MotoE Spielberg: Nur 6 Rennrunden, es wird peinlich
Jeder vernünftige Mensch nimmt Rücksicht auf die Umwelt. Aber as sich in der erste Saison des angeblichen so sauberen MotoE-Weltcups abspielt, wirkt lächerlich. Die neue Rennserie steht bisher unter keinen guten Vorzeichen. Sie hat eher die Attribute für eine Lachnummer, die kabarettistischen Züge sind unverkennbar. Die Teams und die Dorna-Manager fragen sich allmählich, mit welchen dilettantischen Partnern sie sich da eingelassen haben.Vielleicht hätte man noch ein, zwei Jahre warten sollen, bis diese Technologie etwas ausgereifter ist.
Zuerst hat sich beim zweiten MotoE-Test im März in Jerez gezeigt, wie schnell Batterie-betriebene Fahrzeuge zu Verbrennern werden können, als das gesamte MotoE-Paddock-Zelt nach dem ersten Testtag bis auf die Grundmauern abbrannte. Das gesamte Material inklusive 24 Motorrädern von Energica wurden vernichtet, Stückpreis ca. 50.000 Euro. Eine Versicherung durch Energica oder Energie-Partner und Seriensponsor Enel bestand nicht, und die Teams konnten für ihr Material in den Zelten keine Versicherung abschließen, weil sie noch gar keine MotoE-Verträge mit der Dorna unterschrieben hatten.
Der Schaden belief sich auf rund 1,5 Millionen Euro. Die Dorna streitet jetzt vor Gericht kurioserweise mit dem eigenen Seriensponsor Enel. Es geht um die Frage, wer für den Schaden aufkommen soll. Das Feuer brach jedenfalls bei einer Ladestation aus. Den betroffenen Teams wurde von MotoE-Serienmanager Nicolas Goubert (vormals Michelin) mitgeteilt, das Feuer sei in einer Box ausgebrochen, in der zu diesem Zeitpunkt keine Motorräder geladen worden seien. Zuerst habe der Prototyp der «Juice Roll» zu brennen begonnen. Als «Juice Roll» bezeichnet Enel jene Geräte, die als «fast charger» dienen und die auch Energie speichern können. Es handelt sich also um eine mobile Ladestation, die auch Akkumulatoren enthält.
Den Aufbau von 23 neuen Motorrädern (18 für die Teams, 5 in Reserve) hat Energica vorfinanziert.
Schon am ersten Testtag in Jerez konnten die Bikes im März nur 26,5 km zurücklegen. Trotzdem wurden für den Rennkalender 2019 überall optimistisch acht Rennrunden in den Zeitplan aufgenommen.
Auf dem nur 3,671 km langen Sachsenring wurde aber kurz vor dem Rennen die Distanz auf 7 Runden gekürzt, das hätte 25,697 km entsprochen.
Im Rennen stürzte dann Lorenzo Savadori, das Rennen wurde nach fünf Runden abgebrochen, weil angeblich der Airfences repariert werden mussten. Aufmerksame Beobachter sagten, die Streckenposten getrauten sich nicht, das Motorrad anzufassen, um es aus der Gefahrenzone zu bringen – aus Angst vor einem Stromschlag.
Das Kabarett setzt sich jetzt beim Österreich-GP nahtlos fort. Vor einer Woche standen acht Rennrunden im Plan, dann 7, heute wurde die Distanz auf der 4,318 km langen Piste auf sechs Runden verkürzt. Das entspricht einer Mammutdistanz von 25,908 km.
«Bei so einer geringen Distanz darfst du dir einfach keinen einzigen Fehler leisten», sagt Mitfavorit Bradley Smith, der für das Petronas-Team fährt.
Wenn es in diesem Stil weitergeht, sehen wir die 260 kg schweren Energica-Kisten (sie leisten angeblich 160 PS und 200 Newtonmeter, die Batterien wiegen 100 kg) am Sonntag auf der Berg- und Talbahn in Spielberg nur zwei Runden lang…
Fazit: Die Langstrecken-WM mit ihren 8h- und 24h-Rennen wird keine lange Zukunft mehr haben, sobald im Motorradsport keine Verbrennungsmotoren mehr erlaubt sind.
Übrigens: Nach dem Feuer in Jerez mussten die Bikes neu gebaut werden, die Saison begann mit zwei Monaten Verspätung erst beim deutschen WM-Lauf.
Wo bleibt die erneuerbare Energie?
Zwei Jahre lang hatten alle Verantwortlichen versichert, die Motorräder werde man mit erneuerbarer Energie laden (Windenergie oder Solarenergie), aber bisher stehen für die 18 Bikes nicht weniger als zehn Diesel-Generatoren als Strom-Tankstellen bereit. Diese werden zwar gut getarnt und in sicherer Entfernung abseits des Geschehens aufgestellt. Und es wird betont, es handle sich um Bio-Diesel. Aber jedes Kind weiß: In Bio-Diesel stecken nur 7 Prozent Bio-Treibstoff, der nicht aus Erdöl gewonnen wird. In Deutschland wird der Bio-Diesel deshalb als B7 gekennzeichnet.
