Was die MotoGP-Wintertests alles (nicht) aussagen
Honda-Star Marc Márquez zwischen der GP22 von Miller (links) und der GP21 von Bastianini (rechts)
Es geht wieder los… Die Wintertests hat die MotoGP bereits absolviert. Zuerst in Sepang, um den Blutkreislauf wieder in Schwung zu bringen – und die Pace, mit inoffiziellen All-Time-Bestzeiten, die von einigen überraschenden Fahrern aufgestellt wurden. Zunächst von Aleix Espargaró auf der Aprilia, der Hersteller aus Noale setzt den Aufwärtstrend offensichtlich fort. Dann war es Enea Bastianini, der dem neuen MotoGP-Projekt von Gresini einen Einstand nach Maß bescherte.
Weiter ging es auf dem schnellen, neuen Rundkurs von Mandalika in Indonesien, wo die Fahrer allerdings zuerst noch gegen eine dicke Schmutzschicht auf der Strecke ankämpfen mussten.
Was sagen Tests wirklich aus? Naja, alles und nichts. Es sind nur Tests, keine Events mit einem aussagekräftigen Endergebnis. Um nur ein Beispiel zu nennen: Die finalen Zeitenjagden in Sepang verhinderte ein Regenschauer in der letzten halben Teststunde. Die Pläne der Fahrer, die ihre ‚time attack‘ für den späten Nachmittag vorgesehen hatten, wurden durchkreuzt. Darunter Titelverteidiger Fabio Quartararo, der zwei frische Soft-Reifen für einen furiosen Schluss aufgeboben hatte.
Die ganze Aufregung um die «schnellsten je in Sepang gefahrenen Runden» war auch nicht wirklich gerechtfertigt. Denn der offizielle All-Time-Record von Quartararo (1:58,303 min) geht auf die Pole-Runde von 2019 zurück. 2020 und 2021 fiel der Grand Prix in Malaysia jeweils Corona-bedingt aus. Es war also zu erwarten, dass fast drei Jahre technischer Fortschritt zu einer Steigerung führen würden.
Bastianinis Bestzeit an sich ist mit Wenn und Aber zu versehen. Klar, der Moto2-Weltmeister von 2020 hat sein Talent auf dem MotoGP-Bike mit zwei Podestplätzen in der Rookie-Saison – noch dazu auf einer alten GP19 im privaten Avintia Team – bereits unter Beweis gestellt. Auch in diesem Jahr ist er noch nicht auf der obersten Stufe des Herstellers aus Borgo Panigale angekommen. Bei Gresini Racing sitzt er auf einem Vorjahres-Bike, wenn auch mit kleinen Updates.
Diese Tatsache kann bei den frühen Testfahrten jedoch als Vorteil gewertet werden. Die GP21 ist bereits bewährt und voll ausgereift, währen die Konkurrenz auf den 2022er-Prototypen noch nach dem richtigen Set-up suchen musste. Die Fahrer auf den Factory-Ducati etwa waren schwer damit beschäftigt, die Elektronik an den neuen, verbesserten Motor anzupassen.
Schlussfolgerungen auf Lombok mussten ebenso mit Vorbehalt gezogen werden, gab es auf dem erst 2021 fertiggestellten Mandalika Street Circuit doch keine echten Vergleichswerte, die für die MotoGP-Klasse herangezogen werden konnten.
Warum Rundenzeiten dennoch wichtig sind
Die Zahlen haben aber sehr wohl eine Bedeutung. Besonders auffallend war, wie eng das gesamte Feld beisammen lag. In Sepang blieben die Top-6 allesamt unter der All-Time-Bestzeit von 2019. Die Top-13 lagen innerhalb einer halben Sekunde – auf einer Strecke, die 5,543 km lang ist. Den dreitägigen Mandalika-Test beendeten dann sogar 21 Fahrer in nur 0,855 Sekunden!
Die Tendenz in der MotoGP-Klasse geht schon länger hin zu einer unglaublichen Leistungsdichte. Die natürliche Folge eines Reglements, das nicht nur Einheitsreifen und Einheits-ECU vorschreibt, sondern auch die Anzahl und Bohrung der Zylinder einschränkt. Kein Wunder, dass sich die Bike-Performance kaum noch unterscheidet. In vielen wichtigen Aspekten sind sie alle identisch.
Die Abstände sind 2022 noch einmal ein bisschen geringer, Aprilia verzeichnete erhebliche Fortschritte und Honda steigerte sich nach zwei schwierigen Jahren ebenfalls deutlich.
Die Motorräder liegen sehr eng beisammen, aber warum gilt dasselbe für die Fahrer?
Das ist eine andere Sache, die von derselben Vereinfachung herrührt. Viele Beobachter glauben, dass sich die MotoGP-Bikes heutzutage zu einfach fahren lassen, dank limitierter technischer Variablen und moderner Technologie. Daher die starken Rookies, die den erfahrenen Piloten schnell auf die Füße treten können.
Die «zu einfach»-Kommentare kommen nicht zuletzt von einer Reihe ehemaliger GP-Fahrer, die sich auf den lebhaften 500-ccm-Maschinen noch die Zähne ausbissen (und oft auch die Arme und Beine brachen). Sie trennten wirklich die Spreu vom Weizen, in einem oft schmerzhaften Prozess.
