Dall’Igna (Ducati): «Wünsche Dovi Titel von Herzen»
Gigi Dall’Igna
Seit dem triumphalen Jahr 2007 mit Casey Stoner wartet Ducati auf den zweiten MotoGP-Titel. In Abwesenheit von Marc Márquez, der sich in den vergangenen sieben Jahren zum sechsfachen Champion kürte, wittern viele ihre große Chance. Ausgerechnet Andrea Dovizioso, zuletzt dreimal in Folge Vizeweltmeister, strauchelte bisher aber mit dem neuen Michelin-Hinterreifen. Zudem setzte er schon in Spielberg den zähen Verhandlungen mit Ducati ein Ende: Nach acht gemeinsamen Jahren und bisher 14 GP-Siegen auf der Desmosedici wird der 34-Jährige den italienischen Hersteller am Ende der Saison verlassen.
Trotz eines mageren siebten Platzes übernahm «Dovi» am Sonntag aber die WM-Führung. Ducati jubelte allerdings vor allem über den zweiten Platz von Pramac-Fahrer Francesco «Pecco» Bagnaia, der beim Comeback nach dem Schienbeinbruch mit seinem ersten MotoGP-Podium überzeugte. Damit machte der 23-jährige Italiener einen Schritt dahin, ab 2021 den Platz von Dovizioso im Werksteam aus Borgo Panigale einzunehmen. Endgültig setzte er sich aber noch nicht gegen Johann Zarco durch, betonte Ducati-Renndirektor Gigi Dall’Igna im Interview.
Gigi, Andrea Dovizioso hat die WM-Führung übernommen, aber Pecco Bagnaia war beim San Marino-GP der Ducati-Pilot, der sich stark präsentiert hat. Wie lautet deine Einschätzung?
Ich sehe das Glas lieber halb voll und bin glücklich über das Rennen von Pecco. Er hat ein außergewöhnliches Rennen gezeigt, auch und vor allem weil er nach einem Monat Pause aufgrund einer nicht unbedeutenden Verletzung auf Höhe des Knies gerade erst zurückgekehrt ist. Meiner Meinung nach war es fast eine Meisterleistung, die von Reife zeugt: Er hat am Freitag in Ruhe begonnen, sich am Samstag gesteigert und es am Sonntag geschafft, so ein Rennen zu machen. Ich habe ihm gratuliert, ich hatte das nicht erwartet.
Und Dovizioso?
Wir führen die WM an. Es stimmt schon, dass Dovizioso etwas mehr Mühe hatte, aber wir hatten den Test und konnten die Daten eines Fahrers analysieren, der mit der Ducati schnell war, um das Motorrad und die Fahrweise zu verbessern. Es ist offensichtlich eine Kombination aus beidem.
Es freut mich besonders, die Fahrer-WM anzuführen. Ich glaube, dass es etwas Wichtiges ist, das uns dazu bringen muss, die richtige Motivation zu finden, um in der Box das Zusammenspiel zu erreichen, mit dem wir das Maximum nach Hause bringen können.
Apropos Arbeitsklima in der Box, wie sieht es damit nach dem angekündigten Abschied von Dovizioso aus?
Wie wir schon mehrmals betont haben, ich möchte nicht viel darüber sagen. Es gab sicherlich Missverständnisse zwischen uns, aber wir sind auch beide Profis, die wissen, dass sie ein wichtiges Ziel verfolgen, das jetzt vielleicht mehr in Reichweite ist als viele anderen Male zuvor. Deshalb müssen wir diesen letzten Abschnitt des Jahres gemeinsam angehen, mit maximaler Zusammenarbeit und Synergie.
Falls Dovizioso den WM-Titel holen würde, wäre es schlimm zu sehen, wie er mit der lang ersehnten Nummer 1 davonmarschiert?
Ich wünsche ihm von Herzen zu gewinnen und so zu gehen. Ich hoffe, dass ich ihm helfen kann, dieses Ziel zu erreichen.
Es ist eine merkwürdige WM-Saison: Dovizioso führt nach sechs Rennen mit nur 76 Punkten, das gab es in den vergangenen 20 Jahren nicht. Tat die Abwesenheit von Marc Márquez der MotoGP-WM gut oder nicht?
Es wäre fast schon unsportlich zu sagen, dass es gut war, weil wir sicherlich von der Referenz in der Weltmeisterschaft sprechen. Ich muss trotzdem sagen, dass die Rennen schön und spektakulär sind, viele unterschiedliche Marken kämpfen um den Sieg und viele Fahrer können bedeutende Ergebnisse einfahren: Das ist für alle Hersteller und die WM sicher gut. Aber ehrlich gesagt, Márquez nicht zu sehen und damit gewisse athletische Leistungen, zu denen nur er im Stande war, tut mir – aus der Sicht eines Motorsportfans – leid.
Die Jungen prägen diese WM mit bisher vier Premierensiegern – und diese Richtung hat auch Ducati für die Zukunft eingeschlagen. Woher kommt dieser Wandel?
Der neue Hinterreifen von Michelin passt sicher viel besser zu Piloten, die gerade erst in der Moto2 gefahren sind, weil der erforderliche Fahrstil ähnlich ist. Daher haben Fahrer, deren Moto2-Erfahrung nicht weit zurückliegt, einen Vorteil.
Wenn wir von der nahen Zukunft reden, dann trifft deine Beschreibung von Pecco eigentlich auf einen Werksfahrer zu…
(Er lacht.) Sicher ist, dass er ein wichtiges Rennen gemacht hat, das in diese Richtung geht. Wir möchten noch zwei Rennen abwarten, bevor wir entscheiden, weil es uns für beide Fahrer richtig erscheint. So wie es uns richtig erschien, nach dem sehr guten Rennen im zweiten Jerez-GP, das nur ein Problem auf unserer Seite zunichte gemacht hat, auf Pecco zu warten. Wir wollen alles bestmöglich abwägen. Er hat sicher einen Schritt in die richtige Richtung gemacht, aber wir werden bis nach dem Grand Prix von Barcelona warten, um eine Entscheidung zu treffen.