SMZ 250: Yamaha-Killer für die WM 1972
Dieter Braun gewann die 125er-WM auf einer Ex-Hans-Georg-Anscheidt-Suzuki im Jahr 1970. Er konzentrierte sich nachher aber wegen seiner stattlichen Körpergröße von 188 Zentimetern vorrangig auf die Klassen 250 und 350 ccm. Hier hatte er als Yamaha-Privatfahrer gegen die überlegenen Yamaha-Werksfahrer Rodney Gould (Weltmeister 250 ccm 1970) und Jarno Saarinen (Weltmeister 250 ccm 1972) einen schweren Stand. Auch Superstar Phil Read (Weltmeister 250 ccm 1971) erwies sich als harter Gegner. Er wurde wegen Missachtung der Stallorder (gegenüber Bill Ivy) aus dem Yamaha-Werksteam entlassen, gewann aber die 250er-WM dann dank Tuner Helmut Fath trotzdem noch einmal.
Dieter Braun beendete die 250er-WM 1970 als 14., denn damals stand der 125er-Titelgewinn im Vordergrund. 1971 schloss Braun die Viertelliter-WM als Gesamtfünfter ab; in diesem Jahr stand ihm sein genialer Tuner Sepp Schlögl als Chefmechaniker zur Seite, unterstützt vom technisch ebenfalls versierten Toni Mang. Der stille, zurückhaltende und bescheidene Schlögl sorgte beim Yamaha-Motortuning und bei der Standfestigkeit verlässlich für wahre Wunder.
Für 1973 baute Schlögl die einzige wassergekühlte private Yamaha TZ 250, deren Herkunft im Paddock keine Rätsel aufgab. Denn auch der Italiener Silvio Grassetti verfügte über so ein Modell. Sie sei bei einer «Motorcycle Show» in Kalifornien gestohlen worden, wurde damals kolportiert.
Die Wasserkühlung stand damals eigentlich nur dem Yamaha-250-Werksteam zur Verfügung. Doch Schlögl gab nicht klein bei. Er nahm kurzerhand ein wassergekühltes 350-ccm-Gehäuse, konstruierte wassergekühlte 250er-Zylinder – und sorgte damit bei den Yamaha-Stars für Stirnrunzeln. Sie verdächtigten Braun sogar, die 250er-WM-Läufe mit einer 350er zu fahren.
Aber die Proteste verliefen im Sande – der Hubraum der Schlögl-Yamaha entsprach den Vorschriften. «Bei dieser speziellen 250er hatten wir 1973 ca. 50 PS», erinnert sich Schlögl. «Die Werks-Yamaha hatten nicht viel mehr Leistung. Aber die Werks-TZ waren viel leichter, vom Gehäuse und vom ganzen Material her. Dazu war Dieter riesengroß im Vergleich zu den kleinen, leichtgewichtigen Gegnern wie Gould oder Saarinen.»
Dieter Braun war immer für seine Geschäftstüchtigkeit bekannt. Für die Basis der WM-Maschine 1973 bezahlte er als prominenter 125-ccm-Weltmeister bei Mitsui in Deutschland 8000 Mark. Nach dem Titelgewinn verkaufte er sie für 16.000 Mark.
Vor diesem Eigenbau-Projekt für 1973 bauten jedoch Sepp Schlögl, Toni Mang und Alfons Zehnder die SMZ 250-Eigenbau-Maschine, die die Anfangsbuchstaben der drei deutschen Erbauer im Markennamen trug.
«Dieter Braun hat sich mit den privaten Yamaha gegen das Werksteam immer schwer getan», erinnert sich Schlögl (73) heute im Gespräch mit SPEEDWEEK.com an alte Zeiten. «Wir haben uns überlegt, mit welchem Konzept man die Japaner in der 250er-Klasse besiegen könnte.»
Also wurde die SMZ 250 entwickelt. Als Basis dienten zwei Maico-125-GP-Motoren, die Zylinder wurden in Fahrtrichtung nach vorne übereinander angeordnet. «Der Zylinderwinkel war eng, er betrug ca. 72 Grad. Aber wir hatten ein viel schmaleres Motorrad als Yamaha mit dem Paralleltwin», hält Schlögl fest. «Das führte zu einem sagenhaft guten Handling, fast wie bei einer 125er. Auch die Vibrationen hielten sich in Grenzen, denn wir hatten zwei getrennte Kurbelwellen.»
Die SMZ wurde für die GP-Saison 1972 entwickelt. Sie leistete bei 12.000/min ca. 46 bis 48 PS. Erste Fahrversuche mit einem Prototyp fanden 1971 statt. «Insgesamt haben wir vier solche Maschinen gebaut», zählt Schlögl auf. Von Partner Zehnder war nicht viel zu sehen. «Er hat uns in erster Linie beraten. Er war gelernter Gießer und hat vom Modellbau Ahnung gehabt. Aber Toni und ich haben das meiste selber umgesetzt.»
«Für die SMZ habe ich Hilfe von Maico bekommen. Kolben, Zylinder, Kurbelwellen wurden von Maico gratis geliefert», erinnert sich Braun. Deshalb wurde die Maschine manchmal auch als Maico-SMZ bezeichnet. «Den Rest habe ich entweder gekauft oder der Sepp hat das hergestellt. Zum Beispiel Fahrgestell, Tank, Sitzbank, Verkleidung und Motorgehäuse. Bei den Rädern und Federelementen und so weiter habe ich italienische Produkte gekauft. Die Kosten würde ich zunächst ca. 10.000 DM beziffern.»
