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Culitzsch Classics: Racing und Technik im Zeitraffer

Von Thoralf Abgarjan
Beim Finale des ECMX-Classic Cups im sächsischen Culitzsch konnte die Technikentwicklung des Motocross-Sports von den Anfängen bis zur Gegenwart im Renneinsatz verfolgt werden und die Europameister wurden gekürt.

Am vergangenen Wochenende fand auf der Hartbodenstrecke im sächsischen Culitzsch das Finale des ECMX-Classic Cups 2024 statt. Die europaweit ausgetragenen Wettbewerbe fächern sich in zahlreiche Klassen auf, die sich in den Altersgruppen sowohl der Fahrer als auch der Motorräder unterscheiden.

Wer denkt, dass hier nur Opas am Start sind, irrt gewaltig. Einige Fahrer waren jünger als ihre Bikes. Besonders in der Klasse 'Super EVO', in der die legendären wassergekühlten Zweitakter mit Zentralfederung und Upside-Down-Gabel am Start standen, gab es in Culitzsch hochkarätigen Rennsport zu sehen, mit Scrubs und Whips wie im modernen Motocross. Der älteste Teilnehmer, Jimmy Smed aus Dänemark, startete in der Klasse 'Classic 72 plus' im zarten Alter von 86 Jahren auf seiner 60er-Jahre BSA. In der Seniorenklasse der ältesten Fahrer waren in Culitzsch allein 24 Teilnehmer am Start.

Das besondere an einer Classic-Veranstaltung ist die Technikentwicklung des Motocross, die man dort im Zeitraffer erleben kann. Die 1960er Jahre waren geprägt von den Viertaktern. 1964 und 65 gewann der Brite Jeff Smith auf der Viertakt-BSA die 500er WM und Paul Friedrichs läutete im Jahre 1966 die Ära der Zweitakter ein. 1966-1968 wurde Friedrichs auf CZ dreimal in Folge Weltmeister. Sein Motorrad war in Culitzsch gleich mehrfach zu bewundern. Peter van Nieuwenhof wurde in der Klasse Classic 66+ EM-Vierter mit seiner 380ccm Friedrichs-Replika CZ.

Von Mitte der 1960er bis Mitte der 1990er Jahre ist im Motocross technisch sehr viel passiert und besonders die 1980er Jahre waren extrem innovativ. Zunächst wurden Anfang der 80er die Fahrwerke verbessert und die Federwege wurden von unter 200 mm auf mehr als 300 mm vergrößert. Die hinteren Twinshock-Federbeine wurden später durch progressiv umgelenkte Zentralfederbeine ersetzt. Motorenseitig erfolgten zahlreiche Verbesserungen: Membran-Einlass-Steuerung, mit der Wasserkühlung wurde ein enormer Leistungszuwachs möglich. Später kam die Auslass-Steuerung dazu.

Die 80er Jahre waren auch eine experimentierfreudige Zeit. So war in Culitzsch eine seltene amerikanische Patriot ATK 406 aus dem Jahre 1988 zu bewundern: Das Modell hatte bereits Scheibenbremsen, doch die hintere Bremsscheibe sitzt nicht auf der Radnabe, sondern direkt hinter dem Antriebsritzel. Das Hinterrad wurde also indirekt über die Antriebskette gebremst und die Antriebskette parallel geführt. Das angestrebte Ziel dieser exotischen Lösung dürfte das Streben nach Massenzentralisation gewesen sein. Der Mono-Shock-Dämpfer saß unsymmetrisch direkt auf dem linken hinteren Schwingenarm und der Luftfilterkasten war vorne unter dem Tank verbaut.

In den 1970er und 1980er Jahren waren die Viertakter aus dem Motocross-Sport weitgehend verdrängt, denn die Zweitakter hatten bei gleichem Hubraum mehr Leistung. Doch es gab Tüftler, die speziell in der 500er Klasse, in der die Leistung nicht mehr die zentrale Rolle spielte, weiterhin an die Viertakter glaubten. Husqvarna entwickelte die TC 510, die es sowohl mit Viertakt- als auch mit Zweitaktmotor gab. Beide Modelle standen in Culitzsch am Start. Der Österreicher Kris Rosenberger ist ein erfolgreicher Rallye-Pilot, dessen Leidenschaft aber immer auch Motocross war und bis heute ist. Kris wurde in der Klasse 'Twinshock 50+' Europameister mit der Idealpunktzahl von 150 Punkten. Er bewegte die legendäre Husqvarna TC 510 in Viertakt-Ausführung und gewann sämtliche Wertungsläufe: «Das Motorrad hat Trommelbremsen, doppelten Stoßdämpfer hinten, eine konventionelle Gabel und Luftkühlung», erklärt Rosenberger. «Diese Motorräder machen Spaß, denn sie haben schon ziemlich viel Leistung, aber so gut wie keine Bremsen.» Sein Motor wurde auf ca. 580 ccm aufgebohrt. «Der Hubraum ist ja vom Reglement nicht limitiert. Wir haben einen größeren Kolben verbaut, damit wir noch etwas mehr Leistung haben», erklärt Rosenberger.

