MotoGP-Winglets: Vorschriften werden wieder geändert
Das Reglement für die sogenannten «Downforce-Verkleidungen» in der MotoGP-WM ist so komplex und undurchschaubar, dass offenbar sogar die pfiffigen Ingenieure bei den Werken manchmal den Durchblick verlieren.
Die außenliegenden Winglets wurden bekanntlich Ende 2016 verboten. Seit einem Jahr werden jetzt pausenlos neue Versionen der «internal winglets» eingesetzt, die unter der Verschalung verborgen sind. Dem Erfindungsreichtum der Aerodynamiker sind keine Grenzen gesetzt.
Aber Yamaha kreuzte zum Beispiel beim Valencia-Test mit einer Aero-Kombination auf, die als illegal eingestuft wurde.
Auch die in Sepang hergezeigte Yamaha-Variante wirkt auf den Laien wie ein externes Flügelsystem…
Zuerst einmal: Technical Director Dany Aldridge spricht nicht von einer Verkleidung, sondern von einem «Aero Body» oder «Aero Package», und dieses Paket umfasst die Verkleidung (sie besteht normal aus drei Teilen) sowie den vorderen Kotflügel.
Vor einem Jahr wirkte die Yamaha-Verkleidung wie aus einem Guss gemacht. Es sah so aus, als könne man die Teile, die die Winglets verbargen, nicht einfach demontieren.
Aldridge: «Wenn ein Werk den Winglets-Bereich aus einem Stück fertigt, können sie nichts abmontieren. Wenn das Karbonfiber aus einem Stück besteht, dann dürften die Teams keine Gelenke anbringen, um einige Teile abschrauben zu können. Auch wenn sich an der äußeren Form nichts ändert. Dasselbe gilt, wenn ein Werk ein Teil zuerst fix befestigt und dann versucht, etwas zu ändern, damit es auch angeschraubt werden kann. Vor dem Saisonstart in Katar müssen die Fakten auf den Tisch gelegt werden. Wir müssen wissen: Welche Teile sind abnehmbar oder entfernbar, welche nicht.»
Danny Aldridge darf als Gesetzeshüter nur die äußere Form der Aerodynamik mit Ausnahme der Windschutzscheibe kontrollieren.
«Ich darf als Technical Director die Lufteinlässe und Löcher nicht kontrollieren. Du müsstest jede Verkleidung fotografieren und dann alle Löcher mit einem schwarzen Filzstift überpinseln. Danach schauen die Verschalungen schon viel weniger radikal aus. Das ist ein Blickwinkel, den man sich zu Herzen nehmen muss», sagt der Engländer.
Die Materie ist extrem unübersichtlich und kompliziert geworden. Deshalb verlangt Red Bull KTM-Teammanager Mike Leitner für 2019 eine Eindämmung der Auswüchse.
SPEEDWEEK.com hat sich mit MotoGP Technical Director Danny Aldridge über die Problematik unterhalten.
Danny, viele Fans waren erleichtert, als die hässlichen Winglets nach der Saison 2016 verbannt wurden. Aber die Ingenieure der Werke haben euch ausgetrickst und die Flügel an die Innenseite der Verkleidungen verlegt. Die Situation eskaliert. Wie kriegt man den Geist wieder in die Flasche?
Am Reglement für 2018 ist nicht mehr zu rütteln. Aber wir denken über Vorschläge für 2019 nach.
Wir möchten diese Vorschläge an das Hersteller-Bündnis MSMA übermitteln und dann mit den Werken eine Diskussion führen, um hoffentlich eine neue Lösung für 2019 zu finden.
Ich stimme völlig zu: Das Konzept, das wir uns vorgestellt haben, hat nicht funktioniert. Der Krieg wird fortgesetzt. Das gefällt uns nicht.
Einige Vertreter der Hersteller haben uns kontaktiert und Änderungen gefordert, auch Mike Leitner.
Jetzt denken wir nach.
Aber es wird keine einfache Lösung geben. Das «Aero Package» ist Bestandteil des Motorrads. Klar, es spielt keine so wichtige Rolle wie bei den Rennautos. Trotzdem ist es ein wichtiger Bestandteil der Entwicklung. Wir müssen also einen gewissen Abtrieb (downforce) erlauben.
