Alex Giussani (Suter): «Kalex macht keine Fehler»
Alex Giussani und Forward-Teamchef Cuzari
Der italienische Konstrukteur Alessandro «Alex» Giussani zählt zu den profiliertesten Rennmotorradbauern in der Szene. Er kam von Aprilia reparto Corse zu Suter Racing in die Schweiz und konstruierte in Turbenthal im Laufe der Jahre komplette Rennmaschinen (samt Motor und Getriebe) wie die Mahindra-Moto3, er war für den Bau der Suter-Moto2-Rennmaschine verantwortlich, die 2011 und 2012 die Konstrukteurs-WM gewann und dazu 2012 mit Marc Márquez die Fahrer-WM, insgesamt räumte der Schweizer Hersteller 32 Moto2-GP-Siege ab. Giussani baute auch die Suter-Honda für die Moto3-WM, die Suter-BMW-Claiming-Rule-Maschine für die MotoGP, auch das Kawasaki-MotoGP-Chassis entstand in Turbenthal/Schweiz. Dass die Schweizer seit 2014 auch die MotoGP-Alu-Rahmen für Ducati Corse liefern, ist trotz Geheimhaltungsverträgen längst durchgesickert.
Im Vorjahr hat Alex Giussani für Suter Industries im Auftrag von MV Agusta den Gitterrohrstahlrahmen für die Moto2-WM entwickelt, der jetzt von Forward für Domi Aegerter und Stefano Manzi ohne bahnbrechende Erfolge eingesetzt wird. Die Zusammenarbeit zwischen Suter Industries und MV Agusta wurde nach dem Auslaufen des Vertrags am 30. November 2018 nicht fortgesetzt.
Alex, haben MV oder Forward an deiner Rahmenversion seither etwas verändert?
Ich weiß es nicht. Der Vertrag ist Ende November abgelaufen. Wir haben damals alle Konstruktionsdaten übergeben, sie konnten dann das Chassis selber produzieren. Ob sie am aktuellen Rahmen etwas verändert haben, kann ich nicht sagen. Wir haben unser Material abgeliefert. Seither sind wir nicht mehr zuständig.
Wir haben gemäß Vertrag zwei Maschinen gebaut.
Existiert bei MV Agusta oder Forward das nötige Know-how, um das Material zu verbessern?
Ich glaube, ja. In der MV-Forschungsabteilung CRC in San Marino haben sie die Möglichkeit, alles zu berechnen, zu konstruieren, zu produzieren und zu testen. Dort werden alle Entwicklungen für MV Agusta gemacht.
Dank der Informationen, die wir geliefert haben, können sie die Chassis selber produzieren.
Ich kenne das geschäftliche Verhältnis zwischen CRC und MV Agusta nicht genau. Es ist möglich, dass CRC im Auftrag von Forward arbeitet und nicht im Auftrag von MV. Ich kenne die Hintergründe nicht. Ich weiß nicht, wer entscheidet und wer bezahlt.
Aber CRC ist beim Moto2-Projekt definitiv involviert. Ob MV Agusta nur im Hintergrund steht, kann ich nicht beurteilen. MV ist jedenfalls Eigentümer von CRC.
Hast du Verständnis für den Ärger von Kalex? Sie werfen Forward vor, die Kalex-Verkleidung 1:1 abgekupfert zu haben.
Ich habe volles Verständnis und verstehe, wenn Alex Baumgärtel verärgert ist. Ich weiß nicht, wie Forward das gemacht hat.
Entweder haben sie eine perfekte Kopie geschafft, oder sie haben eine Kalex-Verkleidung irgendwo bekommen oder gekauft. Keine Ahnung. Sie wurde auf jeden Fall 1:1 kopiert.
Die erste Verkleidung, die man bei der Präsentation der Maschine gesehen hat und die zweite, die sie bis inklusive Le Mans gefahren sind, diese beiden Versionen wurde definitiv mit CRC entwickelt. Das ist total klar. Was sie jetzt gemacht haben, keine Ahnung.
Ich habe auf den Bildern absolut alles gesehen. Deshalb verstehe ich Baumgärtel…
Die neue Verkleidung funktioniert definitiv deutlich besser. Bis Mugello war MV auf der Top-Speed-Liste immer auf den letzten zwei Plätzen. Der Speed-Durchschnitt war auf jeden Fall schlecht. Jetzt liegen sie plötzlich im Mittelfeld. Es ist deutlich zu erkennen, dass die neue Aerodynamik besser funktioniert.
Warum kommt MV Agusta trotzdem nicht in die Punkte, auch wenn sie sich beim Sprit nicht verrechnen wie in Le Mans?
Schwierig zu sagen.
Ein schwerwiegender Fehler war sicher, dass mit dieser Maschine 2018 zu wenig getestet wurde. Kalex hat mit Jonas Folger und Jesko Raffin alle erlaubten zehn Testtage genutzt. KTM hat die zehn Tage sicher auch genutzt. Bei MV Agusta haben wir nur zwei dieser zehn Tage genutzt. Dann kamen die drei IRTA-Testtage in Jerez, wo alle andern auch dabei waren.
In den zwei Tagen konnte man die neue Elektronik mit der verbesserten Motorbremse nicht ideal anpassen. Mit der neuen ECU kann man eine andere Abstimmung fahren. Aber du brauchst Zeit, bis du das alles verstehst. Und das neue Stahlchassis musste ideal für den Dreizylinder-Triumph-Motor modifiziert und abgestimmt werden. Das geht nicht in zwei Tagen.
Die neuen Motorräder mit den Triumph-Motoren sind schwieriger zu fahren. Du hast viele Wheelies und ein bisschen zu viel Gewicht auf dem Hinterrad.
Kalex ist seit bald sieben Jahren in der Moto2-WM so gut wie unschlagbar.
Ja. Kalex macht keine Fehler! Sie arbeiten seit Jahren extrem gut und konsequent. Was sie machen, ergibt Sinn. Ich habe vollen Respekt vor der Arbeit, die sie leisten. Die neue Moto2-Kalex ist sehr schön. Eine ganze Stufe über dem Motorrad vom letzten Jahr. Eine beachtliche Neukonstruktion.