MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Warum die MotoE die MotoGP-Bikes übertreffen wird

Kolumne von Mat Oxley
Die Meinungen zum neuen MotoE-Weltcup gehen auseinander. Die Energica-Bikes wiegen noch 260 kg, aber der Fortschritt scheint unaufhaltsam: «Es wird passieren, ob es euch gefällt oder nicht.»

Hätte mach sich das erste MotoE-Rennen der Geschichte ohne Ton angeschaut, hätte man wahrscheinlich nicht drauf getippt, dass die Motorräder elektrisch betrieben waren und nicht mit Benzin: Ein Fahrer ist gestürzt, Reifen wurden verheizt und es gab jede Menge Manöver inklusive Berührungen. Was sollte daran nicht stimmen?

Die Meinungen im Fahrerlager zum neuen MotoE-Weltcup können in drei Gruppen zusammengefasst werden: Manche Leute lieben Veränderung, andere hassen es und die letzte Gruppe kümmert sich weder um das eine noch das andere.

Das ist nichts Neues. Als in den 1960er-Jahren Zweitakter in der GP-Szene die Überhand nahmen, beschwerten sich die Fans über das ohrenbetäubende Schreien und die qualmenden Rauchwolken. Aber schon bald wurden sie geliebt. Als die MotoGP-Viertakt-Bikes dann der 500er-Zweitakt-Ära Anfang 2000 ein Ende setzten, jammerten alle und nahmen es nur zähneknirschend hin, dass sie von nun an auf den Geruch von verbranntem Zweitaktöl und den vertrauten Sound verzichten mussten.

Es geht auch um den Generationswechsel: Wer mit qualmenden Kippen aufgewachsen ist, wird sich weniger mit dem elektrisch betriebenen Rennsport anfreunden als jene, die mit iPad und Energy Drinks groß geworden sind. Paddock-Veteran Carlo Pernat will zum Beispiel nichts vom MotoE-Weltcup hören: «Es mag vielleicht die Zukunft sein, aber nicht meine», kommentierte er zwischen zwei Zügen an der Zigarette.

TT-Zero-Sieger Michael Rutter fasste die Wahrheit etwas besser zusammen: «Es wird passieren, unabhängig davon, ob es euch gefällt oder nicht. Also könnte ihr euch auch gleich damit anfreunden.»

Natürlich ist E-Racing keine Technologie der neuen Welt – Menschen sind schon vor mehr als einem Jahrhundert mit elektrischen Fahrzeugen Rennen gefahren. Nur ein Grund führt dazu, dass sie sich für Erdöl anstatt Elektrizität entschieden: Diese Form der Energie lässt sich einfacher handhaben – ziemlich genau so ist es heute immer noch.

Die Dinge verändern sich aber – rasend schnell. Ein großer Teil der Autoindustrie verzichtet auf die Weiterentwicklung des Verbrennungsmotors und gibt stattdessen Milliarden für die Entwicklung der E-Mobilität aus. Und mehr Hersteller nehmen an der Formel E als an der Formel 1 teil.

WM-Promoter Dorna hat den MotoE-Weltcup ins Leben gerufen, weil sie es aus den oben genannten Gründen tun mussten. Und auch, weil es jemand anderes gemacht hätte, wenn sie es nicht getan hätten. Es musste irgendwo beginnen. Unabhängig vom Trubel um das erste, auf fünf Runden verkürzte MotoE-Rennen auf dem Sachsenring ist das Wichtige die Zukunft, nicht die Gegenwart.

Der aktuelle MotoE-Weltcup ist eine Low-Cost-Starter-Serie mit Einheitsbikes; die einzige Chance, um das Konzept auf den Weg zu bringen, weil im Motorradzirkus nicht so viel Geld zur Verfügung steht wie im Automobilsport. Es gibt ganz einfach nicht genug Cash, um eine Startaufstellung aus elektrisch betriebenen Prototypen aufzubauen.

Außerdem wartet ein Großteil der Motorrad-Hersteller auf den Durchbruch in der Batterietechnologie, der es ihnen erlauben wird, E-Bikes in Massen zu produzieren.

