Weltmeister Erik Riss: «Ich muss das erst begreifen!»
Erik Riss, der siebte deutsche Langbahn-Weltmeister
Mühldorf am Inn, kurz nach 17 Uhr am Sonntagabend: Ein 19-Jähriger reckt die Faust in die Höhe, lässt sich bejubeln von 5000 Fans. Der Himmel über Bayern strahlt – und mit ihm Erik Riss, der in seinem ersten WM-Jahr das Unmögliche möglich gemacht hat – und Weltmeister wurde.
Die Goldmedaille baumelt um Erik Riss‘ Hals. Die Nationalhymne spielt zu seinen Ehren. «Ich muss das alles erst mal noch begreifen», wird er wenig später von sich geben. Mit dem Begreifen könnte auch die Konkurrenz so ihre Schwierigkeiten haben. Nie zuvor ist ein Jüngerer als Riss Weltmeister geworden, nie zuvor ein solches Greenhorn: Vor zweieinhalb Jahren bestritt Erik Riss sein erstes Rennen. 2014, im zweiten I-Lizenz- und ersten WM-Jahr, holte er sich zahlreiche Tagessiege, die Deutsche Meisterschaft auf der Langbahn, wurde erst Team- und nun auch noch Einzel-Weltmeister. «Ich habe Riesenrespekt vor ihm», gestand der Niederländer Jannick de Jong, der die WM von Beginn an anführte – und sich Riss nun geschlagen geben musste.
Fünf Punkte trennten Erik Riss vor dem vierten und letzten Grand Prix von der Führung, drei von Platz 2. «Ich werde das entspannt angehen», sagte er vor dem finalen Countdown. Ein bisschen flatterten die Nerven dann aber doch, als er im ersten Lauf mit de Jong aufeinandertraf. Nach irregulärem Start und Re-run musste sich Riss mit Rang 2 begnügen – hinter dem bis dato WM-Führenden.
Was dann folgte, war Langbahn-Krimi pur: Riss siegte und siegte, während de Jong und mit ihm die gesamte Konkurrenz Federn ließ. WM-Gleichstand hieß es nach vier Vorläufen. Danach hatte Riss die Nase vorn. «Ich habe meinem Team verboten, mir die Punktestände der anderen mitzuteilen», wird der Abiturient später erzählen: «Das ganze Rennen über habe ich versucht, auszublenden, um was es geht. Ich wollte mich nicht auf die anderen konzentrieren, lieber mein eigenes Rennen fahren, von Lauf zu Lauf denken. Ich glaube, das war der Schlüssel zum Erfolg.»
Bevor Riss den Erfolg endgültig genießen konnte, stand mit dem Finale der fünf Punktbesten noch ein Lauf an, in dem für Riss und de Jong immer noch alles möglich war. 74:72 Zähler stand das unmittelbare WM-Duell. Im alles entscheidenden Match setzte sich der vierfache Weltmeister Joonas Kylmäkorpi als Lauf- und damit Grand-Prix-Sieger durch – und Erik Riss reihte sich hinter ihm ein.
Vier lange Runden schienen auf dem 1000-Meter-Oval kein Ende zu nehmen: «Ich habe nicht auf die anderen geschaut. Ich habe nur auf mich geachtet.» Und Rang 2 ins Ziel gebracht, der ausreichte, um den WM-Titel – als erster Deutscher fünf Jahre nach seinem Vater Gerd – nach Hause zu bringen.
Vergleiche mit dem Vater, die Fragen nach der Bewertung seiner und der eigenen Leitung, mag Erik Riss nicht. Noch auf dem Siegerpodest antwortete der neue Star der Langbahnszene im Interview: «Ich habe einen Riesenrespekt vor dem, was mein Vater geleistet hat. Aber ich bin Erik Riss, ein eigener Mensch. Er hat seine Erfolge zu anderen Zeiten geholt, gegen andere Gegner.»
Spätestens mit Mühldorf und dem WM-Titel hat sich Erik Riss auch seinen eigenen Namen gemacht – in jener Chronik, die mit ihm den siebten deutschen Langbahnweltmeister ausweist.
In Erik Riss‘ Heimatgemeinde Seibranz wird es am heutigen Dienstagabend einen offiziellen Empfang für den neuen Weltmeister auf dem Dorfplatz geben. Beginn ist um 18 Uhr.