Nun ja, das ist der Fortschritt. Vielleicht sollten wir alle dankbar sein, dass die MotoGP-Maschinen noch über keine Software verfügen, die die Spur selbstständig hält oder automatisch bremst, um den Sicherheitsabstand zwischen den Motorrädern zu gewährleisten.
Das Paradoxe daran: Während einfacher zu bändigende MotoGP-Bikes die brutalen Highsider aus der Vergangenheit reduzieren, bringt das enge Racing andere Gefahren mit sich, die sich vor allem in den kleinen Klassen auf tragische Weise zeigten.
Die üblichen Verdächtigen
Für die Fans ist die heutige MotoGP ein Fest. Und die Crème de la Crème, das ist bekannt, wird sich immer durchsetzen. Selbst wenn die Rundenzeiten so eng beisammen sind, liegen tendenziell dieselben Namen ganz vorne in den Top-3.
Die Favoriten für die bevorstehende Saison sind unter diesem Gesichtspunkt ziemlich klar: Bagnaia, Quartararo, Marc Márquez und Joan Mir (mit Außenseiterchancen für Martin und Miller).
Besteht für die vier heißen Anwärter angesichts ihrer Platzierungen bei den Testfahrten Anlass zur Sorge? Überhaupt nicht. Dafür reicht ein Blick auf die Abstände. Die jeweils anderen sollten ihnen mehr Kopfzerbrechen bereiten – und vor allem Márquez.
Beim Comeback nach mehr als drei Monaten war Marc auf einer komplett überarbeiteten Honda RC213V, die noch lange nicht perfekt abgestimmt war, auf Anhieb voll im Geschäft. Trotz Defiziten in seiner körperlichen Vorbereitung. Und es ging gerade erst los.
Wer auch immer sich 2022 die MotoGP-Krone aufsetzen wird, muss vorher Marc Márquez schlagen.
Zeiten MotoGP-Test Mandalika (11.–13. Februar):
1. Pol Espargaró, Honda, 1:31,060 min
2. Fabio Quartararo, Yamaha, 1:31,074
3. Luca Marini, Ducati, 1:31,289
4. Aleix Espargaró, Aprilia, 1:31,385
5. Franco Morbidelli, Yamaha, 1:31,416
6. Francesco Bagnaia, Ducati, 1:31,436
7. Alex Rins, Suzuki, 1:31,477
8. Maverick Viñales, Aprilia, 1:31,478
9. Marc Márquez, Honda, 1:31,481
10. Johann Zarco, Ducati, 1:31,488
11. Brad Binder, KTM, 1:31,574
12. Joan Mir, Suzuki, 1:31,586
13. Enea Bastianini, Ducati, 1:31,599
14. Alex Márquez, Honda, 1:31,603
15. Miguel Oliveira, KTM, 1:31,620
16. Jorge Martin, Ducati, 1:31,665
17. Takaaki Nakagami, Honda, 1:31,687
18. Jack Miller, Ducati, 1:31,870
19. Andrea Dovizioso, Yamaha, 1:31,890
20. Marco Bezzecchi, Ducati, 1:31,901
21. Fabio Di Giannantonio, Ducati, 1:31,915
22. Raúl Fernández, KTM, 1:32,401
23. Remy Gardner, KTM, 1:32,598
24. Darryn Binder, Yamaha, 1:33,049
Zeiten MotoGP-Test Sepang (5. und 6. Februar):
1. Enea Bastianini, Ducati, 1:58,131 min
2. Aleix Espargaró, Aprilia, 1:58,157
3. Jorge Martin, Ducati, 1:58,243
4. Alex Rins, Suzuki, 1:58,261
5. Maverick Viñales, Aprilia, 1:58,261
6. Francesco Bagnaia, Ducati, 1:58,265
7. Fabio Quartararo, Yamaha, 1:58,313
8. Marc Márquez, Honda, 1:58,332
9. Johann Zarco, Ducati, 1:58,413
10. Pol Espargaró, Honda, 1:58,420
11. Luca Marini, Ducati, 1:58,430
12. Joan Mir, Suzuki, 1:58,529
13. Takaaki Nakagami, Honda, 1:58,607
14. Jack Miller, Ducati, 1:58,645
15. Miguel Oliveira, KTM, 1:58,701
16. Marco Bezzecchi, Ducati, 1:58,710
17. Alex Márquez, Honda, 1:58,800
18. Brad Binder, KTM, 1:59,016
19. Raúl Fernández, KTM, 1:59,180
20. Fabio Di Giannantonio, Ducati, 1:59,197
21. Cal Crutchlow*, Yamaha, 1:59,262
22. Andrea Dovizioso, Yamaha, 1:59,284
23. Remy Gardner, KTM, 1:59,348
24. Franco Morbidelli, Yamaha, 1:59,365
25. Darryn Binder, Yamaha, 1:59,857
26. Sylvain Guintoli*, Suzuki, 1:59,996
27. Lorenzo Savadori*, Aprilia, 2:04,385
28. Takuya Tsuda*, Suzuki, 2:05,678
* = Testfahrer