Luca Boscoscuro (Speed Up): In der Nische erfolgreich
Fabio Di Giannantonio auf der Speed Up
Der italienische Hersteller Speed Up war neben Kalex (elf Siege) und KTM (6 Siege) in der Moto2-Weltmeisterschaft 2018 das einzige Fabrikat, das einen GP-Sieg verzeichnen durfte. Aber 2019 und 2020 ging Speed up-Besitzer Luca Boscoscuro leer aus. In der Saison 2019 schaffte er noch sechs zweite Plätze, 2020 durch Fabio Di Giannantonio nur noch einen 3. und einen 2. Platz. «DIGA» und Navarro schafften in der Fahrer-WM nur die Ränge 15 und 17. Immerhin gewann Aron Canet aus dem Kundenteam von Jorge «Aspar» Martinez den «Rookie of the Year»-Award.
Genau genommen gelangen Speed Up 2018 sogar zwei Saisonsiege. Aber in Motegi war der Franzose Fabio Quartararo (2019 mit Petronas-SRT-Yamaha in der MotoGP) nicht regelkonform unterwegs. Sein Motorrad wies bei einem Check nach dem Rennen hinten nicht den erforderlichen Mindest-Reifendruck von 1,4 bar auf. «Für mich ist seltsam, dass der 2d-Sensor von der GP-Organisation zur Verfügung gestellt wird. Und da ist von einer Toleranz die Rede. Das Limit ist mit 1.4 bar vorgeschrieben, aber mit der Toleranz kann man auf 1.35,8 bar runtergehen», rechnete Boscoscuro damals vor. «Wir waren innerhalb dieser Toleranz. Denn bei uns wurden nach dem Rennen 1.36 bar gemessen. Die Dokumente von 2d belegten das ganz deutlich. Diese Toleranz wurde vom GP-Veranstalter akzeptiert, und anscheinend bewegen wir uns hier in einem Graubereich. Wir haben in diesem Fall keinen Fehler gemacht. Aber leider haben wir aus irgendeinem Grund Luft aus dem Hinterreifen verloren.»
Es gab in der Moto2-WM schon 2017 zwei Disqualifikationen: Mattia Pasini und Italtrans verloren damals in Catalunya den Podestplatz wegen unerlaubter Ölzusätze, Aegerter und Kiefer Racing verloren aus demselben Grund den Misano-Sieg an Tom Lüthi.
Auch in Misano 2019 fühlte sich «Boscos» ungerecht behandelt, als sein Fahrer Fabio Giannantonio den Sieg nur um 0,186 sec gegen Augusto Fernandez aus dem Flexbox-HP40-Pons-Team verlor. Dieser erbitterte Fight in der Moto2-Klasse gab viel zu reden. Denn manchen aufmerksamen Beobachtern fiel auf, dass Sieger Fernandez zweimal auf den Grünstreifen rausfuhr, was nach Meinung der Experten zu einem 3-sec-Penalty hätte führen können.
Aber die Fahrweise von Fernandez blieb unbestraft, die FIM MotoGP-Stewards schritten nicht ein. «Das war unglaublich», ärgert sich Luca Boscoscuro, der Besitzer des Speed Up-Teams, der die erfolgreichen Eigenbau-Chassis herstellt und 2018 in Catalunya mit Fabio Quartararo den letzten Sieg eingeheimst hat.
Doch die Ergebnisliste zeigte: Fernandez bekam nie ein «track limit warning», Fabio Di Giannantonio hingegen eines um 12.53 Uhr.
Augusto Fernandez sah also bis zur letzten Runde noch keine Verwarnung im Dashboard, deshalb konnte er ungestüm angreifen.
Üblicherweise gibt es bei mehrfachen Track-Limit-Vergehen einen Long-Lap-Penalty. Wenn es erst in der letzten Rennrunde passiert, wurden damals drei Sekunden auf die Fahrzeit addiert. Seither wurde das Reglement für die letzte Runde angepasst, deshalb blieb zum Beispiel Pol Espargaró beim Steiermark-GP 2020 trotz Verlassens der Fahrbahn (beim Kampf gegen Miller und Oliveira) in der Zielkurve noch Dritter vor Joan Mir.
Speed Up-Besitzer Luca Boscoscuro, 250-ccm-Europameister 1995, erlebte 1996 als WM-Zehnter sein bestes GP-Jahr als Rennfahrer und wurde später Gilera-250-Teamchef (mit Weltmeister Marco Simoncelli). Nach dem GP-Rückzug von Gilera und Aprilia trat er gleich 2010 in der ersten Moto2-Saison mit der neuen Marke Speed Up als neuer Hersteller auf.