Denn die Batterien sind das einzige Argument, das die E-Fahrzeuge noch zurückhält. Ein elektrischer Motor und Antriebsstrang kann bereits mehr Drehmoment und Antrieb als ein Verbrennungsmotor mit Getriebe erzeugen. Alles, was ein E-Fahrzeug noch können muss, ist, die Energie effizienter zu verpacken – kleiner, leichter und für einen längeren Zeitraum.

Der Fortschritt geschieht schnell, das beweisen auch Alltagsgegenstände wie Laptops oder Smartphones, die immer handlicher und leistungsstärker werden. Auch in der Formel E geht es zügig voran: Seit dem Start der Serie im Jahr 2014 haben sich die Batterien von 28 kWh auf fast 60 kWh verbessert, die Energie hat sich in sechs Jahren also verdoppelt. Im selben Zeitraum hat sich auch die Leistung drastisch gesteigert, von 130 kW auf 200 kW, sogar 250 kW im Qualifying.

Die Leute, die aktuell Formel-E-Batterien für McLaren Applied Technologies bauen, sind großteils ehemalige Tesla-Mitarbeiter aus den USA. Der größte Fortschritt wird in der Batterietechnologie durch die chemische Zusammensetzung erzielt. Im Moment sind Lithium, Nickel und Cobalt die üblichen Inhaltsstoffe, aber man spricht auch über Aluminium, das über eine hohe Energiedichte verfügt, schnelles Laden ermöglicht, weniger brandgefährdet und vor allem viel billiger ist. Eher früher als später wird es einen größeren Durchbruch geben.

Man könnte auch behaupten, dass dieser ganze Fortschritt im Zweiradsport noch viel wichtiger ist als im Auto. Eine Formel-E-Batterie wiegt um die 350 kg, aber in einem Auto ist es nicht schwierig, mit dem Gewicht umzugehen. Eine MotoE-Batterie wiegt um die 110 kg, was ein sehr großer Klumpen ist, um ihn in einem Motorrad-Chassis unterzukriegen.

Die Energica Ego Corsa wiegt rund 260 kg, das ist fast 100 kg mehr als ein MotoGP-Bike. Die Fahrer müssen ihre Fahrtechnik einfach anpassen.

«Auf der Bremse spürst du die 260 kg, aber danach fühlt es sich wie ein normales Motorrad an», berichtete der ehemalige 125er-Weltmeister Nico Terol, der die MotoE-Premiere auf Rang 10 beendet hat. «Bei den Richtungswechseln musst du außerdem deinen Körper früher bewegen, du musst dem mehr zuvor kommen. Und wenn du versuchst zu überholen, musst du mehr nachdenken, weil du mehr Kilo an Bord hast.»

«Die Power, wenn man in langsameren Kurven ans Gas geht, ist unglaublich. Es ist eine Menge Leistung da, du musst also aufpassen und das Motorrad aufrichten, um mehr Grip zu haben. In den schnellen Kurven ist es möglich, mit viel Schräglage Gas zu geben, weil die Leistungsentfaltung so linear ist», unterstrich Terol.

Die MotoE sollte sich in den nächsten Jahren stetig entwickeln – mit dem Fokus Sicherheit – dann wird irgendwann in naher Zukunft eine verbesserte Batterietechnologie alles verändern.

Wenn die großen japanischen und europäischen Motorrad-Hersteller erst einmal beginnen, ernsthaft E-Bikes zu bauen, werden sie mit ihren elektrischen Motorrädern Rennen fahren wollen – und der MotoE-Weltcup wird zu einer Prototypen-Klasse werden. Die Technologie wird rasant Fortschritte machen und eines Tages werden die elektrischen GP-Bikes schneller sein als die MotoGP-Bikes. Sie haben jetzt schon Vorteile im Vergleich zu den Verbrennungsmotoren, darunter maximales Drehmoment vom Start weg und keine Kupplung oder Getriebe, was sich auf die Federung und den Grip auswirken kann.

Auf dem Sachsenring war die beste Runde des Siegers Niki Tuuli nur 13 km/h langsamer als jene von Marc Márquez – gar nicht so schlecht für den Anfang.

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