Sandro Cortese: Wechselt Intact zu Öhlins?
Almeria: Intact-Box mit WP-Technikern
Die österreichische Firma WP Suspension hat auf dem Motorrad-Offroad-Sektor schon unzählige WM-Titel gewonnen und will jetzt den Strassenrennsport erobern. Das zum KTM-Konzern gehörende Unternehmen rüstete deshalb 2012 die Werksmaschinen des Red-Bull-Ajo-Teams (Cortese, Kent, Sissis) sowie die Werks-KTM von Fahmi Khairuddin und Niklas Ajo exklusiv mit Gabeln und Federbeinen aus – und errang mit Sandro Cortese die Moto3-Weltmeisterschaft und ingesamt sieben GP-Siege.
Beim WM-Finale in Valencia rief die im GP-Sport bisher weitgehend unbekannte Firma WP Suspension am Donnerstag um 16 Uhr zu einer Pressekonferenz, wo WP-Manager Toby Gustafsson und Entwicklungschef Dipl.-Ing. Jürgen Peko wortreich die technischen Vorzüge ihrer Produkte priesen. Dutzende Fachjournalisten hörten aufmerksam zu und berichteten ausführlich, auch der TV-Sender Sport1
Die neuesten WP-Produkte waren bei diesem Anlass in die Moto2-Kalex des Intact-GP-Teams mit Sandro Cortese eingebaut. Es wurde verkündet, WP Suspension erweitere jetzt seine Tätigkeit und steige mit Cortese 2013 in die Moto2-Klasse ein, weitere prominente Kunden (die Rede war vom Pons-Team mit Pol Espargaró, Tito Rabat und Axel Pons) wurden in Aussicht gestellt. Es wurde erzählt, Vizeweltmeister Espargaró werde die Produkte am 12. November in Valencia testen. Ein Märchen.
Es folgte immerhin ein dreitägiger Test des Dynavolt-Intact-GP-Teams mit Cortese in Almeria, zwei WP-Techniker waren zugegen, für weitere (Gratis-)Werbung war gesorgt.
Jetzt stellt sich die Frage, ob WP Suspension auch anlässlich des Rückzugs aus der Moto2-WM zu einer Pressekonferenz lädt. Inzwischen ist nämlich durchgesickert, dass es keinen Vertrag zwischen dem Intact-GP-Team und WP Suspension gibt, voraussichtlich auch keinen geben wird und dass Intact-GP-Geschäftsführer Jürgen Lingg bereits eine Offerte von Konkurrent Öhlins vorliegen hat.
Denn als Lingg kürzlich ins oberösterreichische Munderfing reiste, erfuhr er dort von WP-Managing-Direktor Hannes Haunschmid, dass ihn ein WP-Paket genau so viel kosten würde wie die bewährten Produkte des renommierten schwedischen Öhlins, die von allen Spitzenteams verwendet werden. «Ich zahle doch nicht für WP die Entwicklungskosten», ärgerte sich Lingg. «Öhlins ist uns in Valencia noch in den Ohren gelegen, sie wollen unbedingt mit Sandro und mir zusammenarbeiten. Jetzt bauen wir halt um.»
Übrigens: Ein Suspension-Paket für eine Saison kostet pro Moto2-Fahrer bei Öhlins rund 24.000 Euro.
Auch Intact-GP-Teamteilhaber Stefan Keckeisen ist die Entrüstung anzuhören. «Unsere drei Testtage in Almeria mit Sandro und WP im November hätten wir uns also sparen können», ärgert sich der Unternehmer aus Memmingen. Vergeudete Zeit und vergeudetes Geld.
«Wir haben Überstunden gemacht und in unserer Freizeit geschuftet, weil WP unsere neue Kalex unbedingt für die Pressekonferenz am 8. November fertig haben wollte», seufzt Jürgen Lingg. «Wir hätten das Motorrad sonst in Ruhe zusammengebaut. Wir haben es erst für 19. November gebraucht. Als ich dann bei WP gehört habe, dass wir den vollen Preis zahlen müssen, war ich sprachlos.»
Angesichts solcher Ungereimtheiten ist fraglich, ob die Expansion in die Moto2 und sogar in die MotoGP klappen wird. Voraussichtlich werden 2013 wieder nur die konzerneigenen KTM-Werksmaschinen mit WP-Elementen bestückt werden. Trotz zweifellos vorhandener Qualität, trotz unbestrittenen Know-hows und trotz sichtbarer Innovationen.