hat als ich. All das macht sich aktuell in seinen großartigen Ergebnissen bemerkbar.

Maximilian, was macht Sie aus Ihrer Sicht so stark im Sim-Racing?

Günther: Ich war schon immer gut darin, mich schnell an neue Gegebenheiten anzupassen. Das hilft natürlich enorm, wenn man wie ich erst vor einigen Wochen mit dem Sim-Racing begonnen hat. Man hat in der Test Round sowie im ersten Wertungslauf gesehen, dass sich alle Formel-E-Fahrer erst einmal an das Limit der Simulation herantasten müssen. Ich denke, das wird uns allen von Rennen zu Rennen besser gelingen. Entsprechend enger wird aus meiner Sicht auch zugehen.

Mit welchen Erwartungen gehen Sie am kommenden Samstag ins nächste Rennen auf dem Formula E Test Track, der der Öffentlichkeit noch unbekannt ist?

Günther: Ich bin tatsächlich auch noch nie darauf gefahren, kenne aber das Layout. Sie sieht schnell aus. Ansonsten bleibe ich meiner Devise treu, aus jedem Rennen, bei dem ich antrete, das Maximum herauszuholen. Wenn das wie zuletzt der Sieg ist, super, aber das ist deshalb nicht automatisch meine Erwartungshaltung für jedes einzelne Rennen.

Sims: Ich bin nicht sicher, ob ich die Strecke schon mal zufällig mit meinem Sohn gefahren bin – kann aber auch gut sein, dass ich mich irre. (lacht) Da ich noch nichts über die Strecke weiß, habe ich auch noch keine konkreten Erwartungen. In Hongkong lief es für mich ganz gut, daran würde ich gerne anknüpfen.

Alexander, Sie haben erst kurz vor dem Start der Race at Home Challenge Ihren Rennsimulator eingeweiht. Warum so spät?

Sims: Nun ja, weil ich ansonsten das ganz normale Familienleben eines Vaters von drei Kindern führe. (lacht) Das ist für mich persönlich natürlich großartig, aber es lässt mir nicht so viel Zeit zum Training am Simulator wie vielleicht dem einen oder anderen Fahrerkollegen.

Wie realistisch ist die virtuelle Formel E im Vergleich zum BMW Motorsport Simulator?

Sims: Das kann man kaum vergleichen. Ich denke, beim Spiel geht es in erster Linie um den Fahrspaß im Simulator, der wirklich groß ist. Auch die Grafik lässt bei mir als Fahrer echtes Formel-E-Feeling aufkommen. Aber beim BMW Motorsport Simulator geht es darum, bis ins kleinste Detail die Realität des Fahrgefühls und der Fahrerumgebung nachzubilden, um wirkliche Erkenntnisse für den echten Renneinsatz zu gewinnen. Das ist noch einmal eine ganz andere Anforderung an einen Simulator. Er ist ein von BMW Motorsport selbst hochentwickeltes Unikat, während der andere für die Allgemeinheit produziert wird.

Günther: Das sind in der Tat zwei verschiedene Paar Schuhe. So realitätsnah die Simulation bei der Race at Home Challenge aus der Cockpit-Perspektive ist, der BMW Motorsport Simulator in München ist im Vergleich dazu in vielen Bereichen deutlich komplexer.

Wie gut tut es generell, sich wieder – wenn auch nur virtuell – im Formel-E-Umfeld zu bewegen und den BMW iFE.20 zu fahren?

Günther: Es fühlt sich gut an. Denn wir alle wissen nicht, wann und wie es mit dem realen Racing weitergeht. In so einer Situation macht es Spaß, sich über den Simulator zumindest ein wenig Formel-E-Normalität zurückzuholen.

Sims: Es ist einfach schön, dabei zu sein, sich in Duelle mit den bekannten Kollegen auf der Strecke zu begeben, ein wenig von dem Adrenalin zu spüren und ab und zu ein paar Worte über Webcam und Mikrofon zu wechseln. Diese Interaktion fehlt ansonsten in der rennfreien Zeit schon.

Als die reale Formel-E-Saison nach dem Marrakesh E-Prix unterbrochen wurde, waren Sie Dritter und Vierter in der Fahrerwertung. Was sind die Gründe für den starken Saisonstart?

Sims: Wenn ich ehrlich bin, hätte es sogar noch besser laufen können. Das Auftakt-Wochenende in Diriyah war fantastisch für mich mit zwei Polepositions und dem Sieg am Samstag. Das lag zum einen daran, dass der BMW iFE.20 großartig war, zum anderen aber auch daran, dass ich zu Beginn meiner zweiten Saison mehr Erfahrung hatte und diese umsetzen konnte. Auch danach war das Auto immer stark, aber in Santiago und Marrakesh haben wir definitiv mögliche Punkte liegen gelassen.

