Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Sandro Cortese: «Müssen uns nicht verstecken»

Von Günther Wiesinger
Sandro Cortese war im Katar-Qualifying Zweiter, im Rennen erkämpfte er trotz gebrochener Ferse Platz 7. Jetzt tut er alles, um für den Texas-GP fit zu werden.

Sandro Cortese (24) erlebte auf dem Losail Circuit in Doha/Katar einen eindrucksvollen Saisonauftakt. Er verpasste die Pole-Position in der Moto2-Klasse gegen Tito Rabat nur um 0,020 sec, verletzte sich aber bei einem Quali-Sturz in der letzten Runde am linken Knöchel.

Inzwischen steht fest: Der Astragalusknochen war gar nicht gebrochen, dafür gab es einen Riss im linken Fersenbein – und dazu eine Fleischwunde.

Noch wenige Minuten vor dem Start zum WM-Lauf war seine Rennteilnahme ungewiss. «Aber ich bin zwei Aufwärmrunden gefahren und habe mich in der zweiten entschlossen, das Rennen zu bestreiten», schilderte Sandro Cortese im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Sandro, am Montag sind die Nähte von der Fleischwunde entfernt worden. Wie sieht es gesundheitlich bei dir aus – eine Woche vor dem ersten GP-Training in Austin/Texas?

Ich gehe seit Mittwoch Schwimmen, ich fahre mit dem Rennrad auf der Rolle, zwischendurch muss ich den Fuss wieder hochlegen. Immer wenn ich etwas gemacht habe, muss ich den Fuss wieder hochlagern. Aber es wird langsam... Ich bewege mich aber noch nicht weg von daheim. Ich schone mich zwischendurch. Am Dienstag fliegen wir nach Texas.

Ist die Beweglichkeit des Knöchels durch die Schwellung noch eingeschränkt?

Heute habe ich das erste Mal wieder versucht, mit der Stützmanschette zu gehen. Aber vorsichtig.
Mit einem Terraband habe ich das Runterschalten und Hochschalten geübt. Das sollte kein Problem sein.
Wenn ich in den nächsten sieben Tagen noch einmal so einen Schritt mache wie von letzter Woche zu dieser Woche, dann werde ich nicht so stark eingeschränkt sein. 100 Prozent fit werde ich aber nicht sein.
Im Flugzeug werde ich einen Thrombosestrumpf tragen und das Bein hochlagern. Das ging beim Heimfliegen aus Doha auch gut.

Deine Vorstellung in Katar war eindrucksvoll. Du hast zwar bei den IRTA-Tests die Ränge 6,5 und 2 erzielt. Aber dass du im Quali so knapp am Rabat rankommen würdest, durfte man nicht unbedingt erwarten?

Insgeheim habe ich gewusst, dass wir ein wirklich gutes Paket haben. Aber trotz des zweiten Platzes beim Jerez-Test war ich nicht ganz sicher... Man hängt ja bei den Tests ein bisschen in der Luft. Ausserdem haben Rabat und Kallio beim zweiten Jerez-Test gefehlt. Es waren also zwei der stärksten Gegner nicht da.
Dass ich in den freien Trainings immer unter den ersten drei sein würde und im Quali so knapp hinter Rabat, hat eigentlich meine Vermutung bestätigt: Wir haben uns unter den ersten fünf stabilisiert.
Im Rennen wäre ohne die Verletzung richtig was drin gewesen.

Technikchef Jürgen Lingg war nach dem Rennen ziemlich ergriffen. «Da kommt in diesem Jahr noch was», meinte er.

Ja, ich denke auch. Wir müssen uns nicht verstecken. Wir haben in Doha gezeigt, was wir können. Das Rennen hat unser Potenzial bestätigt. Im Vorjahr konnte ich von einem siebten Platz nur träumen. Jetzt hat es trotz der Verletzung für Platz 7 gereicht. Wir sind gut dabei. Besonders in den ersten vier, fünf Runden, als der Schmerz noch nicht so stark war, habe ich trotz der Verletzung gut mithalten können.
Klar, wir müssen jetzt konzentriert weiterarbeiten. Wir dürfen uns nach dem Teilerfolg, den wir jetzt eingefahren haben, nicht zurücklehnen. Denn die Konkurrenz schläft nicht.