Aber wir müssen die Parameter genauer definieren. Wir möchten die maximale Größe, die maximale Breite und Höhe festlegen und so weiter.
Wir haben für 2019 bestimmte Dimensionen vorgeschlagen, in deren Rahmen sich die Werke bewegen müssen. Es wird deutlich stärkere Restriktionen geben.
Es muss darüber diskutiert werden, wie weit wir gehen können.
Die Kosten für die Aerodynamik steigen, obwohl Márquez 2017 ohne die «internal winglets» Weltmeister geworden ist, Dovizioso hat sie auch nicht gebraucht. Niemand weiß, ob sie wirklich die Rundenzeit senken.
Ja, richtig. Es hängt von den Präferenzen der Fahrer ab. Bei Ducati liebt Lorenzo die neuen Verkleidungen, Dovi hat sie kaum benutzt. Bei Honda war 2017 nicht viel davon zu sehen.
Rossi bezeichnete diese Verkleidungen als hässlich. Gewöhnungsbedürftig sind sie auf jeden Fall.
Für uns geht es in erster Linie um die Sicherheit. Das haben wir unter Kontrolle. Die internen Winglets sind ungefährlicher.
Wir müssen aber auch die Entwicklungskosten in Betracht ziehen.
KTM hat richtigerweise zu bedenken gegeben, dass jeder Hersteller nachziehen muss, wenn einer mit dieser Aerodynamik anfängt.
Selbst wenn es in der Realität nicht viel bringt, in den Köpfen mancher Fahrer spukt das herum. Sie bilden sich ein, ohne die neueste Aerodynamik könne man nicht vorne mitfahren.
Zarco und Folger waren 2017 oft schneller als das Werksteam, obwohl sie das neue Aero-Package erst im Laufe der Saison bekamen. 2018 wird jeder Fahrer wieder ein Aero-Upgrade machen können?
Ja, in diesem Jahr kann jeder Fahrer zwei Verkleidungen homologieren lassen. In der Regel beginnen die Teams mit einer Version und bringen dann im Laufe der Saison ein Upgrade.
Letztes Jahr haben wir den Teams auch erlaubt, ihre 2016-Verkleidungen in die Saison mitzunehmen. Technisch gesehen waren also im Vorjahr drei Aero-Pakete gestattet. Das waren die 2016-Versionen, dann das Paket vom Saisonstart 2017 und später ein Upgrade.
In diesem Jahr darf man keine Vorjahres-Version mehr mitbringen.
Es wird also im März beim Katar-GP bis Donnerstag 17 Uhr die erste Version homologiert, jeder Fahrer kann seine eigene Aerodynamik deponieren. Und dann wird ein Upgrade während der Saison erlaubt.
KTM durfte als Neueinsteiger 2017 x-beliebig viele Updates einsetzen. Dieses Privileg ist vorbei?
Ja, für die gesamte Weltmeisterschaft gelten in diesem Bereich jetzt identische Vorschriften. KTM bekommt keine Vorzugsbehandlung mehr.
Was wir jetzt beobachten: Das Design der unterschiedlichen Hersteller gleicht sich an, die Aerodynamik wird vom Design her ähnlicher. Die «side pods» der Ducati werden nachgeahmt.
Bisher sind im Straßenverkehr keine Flügel-Motorräder zu sehen.
Aprilia will die Winglets künftig in der Superbike-WM einsetzen. Deshalb bauen sie die Flügel oder «side pods» vom Vorjahr bald bei den Production-Bikes ein, habe ich gehört.
Das Publikum kann diese neuen Entwicklungen sehen, das halte ich für positiv. Vom Motor sehen sie ja nichts.
Die Zuschauer haben aber auch beobachtet, dass Márquez und Dovizioso das Zeug nicht brauchten.
Ja, und das ist auch in Ordnung.
Die Aero-Packages bewähren sich nicht auf jeder Rennstrecke. Deshalb werden sie auf manchen Pisten wieder abgebaut.
Für 2019 werden wir das Thema auf die Tagesordnung bringen.
Ganz sicher.