In den frühen 1980er Jahren waren die Viertakter die Exoten. Erst als in den 1990er Jahren das Reglement geändert und das Hubraum-Privileg für Viertakt-Motoren eingeführt wurde, hatten die Viertakter wieder Erfolg. Das Hubraum-Privileg besagt, dass in der heutigen MXGP-Klasse Motoren bis 450 ccm Viertakt oder 250 ccm Zweitakter verwendet werden dürfen. In der MX2 Klasse werden 250 ccm Viertakt- und 125 ccm Zweitakt-Motoren verwendet. Die Viertakter bekommen also bis heute einen Hubraum-Bonus um den Faktor 2. Im Jahre 1993 wurde Jacky Martens dank des Hubraum-Privilegs auf der Viertakt-Husqvarna 610 mit über 600 ccm Hubraum Weltmeister und wurde damit der erste Viertakt-Weltmeister der 'Neuzeit'. Zwischen 1965 und 1993 waren also 27 Jahre vergangen, in denen ausschließlich Zweitaktmotorräder die WM dominiert hatten.

Das Viertakt-Revival kam aber keineswegs aus dem Nichts. Die Tüftler von Husqvarna, Rotax und KTM begannen schon Mitte der 1980er Jahre mit der Entwicklung konkurrenzfähiger Motocross-Motoren. Diese Geschichte erklärte Manfred Mayrhofer vom MSV Schwanenstadt in Culitzsch: «KTM hatte zu dieser Zeit keinen eigenen Viertaktmotor und hat in den Jahren 1983 und 1984 dafür den Rotax-Motor eingesetzt. Das führte dann zur eigenen Entwicklung des legendären LC4-Motors von KTM.» Der Österreicher Georg Reiter hat diesen Motor 1986 beim Saisonauftakt in Sittendorf erstmalig eingesetzt. Das komplette Interview mit Manfred Mayrhofer und dem früheren Rotax-Werksfahrer Peter Aicher finden Sie im Video unter diesem Artikel.

«Nur wer die Vergangenheit kennt, hat eine Zukunft», dieses Zitat von Wilhelm von Humboldt gilt natürlich auch für den Sport. In der Klasse 'Classic 72+', das ist die Klasse der über 72-Jährigen, war der 76-Jährige Thüringer Michael Koch am Start, der Großvater von Tom Koch, dem zurzeit besten Deutschen in der MXGP-Weltmeisterschaft. Michael erklärte, wie er seine Söhne (Ronald und Matthias) und Enkel (Tom, Tim und Marvin Koch) an den Motorsport herangeführt hat. «Ich bin derjenige, der mit dem Motocross-Sport angefangen hat. Dann haben unsere Söhne weitergemacht und damit war der Sport in unserer Familie fest verankert, so dass Tim auch schon als Kind damit begonnen hat.»

Der Niederländer Herman Leunen ist Präsident der ECMO (European Classic Motorsport Organisation) und sein Beispiel zeigt, wie der Sport auch im Alter fit hält: Mit 83 Jahren nimmt er mit seiner Bultaco 250 aus dem Jahre 1964 an allen Rennen in der Klasse 'Classic 72+' teil und belegte in der Europameisterschaft 2024 den 11. Platz. Gleichzeitig kümmert er sich um die Organisation der europäischen Meisterschaften.

In den Klassen 'Classic' und 'Twinshock' gab es in Culitzsch die Technikentwicklung im Motocross von den Viertakt-Anfängen (BSA) bis zu den luftgekühlten und hochbeinigen Twinshock-Bikes mit größeren Federwegen im Renneinsatz zu sehen. Die 'EVO'-Klassen markieren die nächste wichtige Evolutionsstufe: Zentralfederung hinten und Motoren mit Wasserkühlung. Hier standen die Motorräder bis 1990 am Start. Die schärfsten Waffen starten in der Klasse 'Super EVO', in der Motorräder bis Baujahr 1996 gefahren werden. Dominic Fischer aus Werdau katapultierte seine Honda CR250 um den Hartbodenkurs und gewann den ersten Lauf. Im zweiten Lauf lag er erneut in Führung, leistete sich aber einen kleinen Ausrutscher und fiel auf Platz 2 zurück. Kurz vor dem Ende des Rennens setzte er zum Endspurt an, um auch den zweiten Lauf noch zu gewinnen, kam aber in der Highspeed-Passage vor der Boxengasse ins Rutschen und erwischte den Absprung des nachfolgenden Tables nicht. Fischer flog heftig ab und musste an der Strecke medizinisch versorgt werden. Das Rennen wurde umgehend mit roter Flagge abgebrochen und Dominic Fischer auf Rang 2 gewertet, doch das Ergebnis war jetzt völlig irrelevant, denn seine Halswirbelverletzungen waren so schwer, dass er stabilisiert und mit dem Hubschrauber abtransportiert werden musste.

