MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Stefan Bradl über Fausto Gresini: «Bin schockiert»

Von Günther Wiesinger
Stefan Bradl fuhr eineinhalb Jahre lang im Aprilia Racing Team Gresini und lernte den Teamchef gut kennen und schätzen. Bradl: «Faustos Rennsport-Leidenschaft war deutlich spürbar.»

Stefan Bradl hat von Indianpolis 2015 bis zum Valencia-GP 2016 eineinhalb Jahre im Aprilia Racing Team Gresini als Teamkollege von Álvaro Bautista verbracht und sich in dieser Zeit die Anerkennung des heute verstorbenen zweifachen 125-ccm-Weltmeisters verdient. Bradl eroberte allein 2016 sieben Top-Ten-Ergebnisse mit der damals nicht sonderlich konkurrenzfähigen neuen RS-GP 16.

Bradl hatte die erste Saisonhälfte 2015 im Forward-Yamaha-Team in der Open Class verbracht, doch der mehrlichtige Teambesitzer Cuzari wurde damals am Tag nach dem Sachsenring-GP verhaftet und für vier Wochen in Untersuchungshaft gesteckt. Die Zukunft des Teams war ungewiss, die Finanzierung der restlichen Saison nicht gesichert, Forward blieb damals die meisten Rechnungen schuldig.

Deshalb kam Bradl in der dreiwöchigen Sommerpause mit Aprilia ins Gespräch. Aprilia-Rennchef Romano Albesiano hatte schon beim Deutschland-GP mit ihm verhandelt, zum zweiten Mal nach dem Sommer 2014. Albesiano hatte sich im Juli 2015 von Marco Melandri getrennt und beim Sachsenring-GP Notnagel Michael Laverty eingesetzt.

Nach der Verhaftung von Giovanni Cuzari bemühte sich Bradl um die Freigabe bei Forward und unterschrieb dann eilig bei Gresini, den Großteil der Verhandlungen führte zwar Aprilia. Aber Gresini musste seinen Segen geben und den Vertrag unterschreiben, denn ihm gehörten die beiden Teamplätze bei der Dorna.

Als Bradl dann beim zweiten freien Indy-Training schon schneller war als Bautista und frische, vielversprechende Set-up-Ideen einbrachte, wurde Sam Lowes MotoGP-Aprilia-Werksvertrag von 2016 auf 2017 geändert, und Bradl durfte sich schon beim zweiten Aprilia-Einsatz in Brünn als Stammfahrer für 2016 fühlen.

«Ich habe Fausto Gresini vor meiner Aprilia-Zeit nicht wirklich gut gekannt», hält Stefan Bradl fest. «Es gab ja in meinen drei LCR-Honda-Jahren bei Lucio Cecchinello eine starke Rivalität zu Gresini Honda, denn jeder Teamchef wollte das beste HRC-Kundenteam haben. Es gab einen gesunden Konkurrenzkampf. Ich habe Fausto erst bei Aprilia besser kennengelernt. Es gab aber immer eine leichte Sprachbarriere, denn sein Englisch war verbesserungsfähig. Im Aprilia-Team habe ich ihn dann erst näher kennengelernt. Als das Eis gebrochen war, ist das Verhältnis wirklich locker und gut gewesen. Man hat auch rasch gemerkt, mit welcher Leidenschaft und Begeisterung er seine Aufgabe erfüllt hat. Er hat den Rennsport geliebt und gelebt.»

Gresini ging auch manchmal in den Trainings raus an die Strecke und übte die Rolle eines Riding Coaches aus, wenn es seine Zeit zuließ.

«Fausto war als Person etwas zurückhaltend und fast schüchtern, da spielte die Sprachbarriere sicher mit. Aber seine Technik-Mannschaft mit meinen Crew-Chief Diego Gubellini, der jetzt seit zwei Jahren bei Fabio Quartararo ist, das waren richtige gute Leute, Ich habe mich im Gresini-Team wirklich wohl gefühlt», blickt Bradl zurück.

Das Verhältnis und die Gesprächsbasis zwischen Bradl und Gresini blieb auch aufrecht, als Bradl nach 2016 zu Honda wechselte.

Bradl: «Ich bin immer mit dem Roller stehen geblieben oder habe zu Fuß angehalten, wenn ich ihn im Fahrerlager getroffen habe. Wir haben uns immer wieder unterhalten. Ich habe ihm ‘Servus' gesagt und mich mit ihm ausgetauscht. Zum letzten Mal haben wir uns in Valencia unterhalten.»

«Ich habe die Nachrichten über Fausto nach seiner Corona-Infektion intensiv verfolgt und war erleichtert, als kürzlich erste positive Signale aus der Klinik kamen», sagt Stefan Bradl. «Aber in der letzten Woche war ich wieder schockiert. Ich habe mich gewundert, warum plötzlich so ein starker Rückschlag gemeldet wurde. Das Virus muss ihn extrem angegriffen haben. Das ist schon krass. Mir ist nicht bekannt, das er Vorerkrankungen gehabt hat. Deshalb war sein Tod wirklich ein Schock.»

Gresini starb mit 60 Jahren. Stefans Papa Helmut, selbst fünffacher 250-ccm-GP-Sieger und Vizeweltmeistrer 1991, feiert am 17. November 2021 seinen 60. Geburtstag. «Der Papa hat schon geschluckt, als ich ihm heute vom Tod von Fausto erzählt habe», berichtete Bradl junior im Gespräch mit SPEEDWEEK.com.

Gresinis Erfolge als Rennfahrer

1983 – 125-ccm-WM-9. auf MBA und Garelli
1984 – 125-ccm-WM-3. auf MBA und Garelli
1985 – 125-ccm-Weltmeister auf Garelli
1986 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Garelli
1987 – 125-ccm-Weltmeister auf Garelli
1988 – 125-ccm-WM-21. auf Garelli
1989 – 125-ccm-WM-5. auf Garelli
1990 – Italienischer 125-ccm-Meister auf Honda
1990 – 125-ccm-WM-7. auf Honda
1991 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Honda
1992 – 125-ccm-Vizeweltmeister auf Honda
1993 – 125-ccm-WM-11. auf Honda
1994 – 125-ccm-WM-16. auf Honda

21 Grand-Prix-Siege

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