Poncharal: «Ich glaube an das Potenzial von KTM»
Hervé Poncharal sieht die künftige Zusammenarbeit mit KTM positiv
Fünf Rennen vor Saisonende rangiert Yamaha-Tech3 auf Platz 7 in der Teamwertung, die Fahrer Johann Zarco und Hafizh Syahrin belegen die Ränge 8 und 18 in der Fahrer-WM. Nach dem vierten Meisterschaftsrang der vergangenen Saison ist dieser aktuelle Stand für Teamchef Hervé Poncharal eine Enttäuschung.
«Ich würde lügen, wenn ich sagen würde, dass diese Ergebnisse unseren Erwartungen entsprechen», sagte Poncharal im Interview mit motogp.com. «Die Saison 2017 war außergewöhnlich, aber die offiziellen Tests und der Jahresbeginn waren ebenso vielversprechend. In Katar sind wir von der Pole gestartet und führten die meiste Zeit das Rennen an. In Argentinien wurden wir dann Zweiter; Johann stand in Jerez wieder auf dem Podium.»
Bis zum Grand Prix von Frankreich am 20. Mai hätten er und sein Team «auf einer Wolke geschwebt», erzählte Poncharal. «Wir waren Zweiter in der Meisterschaft knapp hinter Marc Márquez», meinte Poncharal und betonte, Zarco wäre sicher in der Lage gewesen, noch öfter auf einen Podiumsplatz zu fahren. «Er war aber ein wenig überwältigt von dem Druck, der mit seinem Status als Nummer 1-Franzose verbunden war. Hafizh war eindeutig der beste Rookie, aber seit seinem Crash in Montmeló hat er Probleme. Es klemmt also auf beiden Seiten etwas.»
Im Gegensatz zu Saisonbeginn würde momentan der Frust überwiegen, gab der Franzose zu. «Wir sind überhaupt nicht zufrieden... Diese Höhen und Tiefen sind Teil des Rennsports. Wir müssen es akzeptieren und versuchen zu verstehen, wieso das so ist und uns so schnell wie möglich erholen.»
Als Hauptproblem sieht Poncharal die mangelnde Konkurrenzfähigkeit der Yamaha YZR-M1. Wo die Probleme liegen, ist aber auch ihm ein Rätsel. «Die Yamaha war zu Beginn der Saison vielleicht nicht das beste Motorrad, aber es war trotzdem gut. Wir haben in Katar, Argentinien und Le Mans ausgezeichnete Ergebnisse erzielt... Und dann waren Valentino und Maverick, deren Bikes weiterentwickelt werden, weiter gut dabei. Auf dem Sachsenring standen beide mit Marc noch auf dem Podium!»
In Aragón seien die japanischen Bikes jedoch nur hinterhergefahren, klagte Poncharal. «Am vergangenen Wochenende landete die beste M1 hinter Honda, Ducati, Suzuki und auch hinter der Aprilia von Aleix Espargaro. Über Nacht können wir nichts tun, und ehrlich gesagt, kann ich es auch nicht erklären...»
Bei fünf Rennen wird das Team noch mit Yamaha-Motorrädern starten, in der nächsten Saison werden die österreichischen Bikes von KTM in den Garagen stehen. Poncharal erklärt, wieso er sich für einen Wechsel der Hersteller entschieden hat.
«Zu dem Zeitpunkt, als ich meine Entscheidung traf, gab es nicht dieses ‚Unwohlsein?, das es jetzt bei Yamaha gibt. Tatsächlich waren wir gerade erst an einem Punkt angekommen, an dem wir neue Abenteuer suchten, und Tatsache ist, dass ein Hersteller (KTM) zu uns kam, um uns zwei Maschinen anzubieten, die mit denen des Werksteams identisch sind! Das ist umso spannender, als diese Marke erst vor zwei Jahren eingestiegen ist», sagte er. «Kurz gesagt, es war eine unglaublich attraktive Gelegenheit, sowohl in sportlicher als auch in menschlicher Hinsicht.»
Natürlich sei auch der wirtschaftliche Faktor ein weiterer Grund für den Wechsel gewesen, gestand der Teambesitzer. «Ich bleibe auch ein Geschäftsmann, der die Zukunft seines Unternehmens sicherstellen muss. Hier wurde uns ein Dreijahresvertrag mit KTM und Red Bull angeboten. Der hat wirklich alle Kriterien erfüllt. Wir hatten in den letzten 20 Jahren wunderbare Zeiten mit Yamaha und werden bis zur letzten Runde des Valencia-GP kämpfen. Danach beginnt ein neues Kapitel.»
In der Weltmeisterschaftswertung 2018 liegt das KTM-Werksteam aktuell zwei Ränge hinter Tech3, Poncharal geht aber davon aus, dass die RC16-Bikes bis zur kommenden Saison noch einen Schritt nach vorne machen. «Sie arbeiten hart, aber sie hatten auch einige Probleme, ohne die sie stärker sein könnten», betont Poncharal. «Pol hat sich nach seinem Sturz in Sepang nie wieder 100-prozentig erholt. Dann haben sie Mika Kallio verloren, der für die Entwicklung sehr wichtig war. Also lag die ganze Last auf Bradleys Schultern und es ist nicht unbedingt einfach, mit jemand für die Zukunft zu arbeiten, der nicht Teil dieser Zukunft sein wird. Auf jeden Fall vertraue ich KTM vollkommen.»
«KTM hat auch Fahrer, die in der Lage sind, zu gewinnen und Weltmeister zu werden, sei es Bezzecchi, Binder oder Oliveira. In der MotoGP-Klasse noch nicht, aber ich mache mir keine Sorgen. Ich glaube an ihr Potenzial und auch an ihre Entschlossenheit. Ich sage nicht, dass ich sie nicht lieber jedes Wochenende auf dem Podium gesehen hätte... Und uns auch, aber ich zweifle nicht im geringsten an ihrer Fähigkeit, ein Motorrad zu bauen, das sich weiterentwickelt und bald an der Spitze fahren wird.»