Livio Suppo (Honda): «Rossi überrascht mich wieder»
Honda und HRC haben eine teilweise mühselige erste Saisonhälfte erlebt, denn Weltmeister Marc Márquez hat von Texas bis zum Sachsenring nie gewonnen. Aber jetzt führt der Repsol-Honda-Star wieder in der WM.
Livio Suppo zieht für SPEEDWEEK.com die vorläufige Bilanz zur ersten Hälfte der MotoGP-Klasse.
«In der Saison 2016 haben wir neun verschiedene Sieger erlebt und in diesem Jahr bei den ersten acht Rennen bis Assen bereits fünf», sagt Suppo. «Es ist eine spannende und spektakuläre Meisterschaft. Sehr ausgeglichen auch für die Fans. Vielleicht etwas weniger für uns, denn für uns zählen nur die Resultate. Schade, dass Suzuki etwas abgeschlagen ist, dafür hat sich Ducati verbessert. Dazu kommt, dass die Reifen manchmal ausschlaggebend waren. In Jerez zum Beispiel war es gut für uns, aber weniger für Yamaha. Dasselbe in Barcelona. Dafür hatten wir Mühe in Mugello. Was interessant ist: Wenn die Reifen nicht funktionieren, gilt das nicht für alle Hersteller. Man muss einfach versuchen, sie an das Motorrad anzupassen. Das ist für die Teams nicht so einfach, dafür umso interessanter.»
Zu Beginn der Saison sah Maverick Viñales schon wie der zukünftige Weltmeister aus, hat aber jetzt offenbar seine Probleme.
«In einer Meisterschaft wie dieser braucht es nicht viel und du findest dich wieder weiter hinten. Maverick hat durch seine zwei Stürze einige Punkte verloren, aber auch wegen den Widrigkeiten in Jerez und Barcelona. Es ist nun mal so: Wenn du die Wintertests dominierst, heisst das noch lange nicht, dass du den Titel bereits in der Tasche hast. Erinnerst du dich, als Colin Edwards im Honda-Team von Gresini so dominant war, dann aber kein einziges Rennen gewonnen hat? Viñales fährt stark, aber er bezahlt den Preis dafür, wie auch Marc mit zwei Nullern.»
Hat Honda von den Titelkandidaten wie Yamaha (4 Siege) und Ducati (2 Siege) am meisten Mühe? «Nicht wirklich, denn wir haben ein Motorrad, das drei Rennen mit zwei verschiedenen Fahrern gewonnen hat. In einigen Bereichen ist sie besser, in anderen wieder weniger. Was soll's? Wir alle haben unsere Auf und Abs. Auch Yamaha hat sich etwas einfallen lassen müssen, obwohl man anfangs der Saison dachte, sie wären klar überlegen. In Assen funktionierte die Yamaha sehr gut, obwohl es ein abnormales Rennen war, denn die Rundenzeiten waren langsam. Um ihren neuen Rahmen zu bewerten, müssen wir erst abwarten, wie er auf anderen Strecke und bei anderen Wetterverhältnissen funktioniert.»
Rossi ist aber in Assen ein grandioses Rennen gefahren. Suppo: «Ich habe nie mit Vale zusammen gearbeitet, aber ich schätze ihn sehr. Er hat uns ein weiteres Mal überrascht. Er ist zum Beispiel in Assen im Warm-up, obwohl es zu regnen begann, nochmals rausgefahren, um etwas zu probieren. Und dann fuhr er in Assen ein verrücktes Rennen. Er hätte es wohl auch im Trockenen gewonnen. Seine letzten Runden war unglaublich. Hut ab!»
Jorge Lorenzo hingegen enttäuscht?
«Wenn ich ihn mit Dovizioso, Petrucci und Bautista vergleiche, ja. Aber du verpflichtest nicht einen Fahrer, wenn du denkst, er sei weniger gut als Dovizioso», betont Suppo.
Reden wir über die Márquez-Brüder. Alex hat sich entschlossen, bei Marc VDS in der Moto2 zu bleiben. Ging es bei diesem Deal auch darum, Marc bei Laune zu halten, damit er auch nach 2018 bei Repsol-Honda bleibt?
Suppo: «Wenn ich den Trend der letzten Jahre betrachte, würde ich sagen, dass wir uns schon bald mit Marc darüber unterhalten werden. Priorität hat Marc Márquez. Seinen Bruder Alex beobachten wir natürlich aufmerksam. Aber es gibt auch andere Fahrer – Franco Morbidelli. Wir müssen auch ihn in Betracht ziehen.»
Denn mit hoher Wahrscheinlichkeit muss Dani Pedrosa, der schon die zwölfte Saison bei Repsol-Honda absolviert, 2019 durch einen jüngeren Fahrer ersetzt werden. Zuerst sollte Stefan Bradl als Nachfolger aufgebaut werden, dann Jack Miller, beide lieferten die gewünschten Ergebnisse nicht.