Sachsenring-GP: Warum die Kosten aus dem Ruder laufen
Inzwischen sind fast vier Wochen seit dem Motorrad-GP von Deutschland auf dem Sachsenring verstrichen, der eine klare Zuschauereinbuße gegenüber 2016 einbrachte.
Die Sachsenring Rennstrecken Management GmbH als Veranstalter rechnet mit einem Verlust «im hohen sechsstelligen Bereich».
SRM-Geschäftsführer Wolfgang Streubel macht dafür gern die Terminverschiebung vom 16. auf den 2. Juli verantwortlich und das schlechte Wetter.
Aber damit macht er es sich etwas einfach.
Tatsache ist: Bezahlten im Vorjahr an drei Tagen noch 212.411 Zuschauer Eintritt, so wurden 2017 beim deutschen WM-Lauf an drei Tagen nur noch 164.801 Tickets verkauft. Ein stattlicher Rückgang um 47.610 Zuschauer. Es war das schlechteste Zuschauer-Ergebnis in diesem Jahrtausend.
Wer sich beim und nach dem Sachsenring-GP umhörte, wer sich die vielen Postings im Internet zu Gemüte führte, dem offenbarte sich ein recht klares Bild.
Die Zuschauer wenden sich vom Sachsenring ab, weil das Produkt nicht mehr stimmt, weil das Rahmenprogramm zu wünschen übrig lässt, weil in Assen, Brünn und Spielberg teilweise neue und starke Konkurrenz entstand. Teilweise wird die Parkplatzsituation bemängelt, es wird über unfreundliche Ordner auf den Tribünen Klage geführt, über rigorose Vorschriften bei der Getränkemitnahme und so weiter.
Vor allem aber wettern die Daheimgebliebenen, weil die Eintrittspreise gegenüber dem Vorjahr bei gleichbleibender Leistung um 30 Prozent angehoben wurden.
So ein Geschäftsmodell kann sich heute kein ernstzunehmendes Unternehmen leisten. Der finanzielle Schiffbruch war vorprogrammiert, die unerfreulichen Ticketverkaufszahlen kündigten sich schon Monate vorher an.
Die SRM Gmbh reagierte höchst ungeschickt mit einer Rabattaktion, die voll in die Hosen ging.
Herbst 2011: Die SRM GmbH sprang fröhlich ein
Zur Erinnerung: Der ADAC Sachsen stieg als GP-Promoter Ende 2011 aus, weil die Dorna ihre Gebühren vom anfänglichen Freundschaftspreis von 1,7 Mio Euro für 2012 auf 3 Millionen Euro erhöhte. Der ADAC Sachsen befürchtete einen Verlust von 650.000 Euro im Jahr 2012. Die SRM sprang trotzdem hurtig und fröhlich in die Bresche, und während Streubel jahrelang von einer schwarzen Null faselte, wuchsen die Verbindlichkeiten zügig auf 1,2 Millionen Euro.
Trotzdem wurde für 2017 und die vier Jahre danach eine weitere Gebührenerhöhung auf 4 Millionen hingenommen.
Dabei konnte sich jeder halbwegs aufgeweckte Schulanfänger an den fünf Fingern abzählen, dass der Grand Prix 2017 beim besten Willen nicht einmal annähernd kostendeckend abgewickelt werden kann.
Dabei hatten die in der SRM GmbH vertretenen Gemeinden bei ihrer GP-Übernahme sogar im Handstreich die 3-prozentige Ticketsteuer abgeschafft, die dem ADAC Sachsen jahrelang die gute Laune und das Geschäft verdorben hatte.
Nicht alle Motorradfans sind sich bewusst, dass es sich beim Sachsenring um keine permanente Rennstrecke handelt. Nicht zuletzt deshalb entstehen jedes Jahr beim Tribünenaufbau Kosten von fast 700.000 Euro.
Aber im Zusammenhang mit dieser GP-Strecke und dem deutschen WM-Lauf existieren noch viele weitere Ungereimtheiten, die alles andere als alltäglich sind.