Grün sind an dieser MotoE-Geschichte anscheinend nur die Rückseiten der Ohren der Manager des italienischen Energiekonzerns Enel.
Bei einer lähmend langweiligen MotoE-Pressekonferenz auf dem Sachsenring regte sich Francesco Venturini, CEO von Enel X, über den Lärm des gleichzeitig stattfindenden Rookies-Cup-Trainings auf. Ein Dorna-Manager flüsterte ihm ins Ohr: «Ja, ja, aber nur dank dieser lauten Kategorien können wir der MotoE und der E-Mobilität diese Plattform in der Weltmeisterschaft bieten.»
Die schwerfälligen Energica Ego Corsa-Einheitsmotorräder sollen zwar bis zu 160 PS leisten, aber sie fuhren auf dem Sachsenring 1,321 Sekunden langsamer als die 250-ccm-Moto3-Einzylinder mit ihren harmlosen 55 PS.
Kein Wunder, wenn sich nur Privatteams an dieser Rennserie engagieren. Die Werke Honda, Yamaha, Suzuki, Ducati, Aprilia und KTM haben wohlweislich die Finger davon gelassen.
«Die Ladezeit beträgt ca. eine Stunde», versichert Nicolas Goubert. «Unsere Ladestationen sind ‚fast charger‘, sie sind nichts Besonderes. Beim Jerez-Test hatten wir noch Probleme mit dem System. Ursprünglich wollten wir andere Ladesysteme für den Saisonstart nutzen. Aber dieses System ist bisher nicht startbereit. Deshalb nutzen wir auch in Spielberg normale ‚charging stations‘, die modifiziert und adaptiert wurden. Es ist geplant, dass wir beim dritten Rennen in Misano neue, spezielle Ladestationen bekommen. Ab Misano möchten wir grüne Energie nutzen, wie wir von Beginn weg angekündigt haben. Dann verwenden wir keine Biodiesel-Generatoren mehr.»
Immerhin: Enel kauft für die Verbesserung der Ökobilanz Zertifikate für den CO2-Ausgleich. Für die Verbesserung des ökologischen Fußabdrucks soll entsprechend viel Regenwald neu angepflanzt werden.
Und dazu braucht man eine angeblich emissionsfreie Rennserie?
Wie soll die erneuerbare Energie in Misano zustande kommen? Goubert: «Wir werden einige Ladestationen mit Solarzellen betreiben. Aber auch auf dem Grid werden wir grüne Energie haben, die Energica produzieren wird.»
Die Bemühungen der MotoE-Mannschaften werden argwöhnisch betrachtet. Die Angst vor einem weiteren Feuersbrunst ist allenthalben zu spüren. Nach dem Feuerinferno von Jerez wurde sogar ein Feuerwehrauto aus Spanien nach Hohenstein-Ernstthal kutschiert. Auch hier kann von ökologischer Rücksichtnahme keine Rede sein…
Dazu laufen von Freitag bis Sonntag sechs spezialisierte Feuerwehrmänner um das MotoE-Zelt. Ein Aufpasser stolpert sogar mit einer Wärmebildkamera durch die Gegend. Ein zweites Feuer muss unbedingt vermieden werden.
Den Teams werden die Energica-Einheitsmaschinen kostenlos zur Verfügung gestellt. Die Dorna bezahlt den Teams 40.000 Euro pro Saison pro Fahrer. Es wurden immerhin Fahrer wie Sete Gibernau, Alex De Angelis, Hector Garzo, Bradley Smith, Nico Terol, Maria Herrera, Eric Granado, Niki Tuuli und Jesko Raffin angelockt.
«Das Ungewöhnlichste in der MotoE ist der Start», erzählte Jesko Raffin aus dem Intact-Team. «In der Moto2 drehst du an der Startlinie 14.000/min, es entsteht ein Hollenlärm. In der MotoE herrscht Totenstille. Du hörst die Gegner auch in den Kurven nicht.»
Wie das Getriebe der MotoE-Maschinen funktioniert und wie die Kraftübertragung, bleibt ein Geheimnis von Energica. Auch die Drehzahlhöhe bleibt rätselhaft, Insider schätzen sie auf 25.000 bis 30.000/min. Die Renndistanzen werden so gewählt, dass die Maschinen mit bis 30 bis 40 Prozent Rest-Akku-Laufzeit ins Ziel kommen. «Wir können im Rennen von A bis Z mit voller Power fahren», meint Smith.
«Es soll in den Rennen ohne ‚Power Drop‘ gefahren werden», ist Raffin überzeugt. Der Zürcher ist der einzige deutschsprachige MotoE-Teilnehmer. Er hat ein klares Ziel: «Ich will in Spielberg aufs Podest fahren.»
Der neue MotoE-Weltcup-Kalender 2019:
07. Juli: Sachsenring
11. August: Spielberg
14 und 15. September: Misano (2 Rennen)
16. und 17. November: Valencia (2 Rennen)