Motocross-Legende Jaroslav Falta verstorben
Am Sonntagabend (27. März 2022) gegen 22 Uhr ist die tschechische Motocrosslegende Jaroslav Falta wegen eines plötzlichen und unerwarteten Herzversagens gestorben. Falta wurde erst vor wenigen Tagen, am 23. März, 71 Jahre alt. Aufgewachsen ist Falta in Jiríkov, nahe der deutschen Grenze, wo sein besonderes Talent schnell auffiel.
Nach ersten nationalen Erfolgen stieg er 1971 in die Motocross-WM ein. Die Besonderheit dabei war, dass er als Tscheche die heimische Marke CZ international repräsentierte. Während seiner zehn WM-Jahre fuhr er ausschließlich auf diesen Motorrädern und beendete die Saison achtmal unter den Top-10. Allerdings war diese Materialauswahl für ihn auch alternativlos. Zu jener Zeit gab es von den japanischen Herstellern bereits bessere Möglichkeiten. Falta durfte in der Zeit des kalten Krieges als Repräsentant des Ostblocks natürlich nur auf dem tschechischen Motorrad antreten, das zu jener Zeit allerdings bereits technisch ins Hintertreffen geriet und nicht mehr konkurrenzfähig war.
Doch Falta haderte nicht mit seinem Schicksal. Im Gegenteil. Er besann sich auf seine eigenen Kräfte und war damit erfolgreich. Das war eine seiner großen Stärken. Er suchte nie nach Ausreden oder Begründungen für Misserfolge. Er stellte an sich selbst immer die höchsten Ansprüche. Das Material war für ihn zweitrangig und allein Mittel zum Zweck. War es nicht konkurrenzfähig, dann musste er eben selbst eine Schippe drauflegen. Das ist aber leichter gesagt als getan, wenn einem die Konkurrenten mit mehr Leistung auf der Geraden stehenlassen.
Faltas Konkurrenz hatte es nicht nur technisch sondern auch personell in sich: Die Auswahl liest sich wie das 'Who is Who' der Motocrossgeschichte: Joel Robert, Sylvain Geboers, Gaston Rahier, Arne King, Adolf Weil, Hakan Andersson, Harry Everts, Willy Bauer, Heikki Mikkola, Vladimir Kawinov, André Malherbe, Jean Bruno, Rolf Dieffenbach, Neil Hudson, Hakan Carlqvist, Chuck Sun, Kees van der Veen, Georges Jobé, Jim Pomeroy, Heinz Kinigadner und viele andere große Namen des Sports, die zu Legenden avanciert sind.
Die Erfolge von Jaroslav Falta auf einen Blick:
1971: P9 250 ccm WM
1972: P9 250 ccm WM
1973: P6 250 ccm WM
1974: P2 250 ccm WM
1975: P11 250 ccm WM
1976: P10 250 ccm WM
1977: P9 250 ccm WM
1978: P9 250 ccm WM
1979: P10 250 ccm WM
1980: P7 250 ccm WM
1974: Der Weltmeister der Herzen
Sein Schicksalsjahr war 1974. Falta kämpfte mit dem Sowjetrussen Gennadij Moiseev bis zum letzten Rennen um den WM-Titel. Zum Finale nach Wohlen in der Schweiz brachte das sowjetische Team Fahrer mit, die nur eine Aufgabe hatten: Sie sollten Falta abräumen und den Weg für Moiseevs ersten WM-Titel freimachen. Das Unternehmen misslang. Falta wurde zwar von Popenko vom Motorrad geholt, doch er war schnell genug, nach dem Crash wieder nach vorne zu fahren. Die Punkte reichten. Falta wurde Weltmeister des Jahres 1974! Doch die sowjetische Delegation legte gegen Falta Protest ein, weil er über das Startgatter gefahren und damit einen Frühstart verursacht haben soll. Zu jener Zeit fielen die Startmaschinen noch in Fahrtrichtung. Im Falle eines Frühstarts hätte allerdings das Rennen laut damaligem Reglement abgebrochen werden müssen. Das geschah nicht. Stattdessen kam es zum Protest nach dem Rennen. Falta geriet jetzt zwischen die Mühlen der Weltpolitik und anderer Interessenkonflikte. Das Abstimmungsverhalten der Jury nach dem Rennen und später auch der FIM war von Interessen jenseits des Sports geprägt. Vor Ort stimmten die Delegierten 3:2 für den Protest. Die Delegationen der damaligen BRD und der CSSR stimmten dagegen, die Delegierten der Schweiz, UdSSR und Österreich stimmten dafür, überwiesen aber die endgültige Entscheidung an den FIM-Herbstkongress in San Marino. Die Sowjets übten im Vorfeld dieses Herbstkongresses allerdings Druck auf die 'befreundete' tschechische Delegation aus, so dass diese schließlich an der Abstimmung nicht einmal mehr teilnahm. Der erste WM-Titel für Gennadij Moiseev und KTM wurde schließlich in San Marino von der FIM formell bestätigt. Die ganze Geschichte ist in diesem Artikel nachzulesen.