Damals sagte man ihm nach, er habe seine ausgezeichneten Connections zu Ingenieuren der Piaggio Group genützt und deshalb über Konstruktionspläne der Moto2-Aprilia verfügt, ein Projekt, das im November 2009 überraschend gestoppt worden war. Die Italiener wollten plötzlich nicht mehr mit dem Honda CBR600RR-Einheitsmotor um die Wette fahren. Doch Boscoscuro bezeichnet diese Darstellung als Märchen. Er versichert, er habe das erste Moto2-Bike aus Zeitmangel nach seinen Vorstellungen bei FTR in England bauen lassen und danach – aus der Not geboren – das Fabrikat Speed Up gegründet
Ein Jahr später kam es zum Streit mit FTR. Die Briten behaupteten, Speed Up habe beim Bike des Jahrgangs 2011 Teile des FTR-Designs für Speed Up übernommen, deshalb trat Boscoscuro unter der Markenbezeichnung FTR an.
Aus diesem Grund war in der Moto2-Saison 2011 nichts von Speed Up zu sehen. Denn für 2010 hatte «Boscos» die Motorräder aus Zeitmangel bei FTR in England bauen lassen, und als er 2012 mit den eigenen Bikes auftauchte, gab es aus England Plagiatsvorwürfe, die der Speed Up-Chef zwar bestritt, aber er setzte die Maschinen trotzdem unter der Bezeichnung FTR ein, um einem langwierigen Rechtsstreit aus dem Weg zu gehen. FTR überlebte nicht lange, die Briten sind längst von der Bildfläche verschwunden.
Seit Jahren wechselt Speed Up übrigens während der Saison bei den Hauptsponsoren ab, es wird meist zwischen sechs unterschiedlichen Firmen und Designs hin- und hergewechselt. «Das ist kein Handicap. Für mich ist das keine schlechte Lösung», gibt Boscoscuro zu bedenken. «Wir haben meist pro Saison bis zu sechs Sponsoren, die sich abwechseln haben. Wenn ich nur einen Hauptsponsor habe, verliere ich 100 Prozent, wenn er aussteigt. Wenn beim heutigen System eine Firma aussteigt, fehlen mir nur 15 oder 20 Prozent der Einnahmen. Wir brauchen zwar viele verschiedene Teambekleidungen. Aber das spielt finanziell keine Rolle. Das ist eine schöne Abwechslung.»
Erfolgsbilanz Speed Up
Die acht GP-Siege
2010
Mugello (Iannone)
Assen (Iannone)
Aragón (Iannone
2012
Catalunya (Iannone)
Mugello (Iannone)
2014
Assen (West)
2015
Austin (Sam Lowes)
2018
Catalunya (Quartararo)
Konstrukteurs-WM
2010 Platz 3 mit 322 Punkten
2012 Platz 3 mit 194 Punkten
2013 Platz 3 mit 143 Punkten
2014 Platz 4 mit 121 Punkten
2015 Platz 2 mit 209 Punkten
2016 Platz 2 mit 136 Punkten
2017 Platz 4 mit 117Punkten
2018 Platz 3 mit 142 Punkten
2019 Platz 3 mit 259 Punkten
2019 Platz 2 mit 118 Punkten
Die Konstrukteurs-WM-Fights in der Moto2-WM:
2010: 1. Suter 322. 2. Moriwaki 309.
2011: 1. Suter 384. 2. Kalex 281.
2012: 1. Suter 382. 2. Kalex 320.
2013: 1. Kalex 392. 2. Suter 297.
2014: 1. Kalex 430. 2. Suter 284.
2015: 1. Kalex 445. 2. Speed Up 209.
2016: 1. Kalex 450. 2. Speed Up 136.
2017: 1. Kalex 427. 2. KTM 266.
2018: 1. Kalex 407. 2. KTM 345.
2019: 1. Kalex 442. 2. KTM 281.
2020: 1. Kalex 375. 2. Speed Up 118.
Alle Fahrer-Weltmeister in der Moto2
2010: Toni Elias, Moriwaki
2011: Stefan Bradl, Kalex
2012: Marc Márquez, Suter
2013: Pol Espargaró, Kalex
2014: Tito Rabat, Kalex
2015: Johann Zarco, Kalex
2016: Johann Zarco, Kalex
2017: Franco Morbidelli, Kalex
2018: Pecco Bagnaia, Kalex
2019: Alex Márquez, Kalex
2020: Enea Bastianini, Kalex