Wir haben die unterschiedlichen beteiligten Parteien und die merkwürdigen Zustände in Sachsen unter die Lupe genommen.
Was ist die Aufgabe der SRM?
Sie wurde ursprünglich gegründet, um Fördermittel des Freistaats Sachsen für Streckenumbauarbeiten zu erhalten. Bis zur Übernahme des Grand Prix im Herbst 2011 existierte eigentlich keine wirkliche Geschäftstätigkeit.
Was machen die Firmen Pro Sachsenring GmbH und JF Motorsport von Jürgen Fritzsche?
Diese SRM-Vertragspartner koordinieren den Streckenaufbau nebst Tribünen, dazu sind sie verantwortlich für eine funktionierende Gesamtlogistik, hier bestehe Einsparungspotenzial, ist zu hören.
Man stellt sich die Frage: Könnten hier nicht einige Tätigkeiten von den Gemeinden übernommen werden? Mittlerweile werden einige Arbeiten bereits vom ADAC Sachsen erledigt, der in den vergangenen Jahren auch Investitionen in die Streckensicherheit durchgeführt hat (Bales an der Strecke statt Strohballen).
Was treibt der AMC Sachsenring?
Er ist für die sportliche Ausrichtung zuständig, er ist gut aufgestellt in der Zusammenarbeit mit dem ADAC, die Streckenposten erhalten pro Tag 20 Euro.
Welche Aufgabe erfüllt heute der ADAC Sachsen?
Der ADAC Sachsen vermietet an die SRM diverse kleinere Flächen an der Rennstrecke (im Umfang überschaubar) und den neuen Großparkplatz (ehemals Möbel Walther), der vom ADAC Sachsen ohne Fördermittel erstellt wurde, als dieser längst nicht mehr Grand Prix-Veranstalter war.
Welche Rolle spielt die ADAC-Zentrale in München?
Sie ist der Vertragspartner von Dorna Sports. Sie macht dann einen Vertrag mit der SRM GmbH zur Ausrichtung des GP auf dem Sachsenring.
Was treibt die Firma Polster Catering?
Sie war früher Caterer zum Grand Prix zu den Zeiten, als der ADAC Sachsen den Grand Prix organisierte, also bis inklusive 2011. Jetzt betreibt Polster Catering seit einigen Jahren den Campingplatz auf dem Ankerberg, der zuvor über Jahre hinweg von der PRO Sachsenring betrieben wurde.
Welche Rolle übt das Verkehrssicherheitszentrum Sachsenring aus?
Es betreibt den Sachsenring und vermietet die Strecke zu den Motorsportveranstaltungen an den jeweiligen Veranstalter: Beim Motorrad-Grand Prix zum Beispiel an die SRM, bei den Sachsenring Classics und bei den ADAC GT Masters an den ADAC Sachsen.
Warum stehen die Tribünen nicht das ganze Jahr? Kostet die Errichtung wirklich ca. 700.000 pro Jahr?
Da viele Flächen des Sachsenring-Geländes für Verkehrssicherheitstrainings genutzt werden, besteht nicht genug Platz für permanente Tribünen. Experten rechnen beim jährlichen Auf- und Abbau mit Kosten von ca. 15 Euro pro Platz. Wir gehen davon aus, dass die SRM 2017 ca. 40.000 Plätze anbot, also Kosten von 600.000 Euro wirksam wurden. Eine Tribüneninvestition würde sich nur rechnen, wenn es mehrere Veranstaltungen auf dem Sachsenring gäbe, bei denen viele Besucher zu Gast wären.
Wer bezahlt die Kosten für den neuen Asphaltbelag?
Die Kosten für den Asphalt wurden ursprünglich mit 3,5 Mio Euro beziffert. In Wirklichkeit war er offenbar nicht so teuer; Insider schätzen den Betrag auf maximal 2 Mio; den Großteil hat der Freistaat Sachsen bezahlt; den Rest teilten sich das Verkehrssicherheitszentrum und der ADAC Sachsen, die SRM beteiligte sich nicht an den Kosten.
