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Jürgen Lingg (Intact): «Kann Jonas nichts vorwerfen»

Von Günther Wiesinger
Intact-Teammanager Jürgen Lingg analysiert die Vorkommnisse des turbulenten Katar-GP und nimmt den als Spitzenreiter gestürzten Jonas Folger in Schutz.

Das Dynavolt Intact GP-Team ging in Katar mit Jonas Folger und Sandro Cortese auf den Startplätzen 1 und 6 ins Rennen, kehrte aber nur mit einem mickrigen WM-Punkt nach Hause: Jonas Folger stürzte mit 1,6 sec Vorsprung in Runde 3, Sandro Cortese landete wegen 20 Strafsekunden (Frühstart) nur auf Rang 15.

Jürgen Lingg, Teamteilhaber und Technical Director, sprach mit SPEEDWEEK.com über die Erkenntnisse des turbulenten Moto2-Saisonauftakts in Doha/Katar.

Jürgen, zuerst einmal ist aufgefallen, dass Weltmeister Johann Zarco nicht so stark dominiert hat wie in der Saison 2015?

Ja, richtig. Ich habe eigentlich bei den Tests die ganze Zeit gedacht, dass die irgendwie spielen und pokern oder irgendwas probieren. Aber es sieht momentan wirklich so aus, als sei Zarco nicht so dominant. Aber im Rennen ist er nach der Durchfahrtsstrafe noch gute Zeiten gefahren. Aber er war doch nicht so überragend wie letztes Jahr. Das wundert mich jetzt auch ein bisschen, muss ich sagen.

Ein Teambesitzer meinte, Zarco leide, weil jeder Fahrer in zwölf Monaten nur noch zehn private Testtage absolvieren darf. Er ist also weniger gefahren als im letzten Winter. Kann das die Ursache sein?

Ich weiss es nicht. Vielleicht ist es bei manchen Fahrern so, dass man nicht mehr ganz so hungrig ist, wenn der erste WM-Titel da ist. Keine Ahnung. Er fährt ja nicht schlechter als vorher. Aber es muss mit der Motivation zu tun haben. Ich glaube nicht, dass es an der Technik liegt.

Ich tippe auf die Motivation. Es gibt wenige Fahrer wie Rossi und Marc Márquez, die bei den WM-Titeln nie genug kriegen... Es gibt wenige Nimmersatt.

Ein paar Worte zu den Intact-Fahrern. Ich habe ein mulmiges Gefühl gekriegt, als Jonas Folger nach zwei Runden schon 1,6 sec vor den Verfolgern auf Platz 1 lag?

Ja, mir ging es genau so. Aber wir haben das in jedem Training eigentlich probiert mit vollem Tank; das hat immer super geklappt. In der nächsten Runde hätte er das Schild mit dem Vorsprung gekriegt. Aber es hat halt nicht sein sollen...

Crew-Chef Patrick Mellauner hat sich dann Vorwürfe gemacht und gemeint, man hätte Jonas die Tafel früher zeigen müssen.
Aber ich habe gesagt: Du kannst nicht nach der ersten Runde schon ein «plus 1 sec» raushängen. Das geht nicht. Denn erstens sieht er die Tafel nach der ersten Runde sowieso nicht. Und zweitens macht man das nicht, weil man nie weiss, wie rasch sich die Verfolger hinten sortieren. Wenn da ein Zweikampf ist, der erst mal geklärt werden muss, und dann holte einer auf wie die Sau, kannst du nicht schon in der ersten Runde taktieren. Das ist meine Meinung. Ich bin überzeugt, dass wir da nichts falsch gemacht haben.

Nach der dritten Runde hätte Jonas die Tafel gekriegt. Aber es war so chaotisch... Auch für uns an der Box. Der eine hatte einen Frühstart, der nächste auch, der Jonas ist vorne weg geblasen wie ein Kranker. Aber da haben wir uns nichts dabei gedacht. Denn das hat er in jedem Training gemacht. Wir haben das schon bei allen Tests immer geübt.

Kann man Jonas Folger etwas vorwerfen? Zurückschauen in den ersten Runden ist ja auch nicht empfehlenswert. Hätte er mal einen Blick auf die grosse TV-Screen werfen sollen?

Nein, man kann dem Jonas nichts vorwerfen. Denn er hat genau das gemacht, was wir ihm gesagt haben. Wir haben ihm empfohlen, sich nicht umzudrehen, er sollte einfach fahren und nicht taktieren. Das hat er gemacht. Vielleicht war es dann doch ein bisschen unglücklich von unserer Seite.
Das ist schon ärgerlich.

Denn er hätte einen schönen Punktevorsprung auf die meisten WM-Gegner rausholen können.

Ja, ja. Im Nachhinein ist das sehr ärgerlich. Ich habe seither viel überlegt und drüber nachgedacht, ob wir den Abstand nicht doch anzeigen hätten sollen. Oder vielleicht hätte er sich umdrehen sollen. Aber in den ersten paar Runden musst du einfach reinhalten.
Die Daten haben gezeigt, dass Jonas nicht schneller geworden ist. Deshalb bleibe ich dabei: Er hat nichts falsch gemacht. Du kannst nicht 20 Runden lang taktieren. Das funktioniert nicht.

Wie kannst du dein Team jetzt für den Argentinien-GP wieder aufrichten?

Nach dem Rennen waren Patrick und Jonas ziemlich «down». Aber ich habe sie rasch wieder aufgerichtet. Ich habe gesagt: Jetzt müssen wir halt in Argentinien das Gleiche noch einmal machen.
Katar ist jetzt vergessen. Das funktioniert schon.

Tom Lüthi hat gesagt, Sandro Cortese sei beim Start schon zwei Meter zu weit vorne gewesen, als die Ampel noch Rot war. Hast du das auch so gesehen?

Ich habe das gar nicht gesehen. Aber ich habe gehört, dass er früh dran war. Ich habe Lowes und Zarco gesehen, denn ich bin bei der Startaufstellung immer vorne. Bei denen beiden habe ich den Frühstart gesehen, bei allen anderen nicht.

Sandro hat sich nach dem Rennen über die 20-sec-Zeitstrafe beschwert?

Ja, aber nachher hat er das schon eingesehen.

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