Zeitzeugen wie Harry Everts sind bis heute davon überzeugt, dass Falta der wahre Weltmeister des Jahres 1974 ist. Im Interview mit SPEEDWEEK.com erläuterte er seine Erinnerungen. Harry Everts gewann übrigens das umstrittene Saisonfinale von Wohlen.
Jaroslav Falta war nach den Enttäuschungen und den unfairen Anfeindungen des Jahres 1974 niemals verbittert oder gekränkt. Es kam nicht ansatzweise zu Revancheakten auf oder neben der Strecke. Im Gegenteil: Zu seinen Kontrahenten, speziell zu Gennadij Moiseev, pflegte er bis zum Schluss sehr gute Beziehungen. Moiseev starb 2017 im Alter von 69 Jahren. Falta hat gerade auch seine sowjetischen Kontrahenten, den Russen Moiseev und den Ukrainer Kawinov, stets hoch geachtet und respektiert. Moiseev und Kawinov durften aber im Gegensatz zu ihm auf der KTM ausrücken, die Mitte der 1970er Jahre der CZ bereits deutlich überlegen war.
Jaroslav Falta war Zeit seines Lebens Gentleman und fairer Sportsman. Er nahm das Schicksal wie es kam und schaute trotzdem immer nach vorne. Im selben Jahr 1974 gewann er im Coliseum von Los Angeles vor 65.000 begeisterten Zuschauern das Super-Bowl des Motocross, ein Vorläufer der heutigen US-Supercrossmeisterschaften. Seitdem wurde Falta auch in den USA hoch verehrt und er hat bis heute eine treue Fangemeinde.
Wir kehren zurück in Faltas Heimat Tschechien: Das Land war in den 1970er Jahren ein wahres Eldorado des Motocross-Sports. Im Schatten von Faltas Erfolgen wuchs eine ganze Generation talentierter und international erfolgreicher Motocrosser heran. 1975 hatte Falta aber wieder Pech: Wegen einer Verletzung der Milz konnte er nicht am Motocross der Nationen im heimatlichen Sedlcany teilnehmen. Die tschechische Mannschaft gewann vor dem begeisterten Heimpublikum aber trotzdem - mit der Besetzung Bavorovský, Churavý, Navácek und Velký. Falta, ihr bester Mann, blieb im Reigen der tschechischen Top-Piloten am Ende der einzige Fahrer ohne WM-Titel.
Trotzdem war er der Überflieger der tschechischen Motocrossnation. Das wussten und wissen alle seine Sportlerkollegen von Velký bis Churavý. Falta war ein Naturtalent mit Kämpferherz. Sein Fahrstil war effektiv und elegant. Deshalb war er auch einer der Publikumslieblinge jener Zeit. Seine Tochter Martina lebt heute in den USA und kümmert sich um die Aufarbeitung seiner Geschichte. Jaroslav Falta erhielt 2020 den tschechischen Staatspreis für sein Lebenswerk. Er ist viel zu früh gegangen, aber wir werden ihn nicht vergessen.