So wurde das Classic-Finale von Culitzsch in den letzten 5 Minuten von einem tragischen Unfall überschattet, der unter den zahlreichen Zuschauern und im Fahrerlager zu einer bleiernen Atmosphäre führte. Auch bei der anschließenden Siegerehrung war die Stimmung angesichts des tragischen Zwischenfalls verhalten.

Motorsport, egal ob Profi-, Amateur- oder Oldtimersport, ist und bleibt gefährlich und ist leider auch Teil des Sports. Am Ende waren sich alle Teilnehmer einig, dass der ECMX-Classic Cup 2024 ein voller Erfolg war. Im Namen aller Teilnehmer und aller Leser von SPEEDWEEK.com wünschen wir Dominic Fischer von dieser Stelle aus bestmögliche, vollständige und schnelle Genesung!

Ergebnisse Classic Europameisterschaften 2024:

Classic 72+

1. Karel Kozak (CZ), CZ 360, 125 Punkte
2. Jakob Homan (NL), CZ 380, 108
3. Cai Larsen (DK), BSA 441, 94
4. Jiri Krejcik (CZ9, CZ 360, 78

11. Herman Leunen (NL), Bultaco 250, 41

23. Michael Koch (D), BSA, 15

Classic 66+

1. Vladimir Ampapa (CZ), CZ 250, 107 Punkte
2. Claude Martineaud (F), BSA 500, 106
3. Miroslav Nejedly (CZ), CZ 400, 97
4. Peter Nieuwenhof (NL), CZ 380, 90

Classic 60+

1. Karel Mitvalsky (CZ), CZ 380, 116 Punkte
2. Keith Best (GB), CZ 380, 114
3. Leopold Simak (CZ), CZ 380, 110
4 .Pascal Dronet (F), BSA 500, 85

Classic 50+

1. Roman Majer (CZ), CZ 380, 125 Punkte
2. Bjorn Verdoodt (B), CZ 400, 106
3. Christoph Lemaire (B), CZ 380, 88
4. Lurie Vintea (B), CZ 380, 88

Classic -50

1. Scott Reed (GB), CZ 380, 122 Punkte
2. Harry Larkom Cox (GB), CZ 380, 111
3. Jinrich Chmel (CZ), CZ 380, 81
4. Radek Cerveny (CZ), CZ 250, 78

Twinshock -50

1. Patrick Linninger (H), Yamaha 600, 132 Punkte
2. Ronny Leichsenring (D), Husqvarna 250, 116
3. Jürgen Schreurs (NL), Maico 490, 50
4. Michael Gritsch (A), Husqvarna 510, 47

Twinshock 50+

1. Kris Rosenberger (A), Husqvarna 500, 150 Punkte
2. Sven Dietzmann (D), Maico 490, 118
3. Bernhard Triebl (A), Husqvarna 500, 109
4. Josef Leitner (A), Yamaha 600, 101

Twinshock 60+

1. Christian Kerstens (D), Honda 600, 132 Punkte
2. Lutz Gerlach (D), Kawasaki 500, 99
3. Rudi Takman (NL), Suzuki 500, 97
4. Helge Mühlig (D), Suzuki 250, 83

EVO -50

1. Christian Lovranich (A), Yamaha 125, 117 Punkte
2. Jaroslav Strnad (CZ), KTM 250, 94
3. Attila Lelovics (H), Kawasaki 250, 90
4. John Haxton (GB), Yamaha 125, 89

EVO 50+

1. Jiri Pach (CZ), Suzuki, 147 Punkte
2. Georg Kainz (A), Honda 250, 105
3. Georg Spannbruckner (A), Honda 500, 98
4. Rüdiger Neu (D), Honda 250, 82

EVO 85

1. Anton Bank (D), Suzuki 250, 137 Punkte
2. Zdenek Hazdra (CZ), Suzuki 250, 125
3. Makus Szenft (H), Kawasaki 250, 82
4. Martin Langer (CZ), Yamaha 490, 50

Super EVO

1. Georg Hammerl (A), Kawasaki 500, 104 Punkte
2. Mario Martinz (A), Kawasaki 500, 92
3. Nikolaus Roth (A), Honda 500, 92
4. Dominic Fischer (D), Honda 250, 75

Die Klassen im Überblick:

Classic:

- Motorräder vor 1974

Twinshock:

- Hinterradfederung mit 2 Federbeinen
- Luftkühlung
- Trommelbremse
- Konventionelle Gabel

EVO:

- Motorräder bis 1990

Super EVO:

- Motorräder bis 1990
- keine Alurahmen

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