Jürgen Lingg (Intact): Wie es ohne Cortese weitergeht
Das deutsche Dynavolt-Intact-GP-Team ging als Neuling vor fünf Jahren mit großen Erwartungen an den Start, denn 2013 stand mit Sandro Cortese gleich ein aktueller Moto3-Weltmeister im Team.
Der schwäbische Rennstall war finanziell ausgezeichnet ausgestattet, das Material von Kalex war konkurrenzfähig, die Technikcrew hatte ausreichend Erfahrung, man wollte das Gegenstück zu Abt Audi Racing auf zwei Rädern werden.
Nach viereinhalb Jahren hat sich das Team zwar etabliert, aber die großen Ziele wurden nicht erreicht. Podestplätze gab es nur sporadisch, bei Cortese in viereinhalb Jahren genau drei (!). Der ab 2014 ins Auge gefasste Moto2-WM-Titelgewinn rückte in weite Ferne.
Auch das Ziel, in der Moto2 das Level der Top-Teams wie Marc VDS Racing oder Paginas Amarillas HP40 Pons zu erreichen, konnte nicht verwirklicht werden. Immerhin wurde der Rennstall 2016 auf zwei Fahrer aufgstockt: Jonas Folger gesellte sich zu Cortese.
Jonas Folger setzte 2016 ein Glanzlicht, indem er den Regen-GP in Brünn gewann. Aber auch der Bayer kam in der WM-Gesamtwertung nicht über Rang 7 hinaus. Immerhin das beste Gesamtergebnis von Intact bisher. Der Bayer eroberte 2016 neben dem Sieg in Tschechien auch noch zwei zweite Plätze (Jerez und Sachsenring) sowie zwei dritte Ränge (Las Termas und Sepang).
Damit errang Folger in einer Intact-Saison mehr Podestplätze als Cortese in viereinhalb Jahren.
Die nicht gerade umwerfende Cortese-Bilanz: Er schaffte 2013 den 19. Gesamtrang, 2014 den neunten, 2015 den elften, 2016 den 15., momentan ist er WM-18.
Corteses bisherige Podestplätze in der Moto2: 2014, 2015 und 2016 je einmal Dritter in Brünn, Motegi und Phillip Island.
Jürgen Lingg, Teamprinzipal von Dynavolt Intact GP, kennt diese Fakten. Er wirkte in Zusammenhang mit Cortese in den letzten Jahren oft ratlos. Aber das Team schöpfte mmer wieder Hoffnung, zeigte grenzenlose Loyalität und schenkte dem siebenfachen GP-Sieger vor einem Jahr noch einmal das Vertrauen – wie auch die Teamteilhaber Stefan Keckeisen (Intact) und Wolfgang Kuhn (Kuhn Bau AG).
Jürgen, bisher wissen wir nicht genau, in welchen Kategorien, mit welchem Material und mit welchem Fahreraufgebot das Intact-Team 2018 antreten wird. Eine Personalie ist seit gestern geklärt: Cortese muss gehen.
Wir werden auf jeden Fall mit Moto2 weitermachen. Und wir wollen mehr erreichen als in diesem Jahr.
Die Moto3-Teilnahme überlegen wir uns für die Zukunft.
Da geht es um euren Intact-Junior Matthias Meggle, der im Red Bull Rookies-Cup Gesamtsechster ist. Könnte er vom Alter her schon die Moto3-WM 2018 fahren?
Theoretisch schon. Aber ich denke, er ist noch zu jung dafür. Wir bemühen uns und hoffen, dass er noch ein Jahr im Rookies-Cup fahren darf. Wir werden Matthias auf jeden Fall weiter unterstützen.
Und beim Material in der Moto2? Ist da mit Änderungen zu rechnen?
Nein, wir werden auf jeden Fall mit dem Suter-Chassis weitermachen. Wir haben das so ausgemacht und geplant für zwei Jahre. Wir werden den Vertrag einhalten. Wir sind zufrieden. Es gibt keinen Grund zu wechseln.
Hast du dir die KTM einmal näher angeschaut? Kann das in Zukunft einmal eine Idee werden?
Man schaut sich natürlich alles an.
Aber nach einem Jahr mit Suter wieder umzuschwenken, das bringt nichts. 2019 kommen die Triumph-Dreizylinder-Motoren.
Ich denke, wir werden uns dann eher für 2019 Gedanken machen und genau schauen, was dann das beste Projekt ist.
Hast du schon Testpläne mit Triumph-Motoren für das Jahr 2018?
Es wäre schön, wenn es klappen würde, nächstes Jahr mit einem Suter-Triumph-Prototyp zu fahren. Aber zuerst muss festgestellt werden, ob wir das als Team überhaupt dürfen. Und wir müssen bei Suter abklären, ob und wann so ein Fahrgestell dann bereit ist.
Bisher ist nicht geklärt, ob nur die Hersteller ein Testteam haben dürfen oder ob auch die Teams 2018 mit Triumph testen würfen.
Bei den Moto2-Fahrern macht ihr mit Marcel Schrötter weiter.
Ja, Marcel hat einen Zwei-Jahres-Vertrag. Den werden wir auch einhalten. Wir sind super zufrieden mit ihm. Er steigert sich kontinuierlich. Er ha bei den zwei Rennen vor dem Sachsenring ein bisschen Pech gehabt, aber er ist immer gute Zeiten gefahren. Und das ist das, was zählt. Beim Heim-GP war er Neunter.
Dass Sandro Cortese nach fünf Jahren gehen muss, hat sich abgezeichnet. Wir beurteilst du seine Performance nach viereinhalb Jahren?
Ja, wir haben uns natürlich ein bisschen mehr erwartet. Das ist ganz klar.
Hat er die Ansprüche zu hoch geschraubt? Er wollte ja ursprünglich im zweiten Jahr Weltmeister werden und Bradl nacheifern. Im dritten Jahr und vierten Jahr war der Titel dann das ganz klare Ziel. Aber in der Sommerpause stand er dann auf dem 17. WM-Rang.
Ja, es kann halt immer nur einer Weltmeister werden.
Aber man muss auch Sandro verstehen. Es muss das Ziel von jeden Rennfahrer sein, die WM zu gewinnen. Es kommt halt nicht immer so, wie man es gerne hätte.
Du hast Sandro insgesamt sechs Jahre betreut, erstmals 2011 im RTG. Woran fehlt es? Das Talent ist vorhanden, der Speed auch. Sind es die Nerven? Er bestreitet das.
Das Talent hat er, das ist unbestritten.
(Er sucht nach Worten). Es sind teilweise die Nerven... Und ganz oft die Konzentration. So schätze ich das ein.
Und was dazu kommt: Er ist einfach viel gestürzt. Was für das Selbstvertrauen nicht gut ist. Das ist sehr ärgerlich und für ihn schwer zu verdauen.
Verblüffend ist, dass Cortese bei den vielen Stürzen mit wenigen Ausnahmen unversehrt blieb und oft am selben Tag im Training wieder Topzeiten erzielt hat. Aber im Rennen marschierte er immer nach hinten.
Der Speed war ein Grund, warum wir bisher an hm festgehalten haben. Man hat immer weder gesehen: Er kann’s ja eigentlich. Und er ist ja echt zäh.
Aber die Rennperformance war fast immer schlechter als die Qualifying-Performance.
Das ist richtig, ja.
Sandro hat zum Beispiel zehn Pole-Positions, aber nur sieben GP-Siege. Bei Valentino Rossi ist es genau umgekehrt: Er hat nur 64 Pole-Positions, aber 115 GP-Siege.
Es heißt halt nicht jeder Valentino Rossi.