Günther: Obwohl ich neu im Team war, lief es schon ab den Testfahrten, wo ich die Bestzeit fahren konnte, sehr gut. Das Team und ich lagen direkt auf einer Wellenlänge. Insbesondere der Dialog mit meinen Ingenieuren hat von Beginn an super funktioniert, was alles andere als selbstverständlich ist, wenn man neu in ein Team kommt. Generell habe ich den Eindruck, dass die Stimmung bei BMW i Andretti Motorsport hervorragend ist, was neben harter Arbeit sicher auch zum Erfolg beiträgt.

Der BMW iFE.20 hat bisher auf allen Strecken einen starken Eindruck hinterlassen. Was zeichnet das Fahrzeug aus?

Günther: Bisher hatten wir in den Qualifyings immer ein starkes Auto, das es uns ermöglicht hat, uns weit vorne in der Startaufstellung zu platzieren, was grundsätzlich ein Schlüssel ist, um in der Formel E Top-Ergebnisse einzufahren. In den Rennen zeichnet uns aus, dass wir ein Auto mit sehr guter Energieeffizienz haben und diese durch kluge strategische Entscheidungen sehr gut nutzen. Das hat man sowohl bei meinem Sieg in Santiago als auch in Marrakesh und in Diriyah bei meinem vermeintlich ersten Podium, das ich wegen einer Strafe nachträglich wieder verloren habe, gesehen.

Sims: Ich stimme Maximilian zu. Der BMW iFE.20 bietet ein gutes Gesamtpaket aus starker Qualifying-Performance und großer Effizienz im Rennen. Vielleicht haben wir im Vergleich zu unserer Konkurrenz von Techeetah und Jaguar vom reinen Speed her nicht das beste Auto, aber wir sind aufgrund des Gesamtpakets auf Augenhöhe. Der BMW iFE.20 gibt uns das gute Gefühl, bei jedem Rennen um die Spitzenplätze mitfahren zu können.

Wo hat sich aus Ihrer Sicht BMW i Andretti Motorsport im Vergleich zu Saison 5 verbessert?

Sims: Ich denke, ein Vorteil ist, dass es personell eine große Kontinuität und daher auch im gesamten Team einen großen Lerneffekt aus den Erfahrungen in Saison 5 gab. Ein erheblicher Anteil des Erfolgs basiert auf der Zusammenarbeit im Team. Besonders bei der Software haben wir dank unserer Ingenieure nun ein Top-Level erreicht, das uns enorm dabei hilft, in den Rennen die richtigen Entscheidungen zu treffen. Zudem verstehen wir dank unserer Erfahrung das Auto nun viel besser und haben daher eine deutlich höhere Trefferquote, was das richtige Set-up für die jeweiligen Strecken angeht. Das ist in der Formel E absolut entscheidend, denn die Zeit am Renntag selbst ist so knapp, dass man in der Vorbereitung gemachte Fehler im Prinzip nicht mehr korrigieren kann.

Rennen ohne Zuschauer oder auf permanenten Rennstrecken: Die Formel E denkt über viele Szenarien nach, um Saison 6 beenden zu können. Was halten Sie davon?

Günther: Eins vorab: Für mich ist es großartig, vor möglichst vielen Fans an der Rennstrecke zu fahren. Darum geht es schließlich – zu den Fans in die Städte zu kommen und ihnen eine tolle Show zu bieten. Leider sind Formel-E-Rennen, wie wir sie kennen und lieben, im Moment unrealistisch. Von daher unterstütze ich sowohl die Idee von Rennen ohne Zuschauer als auch auf permanenten Rennstrecken. Das ist für uns alle nicht ideal, aber offensichtlich die einzige Chance, in absehbarer Zeit wieder Rennen zu fahren.

Sims: Da die Alternative zu Rennen ohne Zuschauer oder auf permanenten Rennstrecken zu sein scheint, überhaupt nicht mehr zu fahren, ist jeder Rennfahrer sicher dafür, es auf diese Weise zu versuchen. Entscheidend ist in der aktuellen Situation, dass wir eine sichere Durchführung gewährleisten können. Dabei können auch permanente Rennstrecken helfen. Hoffen wir einfach, dass das nur eine Übergangslösung ist und wir Schritt für Schritt zu den normalen Formel-E-Rennen in Metropolen und vor Tausenden von Zuschauern zurückkehren können, die wir alle lieben.

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