Was Champions ausmacht: Rossi, Márquez & Quartararo?
Der achtfache Champion Marc Márquez beobachtet den neunfachen Weltmeister Valentino Rossi
Ein Hoch auf den König. Es ist klar, wen ich damit meine: Marc Márquez hat seine Herrschaft mit seinem achten WM-Titel untermauert. Seine «Eight-Ball»-Feierlichkeiten fielen mit einer Umfrage in der britischen «Motor Cycle News» zusammen: Welcher der zwei modernen Kandidaten war der Größte aller Zeiten – Valentino Rossi oder Marc Márquez?
Die Ergebnisse sahen Rossi knapp vorne – und ich habe das Gefühl, dass es in den meisten Ländern genauso ausfallen würde. Der 40-Jährige hat sein Mindesthaltbarkeitsdatum wohl schon überschritten (seinen Fans wird das nicht gefallen, aber er ist kein Seriensieger mehr), aber er kann immer noch auf loyalen und unerschütterlichen Support zählen.
Was das betrifft, muss Márquez erst noch dasselbe Level erreichen. Der 26-jährige Honda-Star mag weniger nett wirken (Ansichtssache, was am Ende wenig zählt). Aber er ist auf jeden Fall auf dem besten Weg dahin, alle erdenklichen Rekorde zu knacken – und kein Ende ist in Sicht.
Marc ist anders als Valentino, aber nicht weniger beeindruckend. Es gibt viele Unterschiede – unter anderem ist Valentino ein gekonnter Showman. Es war Rossi, der einst die arrangierten Späße und Theater auf der Auslaufrunde in die Weltmeisterschaft gebracht hat. Er muss sich also für viel verantworten – auch wenn für ihn spricht, dass er die ganzen Gags sein ließ, noch bevor er mit dem Siegen aufhörte. Márquez und sein «Eight-Ball» waren auch nicht wirklich einfallsreich, aber ich gehe davon aus, dass er und seine Leute wohl der Meinung waren, dass sie etwas machen mussten.
Die Popularität eines Sportlers zu steigern hat natürlich viel damit zu tun, eine profitable Marke daraus zu machen. Das Siegen ist dafür zwar eine Voraussetzung, aber es braucht vor allem ein kommerzielles Unternehmen dahinter, um es zu Geld zu machen. Darin sucht Rossi seinesgleichen.
Die Größe eines Rennfahrers zu messen, ist allerdings um einiges schwieriger – aber es fällt einem dann doch leicht, eines anzuerkennen: Der Fortschritt von Márquez auf dem Weg zu seinem achten WM-Titel war in dieser Saison einfach beeindruckend. Er war schon vorher umwerfend schnell und ungemein konkurrenzfähig. Dazu kam in diesem Jahr aber die Reife eines 26-Jährigen, der in der Lage war, seinen natürlichen Instinkt zu zügeln und nicht um jeden Preis gewinnen zu wollen.
Dazu kommt: Die Honda RC213V ist in diesem Jahr ganz sicher nicht einfach zu fahren. Der leistungsstärkere Motor, der es mit Ducati aufnehmen soll, brachte Problemen mit dem Handling und dem Feeling für die Front mit sich.
Marc hat 2019 oft davon gesprochen, dass es auf Strecken, die den Stärken von Honda nicht entgegenkamen, darum ging, ein starkes zählbares Ergebnis einzufahren – anstatt es zu übertreiben. Auf diese Weise beendete er – mit Ausnahme von Austin – alle bisherigen 18 Grand Prix der Saison in den Top-2. Elf Mal stand er ganz oben. Einfach großartig.
Tatsächlich gilt das für alles, was er seit seiner 125er-Zeit leistet. Es war damals schon bemerkenswert und ist es jetzt noch viel mehr, zehn Jahre später. Er war immer schon erbarmungslos, auch als er noch wie ein Schulbub aussah.
Er war auch immer schön höflich, vielleicht zu höflich. Als Valentino auf Angriff ging, hat er den Köder nicht geschluckt. Vielleicht wird er deshalb als falsch angesehen. Aber seine Art, die Gegner nervös zu machen, ist anders. Márquez macht es mit seiner Performance auf der Strecke, indem er Rückschläge ignoriert, Verletzungen abschüttelt und alle Herausforderer überholt. Komme, was wolle. Auch wenn er gelegentlich einem spitzen Kommentar nicht abgeneigt ist, wie etwa «Quartararo fährt die Yamaha auf eine gute Weise» – natürlich im Gegensatz zu Valentino...
Wenn ich an die Champions, die ich in mehr als drei Jahrzehnten recht gut kennengelernt habe, zurückdenke, fallen mir eine große Vielfalt an unterschiedlichen Persönlichkeiten ein: Eddie Lawson – distanziert und in sich geschlossen; Freddie Spencer – nicht von dieser Welt; Wayne Gardner – aggressiv und entschlossen; Wayne Rainey – bedächtig und entschlossen. Kevin Schwantz – verwegen aber verwundbar; Mick Doohan – glühende Intensität; Alex Criville – von Selbstzweifeln eingenommen; Kenny Roberts Jr. – der unbändige Glaube an sich selbst; Jorge Lorenzo – das unermüdliche Streben nach Perfektion; Nicky Hayden – fast schon zu nett; Casey Stoner – ein eigenwilliges Genie…
Die Liste beinhaltet keinen Rossi und keinen Márquez – nicht weil sie spezieller sind, auch wenn sie es auf gewissen Weise natürlich schon sind.
Alle Champions – ganz unabhängig von ihren Charakterzügen – haben aber etwas gemeinsam, was über Talent und Support auf höchstem Niveau hinaus geht, auch wenn beides unverzichtbar ist.
Es ist die absolute Entschlossenheit – auf einem Level, das eigentlich schon fast Angst macht, egal ob es hinter einer charmanten Fassade verborgen oder ganz offen zur Schau gestellt wird.
Hier kommt der Neuling Fabio Quartararo ins Spiel. Er ist jugendlich und humorvoll und scheint sein Talent herunterzuspielen. Kratzt man aber an der Oberfläche, stößt man auf etwas Mörderisches.
In der Superbike-WM hat Jonathan Rea bewiesen, dass man kein Spanier sein muss, um ein Weltmeister zu sein. Vielleicht schafft das Quartararo auch in einem oder in zwei Jahren. In dieser Saison hat Márquez aber noch gezeigt, dass es sicher hilfreich ist.