Welche GP-Einnahmen kann die SRM GmbH für sich beanspruchen?
Die SRM erhält nur die Einnahmen aus den Ticketverkäufen, dazu einige Standflächen sowie Namensrechte für Tribünen wie zum Beispiel die KTM-Tribüne oder Suzuki-Tribüne. Dazu kommt noch ein namhafter Betrag für das Gesamt-Catering bei der GP-Veranstaltung, das dürfte schätzungsweise ca. 300.000 Euro einbringen.
Welche Gebühren und Einnahmen bleiben bei der Dorna?
Die Dorna kassiert die Gebühren für die GP-Austragungsrechte vom ADAC in München, also 4 Millionen, dazu kommen die Erlöse aus dem Programmverkauf, das Geld für die Namensrechte bei der Titel-Sponsorship von «GoPro». Dazu kommen die Beträge für die gesamte Streckenwerbung im TV-Bereich und das Geld der TV-Stationen weltweit für die TV-Übertragungsrechte.
Man muss also nicht Betriebswirtschaft studiert haben, um zu erkennen: Bei 4 Millionen Gebühren für die Dorna betreibt die SRM GmbH mit dem deutschen WM-Lauf einen grob fahrlässigen kaufmännischen Harakiri mit Anlauf.
Diese Behauptung bestreitet im Umfeld des Sachsenrings kein ernstzunehmender Geschäftsmann.
Aber: Trotz der finanziellen Verluste lohnt sich der Grand Prix für die Region Sachsen, da es einerseits um weltweite Tourismuswerbung geht und er anderseits natürlich Arbeitsplätze sichert, außerdem beträgt die Umwegrentabilität durch die Besucher (Flüge, Hotels, Leihwagen, Restaurants, Tankstellen, Campingplätze und so weiter) rund 20 Millionen Euro. So werden am GP-Wochenende mehrere Millionen an Umsatzsteuer erwirtschaftet.
Unbestritten ist, dass der Grand Prix auf dem Sachsenring eine Attraktion ist, er galt jahrelang als größtes Sportereignis Deutschlands.
Die Strukturen zwischen den Partnern SRM, ADAC Sachsen und AMC Sachsenring scheinen brauchbar zu funktionieren. Mit dem ADAC in München wird die Lage schon wieder einiges komplizierter.
Aber langfristig ist der Grand Prix in Sachsen nur tragbar, wenn sich die Verluste in Grenzen halten.
Dazu scheint aber die von Provinzpolitikern dominierte SRM nicht fähig zu sein. Das liegt teilweise an den erwähnten, komplizierten Gegebenheiten – und überwiegend an den mangelhaften Management-Kapazitäten von Streubel & Co.
Den Großteil der Ausgaben der SRM machen die Dorna-Gebühren aus. Man hat eigentlich nicht viele Möglichkeiten, Kosten zu sparen, wenn die Gebühren geschätzte 75 Prozent der Gesamtkosten ausmachen. Aber dieses Dilemma hat man sich selbst eingebrockt.
Die Konstellation, dass eine städtische GmbH als Veranstalter auftritt, ist im Grunde nicht ganz abwegig, da diese bei einer willigen Regierung Fördermittel für die Veranstaltungsausrichtung empfangen kann. Der ADAC als Autofahrerverband hätte diese Fördermittel nie erhalten.
Aber man muss befürchten, dass die SRM mit ihrer bisher nicht allzu segensreichen Tätigkeit den Grand Prix völlig ruiniert.
Jahrelang hörten wir von Streubel das Gesülze von der schwarzen Null. Aber plötzlich türmten sich bei der SRM GmbH Verbindlichkeiten in der Höhe von 1,2 Millionen Euro auf.
Wie bezeichnet man das, wenn ein Geschäftsführer so sparsam mit der Wahrheit umgeht? Ersparen wir uns die Antwort.