In dieser letzten Quali-Runde, die mit dem Sturz geendet hat, was ist da genau passiert? Es gab widersprüchliche Aussagen. Technikchef Jürgen Lingg meinte, du würdest zudrehen, weil du ohnedies knapp hinter der Pole warst, zu viel gestürzte Fahrer rumlagen und zu viele gelbe Flaggen draussen waren. Aber du bist noch einmal auf eine schnelle Runde gegangen?

Ich habe es noch einmal probiert. Aber mir ist in der ersten Kurve ein Fehler passiert, deshalb bin ich schlecht aus dieser Kurve rausgekommen.
Ich denke, das Abdrehen und das Hinterherfahren, das bringt nichts. Ich war in einer so guten Position, dass ich nicht abdrehen und nicht nach hinten schauen musste. Torres ist sicher nicht zu 100 Prozent schuld, es gehören immer zwei dazu. Ich hätte vielleicht nach meinem Verbremser aufpassen können, ob einer hinter mir ist. Aber dass mir einer so ungebremst hinten drauf fährt, damit konnte ich nicht rechnen.

Hätte man den Crash vermeiden können, wenn dir die Box angezeigt hätte: «0,020 sec hinten, 2. Startplatz, es reicht, roll’ aus».

Ja, klar. Im Endeffekt ist man hinterher immer gescheiter. Aber in der Moto2 weiss man nie, was in der letzten Runde passiert. Womöglich hängen vier im Windschatten, dann bist du Sechster statt Zweiter. Deshalb muss man bis zur letzten Minuten aggressiv fahren.
Die Boxensignale von Manuel Mickan waren in Ordnung. Er hat das im Griff. Vielleicht habe ich selber auch einen Fehler gemacht. Wenn ich mich in Zukunft verbremse, werde ich mir überlegen, ob ich nicht einfach geradeaus fahre, damit solche Dinge nicht mehr passieren.
Ich bin in die erste Kurve zu schnell reingefahren und deshalb auf dem Weg zur zweiten Kurve schlecht rausgekommen; ich habe eine richtig niedrige Drehzahl gehabt. Wenn ich vor der Kurve 2 nach links gefahren wäre, hätte mich Torres womöglich rechts überholt und wäre vielleicht von dieser Seite in mich reingefahren.
Er war auf Platz 20 und meinte, er müsse hinter mir noch eine gute Runde fahren. Dass er dabei den Kopf ausgeschaltet hat und mir ungebremst ins Hinterrad reingefahren ist, war ein bisschen schwer zu verstehen.

Wann hast du eigentlich endgültig gewusst, dass du das Rennen in Katar fahren wirst? Als du ins Bett gegangen bist, gab es noch Zweifel, nicht wahr?

Ich habe gezweifelt, bis ich die zweite Einführungsrunde gefahren bin. da habe ich erst gewusst, ob es überhaupt geht. Als ich dann in die Startaufstellung gefahren bin, dachte ich mir: Entweder es geht, dann fahre ich durch. Aber ich fahre kein Rennen mehr, wo ich mir auf Platz 25 selber etwas beweisen muss. Das hätte keinen Sinn gemacht. Wäre ich aus den Punkterängen gefallen, wäre ich sofort an die Box gefahren. Ich wollte schauen, ob es geht.
Als ich in der Nacht zum Sonntag im Bett gelegen bin, habe ich mir ausgerechnet: Mein Speed an diesem Wochenende war so hoch, dass es immer noch für die Top-Ten reicht, wenn ich eine Sekunde langsamer fahre. Und die Top-Ten hatte ich mir ja als Ziel gesetzt.

Die Diagnosen der Ärzte im Medical Centre an der Strecke waren widersprüchlich. Zuerst war von einem offenen Knöchelbruch die Rede. Dann hiess es, die Fleischwunde habe mit dem gebrochenen Astragalusknochen gar nichts zu tun. Und daheim in Deutschland kam noch das demolierte Fersenbein zum Vorschein?

Ja, genau. In Doha wollten sie den Knöchelbruch gleich operieren. Aber ich war strikt dagegen. Ich habe mir von den Ärzten der Clinica Mobile die Erstversorgung machen lassen, den Rest wollte ich in Deutschland machen lassen. Ich vertraue den deutschen Ärzten mehr... Beim CT in Deutschland hat sich am Montag herausgestellt, dass der Astragalus gar nicht beschädigt war.

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