Während der Saison 1972 seien weitere Kosten entstanden durch viele Defekte, berichtet Braun. «Ich habe auf der SMZ viele Kinderkrankheiten erlebt. Zum Beispiel ging beim Anbremsen der Nocksteinkehre beim WM-Lauf in Salzburg beim Zurückschalten vom sechsten zum fünften Gang das Getriebe fest. Nach ein paar wilden Slides riss glücklicherweise die Kette, dadurch ging ich knapp an einem Sturz vorbei. Die Kette bei mehr als 200 km/h über den Oberschenkel und Po war trotzdem schmerzhaft. In Assen ging mir mal beim Anbremsen das Vorderrad (!) fest, da der Alu-Zuganker abgerissen wurde und das Bremsseil sich um die Vorderachse wickelte. Trotzdem war die Basis gut. Mit etwas Sponsorgeld wäre die SMZ sicher DAS Siegermotorrad geworden.»
Sepp Schlögl gibt zu bedenken, dass beim ersten SMZ-250-Exemplar im Winter 1971/1972 von Maico noch keine Unterstützung kam. «Diesen Prototyp haben wir komplett selber finanziert. Obwohl wir das Motorrad selber gemacht haben, hat uns so ein Motorrad sicher zwischen 8000 und 10.000 Mark gekostet. Das Hauptproblem bei diesem SMZ-Projekt war, dass ich 1972 als Mechaniker allein im Team von Dieter Braun war. Der Toni hätte eigentlich noch dabei sein müssen. Dieter ist meistens durch Kleinigkeiten ausgefallen. Wir sind die WM in drei Klassen gefahren. Ich war allein total überfordert. Wenn ich die Motorräder im zweiten Jahr wie 1971 gemeinsam mit dem Toni vorbereiten hätte können, wir wären mit der SMZ in der WM ganz vorne dabei gewesen.»
Schon beim WM-Debüt erwies sich die SMZ 250 als schlagkräftig. «Beim ersten Grand Prix Ende April 1972 auf dem Nürburgring lag ich in Führung, als an einem Auspuff die Federhalterung abriss. Auf eineinhalb Zylindern konnte ich immerhin den zweiten Platz hinter Yamaha-Werksfahrer Kanaya belegen», blickt Braun zurück.
In der Ergebnisliste wurde das Motorrad damals als Maico tituliert! Das änderte sich auch eine Woche später beim Clermont-Ferrand-GP nicht – Platz 9.
Es folgten fünf punktelose Rennen, ehe Braun beim Belgien-GP mit der «Maico» durch Platz 4 hinter Saarinen, Gould und Read (alle auf Yamaha) aufhorchen ließ. Braun beendete die WM als Gesamt-Zwölfter.
Sepp Schlögl: «Danach haben wir in der WM bei Dieter Braun mit der SMZ wieder aufgehört. Toni Mang ist dann damit weitergefahren, zum Beispiel bei einem internationalen Rennen auf dem Salzburgring. Ich wollte ja eigentlich nur das eine Jahr 1971 beim Dieter bleiben...»
Braun hat Sepp Schlögl nach der Saison ein komplettes SMZ-Motorrad samt Ersatzteilen und Zubehör überlassen. «Er hat es ja mit Toni Mang gemeinsam gebaut. Ich habe dem Sepp auch meinen kompletten Prüfstand geschenkt.»
Wenn man die Materialkosten des SMZ-Projekts mit jenen von heute vergleicht, kommen exorbitante Unterschiede zum Vorschein. So verschlangen zum Beispiel allein die Leasinggebühren für eine «Werks»-Aprilia RSA 250 im Jahr 2009 schon 1,5 Millionen Euro.
Ein Jahr später wurde dasselbe Paket noch einmal für 1,2 Millionen verleast. Eine MotoGP-Karbonschwinge wird heute mit ca. 60.000 Euro beziffert, ein MotoGP-Kundenmotor kostet 250.000 Euro.
?Nach der Saison 1973 überließ Yamaha die WM (250 und 350 ccm) den Privatteams. «Ich habe ja eine Werksmaschine. Denn meine Yamaha sind im Werk gebaut worden», beliebte Braun dann manchmal zu scherzen.
Die Karriere von Dieter Braun
• 1967 – Deutscher 350-ccm-Meister auf Aermacchi?
• 1968 – Deutscher 125-ccm-Meister auf MZ?
• 1969 – Deutscher 125-ccm-Meister auf MZ
• 1969 – 125-ccm-Vize-Weltmeister auf Suzuki?
• 1970 – 125-ccm-Weltmeister auf Suzuki?
• 1973 – Deutscher 250-ccm-Meister auf Yamaha
• 1973 – 250-ccm-Weltmeister auf Yamaha?
• 1974 – Deutscher 350-ccm-Meister auf Yamaha?
• 1974 – Vizeweltmeister 250 und 350 ccm auf Yamaha?
• 1975 – 250-ccm-WM-Dritter auf Yamaha?
• 14 Grand Prix-Siege?
• 1 Isle of Man TT-Sieg