Warum sollen irgendwelche Geschäftsleute der SRM freundlich und freiwillig einen Anteil von ihrem Umsatz abliefern, wie die SRM hoffte, wenn dauernd vom «break even» die Rede ist, während in Wahrheit die Zahlungsunfähigkeit nicht himmelweit entfernt ist?
Man macht sich unglaubwürdig bei den Fans und Partnern, wenn man von einer schwarzen Null spricht und im selben Atemzug die Preise massiv erhöht.
Wie gesagt: Viele Besucher berichten, es hätten in den vergangenen Jahren keine nennenswerten Qualitätserhöhungen für die Fans stattgefunden. Jegliche Preiserhöhung wurde mit Erhöhungen der Lizenzgebühr begründet.
Was man der SRM ganz klar vorwerfen muss: Mit dem Beginn des Vorverkaufs hat sich abgezeichnet, dass 2017 aufgrund der Preiserhöhung ca. 10 bis 15 Prozent weniger Besucher kommen werden. Im Regelfall brechen in so einer Situation eher die Verkäufe für die teureren Tickets, sprich Tribünentickets, ein.
Aber jeder langjährige Besucher bekam den Eindruck, dass die SRM die Anzahl der Tribünenplätze im Vergleich zum Vorjahr unverändert liess.
Vielleicht hätte man hier einfach mal 7500 Plätze weniger aufbauen sollen. 7500 Euro mal 15, das hätte 112.500 Euro Einsparung bewirkt.
Jeder kaufmännische Dilettant hätte vorgerechnet: Mit einer künstlichen Verknappung der Tribünenplätze hätte man die Nachfrage ankurbeln können. Es hätte sich zum Beispiel empfohlen, in der Sachsenkurve einfach bequem zwei Tribünen wegzulassen.
Ja, bei den Tribünen hört man oft die Begründung, dies gehe nicht, da die Sitze in das System für den Ticketvorverkauf im November des Vorjahres eingepflegt werden müssen.
Aber erstens leben wir im Zeitalter des Internets. Also sollte man rasch reagieren können.
Und zweitens hätte man in Absprache mit der Firma Tribünen Bender nur bestimmte Blöcke freischalten können, um die Tribünen kleiner bauen zu können. Für die Sachsenkurve würde sich eine weitere Variante anbieten: Es wird eine Tribüne nach Abverkauf aufgebaut – mit freier Sitzplatzwahl.
Aber angesichts der 4-Millionen Dorna-Gebühr geht es hier sowieso nur um Peanuts.
Denn der Karren steckt einfach zu tief im Dreck.
Innerhalb der SRM sind Unstimmigkeiten zu spüren. So muss Streubel das umsetzen, was die Politiker (also die Gesellschafter der SRM) vorgeben. Hier fehlt oftmals das betriebswirtschaftliche Wissen, das erkennt man von weitem. Da wirkt in meinen Augen einiges nicht durchdacht.
Pohlers und Pieper wird mangelhafte Erfahrung vorgeworfen und nachgesagt, sie hätten oft Meinungsverschiedenheiten mit Fritzsche. Fritzsche soll nun auch noch Probleme mit dem Förderverein Sachsenring haben, der die Helfer zum Grand Prix organisiert. Dort ist er als Mitglied des Vorstands sehr umstritten. Als Vereinsvorsitzende agiert seit 2017 Grit Adling, die früher bei der Pro Sachsenring angestellt war. Das ehemalige Mitglied des Vorstands des Fördervereines Sachsenrings, Rudi Stößel, wurde 2017 wegen seiner Stasi-Vergangenheit nicht wiedergewählt.
An der finanziellen Misere der SRM sind weder die untreu gewordenen Besucher schuld, noch die kritischen Journalisten, die sich nicht aufs willfährige Speichellecken konzentrieren.
Auffallend: Bei der SRM sind dauernd zu viel Leidenschaft und Emotion im Spiel, das geht auf Kosten des nüchternen Kalküls.
Fürs Rechnen braucht man aber einen kühlen Kopf.