Kevin Schwantz: «Suzuki-Team fehlt die Motivation»
Der 53-jährige Texaner Kevin Schwantz kam als Botschafter für die neue GSX-R 1000 zum Motorrad-GP von Deutschland. Aber er nahm für Suzuki auch das Ecstar-Team mit Andrea Iannone und Alex Rins unter die Lupe.
Und der Ex-Weltmeister sah überhaupt nichts Erfreuliches. Im Exklusiv-Interview mit SPEEDWEEK.com ließ Schwantz kein gutes Haar an der Teamleitung und an Andrea Iannone.
Kein Wunder: Andrea Iannone (28 Punkte) und der lange verletzte Alex Rins (7 Punkte) liegen in der WM bei Halbzeit an 16. und 22. Stelle. Iannone hat bei neun Rennen schon fünf Nuller fabriziert!
Dabei wollte Iannone, im Vorjahr GP-Sieger in Spielberg auf Ducati, die Performance von Maverick Viñales aus dem Vorjahr übertreffen. Der Spanier war Gesamtvierter in der WM.
Er hielt 2016 nach neun WM-Rennen bei 83 Punkten, Iannone hat es auf 28 gebracht.
«The Maniac» Iannone konnte in Barcelona nicht einmal Ersatzfahrer Sylvain Guintoli richtig in Schach halten. Als ihn der Franzose überholte, fuhr Iannone plötzlich 1,5 sec pro Runde schneller.
Jetzt wirft ihm bei Suzuki vorgeworfen, lustlos und planlos zu agieren.
Kein Wunder: Suzuki befindet sich mit der GSX-RR in der dritten Saison. Im Vorjahr gewann Viñales in Silverstone, Maverick eroberte 2016 drei weitere Podestplätze. Und die Japaner wollten 2017 konstant an der Spitze mitfahren. Und Rins wolte die Rookies-of-the-Year-Wertung gewonnen – aber Zarco und Folger haben zehnmal so viele Punkte wie er.
Suzuki-Ecstar-Teammanager Davide Brivio gibt Durchhalteparolen von sich und sieht positive Tendenzen, von denen jede Spur fehlt. Dafür spricht Kevin Schwantz Klartext.
Kevin, du hast beim GP von Deutschland mehrmals die Suzuki Ecstar-Box besucht und erwähnt, dass du nicht beindruckt warst von dem, was du dort gesehen hast. Was läuft schief? Welchen Eindruck hast du?
Ich kann nicht über sehr viele Einzelheiten sprechen, denn ich habe nicht allzu viel Zeit in der Box verbracht.
Aber so viel ich gesehen habe: Die Arbeitsethik, die Mentalität und der Fokus sind nicht vorhanden.
Alex Rins ist gerade von einer langwierigen Verletzung zurückgekommen. Er fährt, aber er muss das Fahren mit der MotoGP-Maschine noch erlernen. Er ist ein Rookie.
Andrea Iannone sollte mit seiner Erfahrung das Rückgrat des Teams bilden. Aber er ist einfach nicht vorhanden.
Suzuki hat merkwürdige Entscheidungen getroffen. Sie hatten zum Beispiel einen Vertrag mit dem zweifachen Moto2-Weltmeister Johann Zarco und lösten ihn auf, um Rins zu engagieren, der 2014 in der Moto3 und 2016 in der Moto2 jeweils am Titelgewinn gescheitert ist, weil er in der entscheidenden Phase stürzte.
Ja, ich glaube aber, wir müssen Alex eine faire Chance geben.
Der Stress im Team entsteht, weil es keine wirkliche Richtung gibt, weil die Führung fehlt und weil keine Marschrichtung existiert.
Hm, wenn man jemand mit etwas mehr Erfahrung engagiert hätte...
Vielleicht hätte man Aleix Espargaró behalten sollen. Dann hätten sie jemand gehabt, der weiß, wie die Pace letztes Jahr aussah, der das Motorrad von 2016 kannte.
Ich spreche kein Italienisch. Ich kann nicht beurteilen, was Andrea Iannone mit seinem Crew-Chief bespricht, den er von Ducati, oder wo immer er auch herkam, mitgebracht hat.
Ich sehe den Drive nicht, ich sehe die Motivation nicht, ich sehe die Intensität nicht.
Ich erlebte in der Box eine entspannte Gesinnung, ich beobachtete eine Einstellung nach dem Motto: «Ich kann nichts dagegen tun.»
Wenn die Dinge schlecht laufen, dann schuften die guten Jungs noch emsiger, noch härter. Sie machen nicht einen Schritt zurück und probieren nicht, es sich dann leicht zu machen.
Hast du die Suzuki GSX-RR auch auf der Strecke beobachtet?
Ich habe in erster Linie auf dem TV-Bildschirm zugeschaut. Ich habe die Unbeständigkeit gesehen. Eine Runde in 1:22,5 min, die nächste in 1:28 min, dann eine 1:22,7min-Runde. Man erlebt keine wirkliche Beständigkeit. Man fährt dauernd in die Box rein und raus.
Du kannst keine Anpassungen am Motorrad vornehmen, wenn du dauernd nur In- und Out-laps fährst. Du musst jedes Set-up für eine gewisse Anzahl von Runden ausprobieren und dieser Abstimmung eine echte Chance geben. Besonders wenn du dich sowieso bei der Marschrichtung verirrt hast.
Das Motorrad von Maverick und Aleix sah in der zweiten Saisonhälfte 2016 sehr konstant aus. Maverick fuhr beständig vorne mit, er gewann ein Rennen.
Bei den Wintertests war das Motorrad ebenfalls konkurrenzfähig. Bis zum ersten Rennen, wo Iannone an zweiter oder dritte Stelle lag, dann ist er hinten auf Márquez drauf gefahren. In Argentinien machte Iannone einen Frühstart, aber er hatte auch dort den Speed, um in den Top-Five mitzumischen.
Es sieht so aus, als hätte Iannone den Push, den Ansporn verloren, als sich Rins am Samstag in Texas verletzte.
In der MotoGP-Klasse geht es letztendlich darum, den Fahrer auf Platz 1 zu besiegen. Dass du deinen Teamkollegen in Schach hältst, sollte eine Selbstverständlichkeit sein. Aber das sollte eigentlich nicht deine Motivation und Inspiration sein.