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Sensation: Kalex baut Schwinge für MotoGP-Honda

Von Günther Wiesinger
BMW tut es in der Superbike-WM seit Juni 2022. Jetzt macht es auch die Honda Corporation. Die Japaner kaufen beim deutschen Hersteller Kalex engineering Hinterradschwingen aus Aluminium für die MotoGP.

Die Honda Racing Corporation hat nach 2018 immer wieder verschiedene Karbonschwingen getestet und eingesetzt. Auch KTM hat danach bei KTM Technology in Salzburg solche Schwingen herstellen lassen. Andere MotoGP-Hersteller folgten diesem Trend. Neben Honda verwenden auch Ducati, KTM und Aprilia ausnahmslos Karbonschwingen. Yamaha verwendet sie nur manchmal, Suzuki nie.

Und da Honda in den letzten drei Jahren nur drei GP-Siege gefeiert und in der Marken-WM jeweils den letzten Platz beschlagnahmt hat, stehen bei den Japanern jetzt alle Bereiche auf dem Prüfstand, nicht nur die Aerodynamik und die Elektronik, sondern auch das Chassis.

Repsol-Honda-Teamprinzipal Alberto Puig hatte im SPEEDWEEK.com-Interview bereits im Sommer erklärt, die RC213V habe technische Schwachstellen in drei bis vier Bereichen.

In letzter Zeit hat auch Marc Márquez mehrmals deutlich angeprangert, Honda müsse sich stärker an den europäischen Herstellern orientieren und die Entwicklungsgeschwindigkeit erhöhen.

Beim Silverstone-GP erschien sogar der ranghohe HRC-Präsident Shinya Wakabayashi, um sich einen Überblick über die triste Situation des ehemaligen Siegerteams zu beschaffen.

Offenbar war der Japaner nach dem Sachsenring-Debakel, wo erstmals seit 40 Jahren kein Honda-Fahrer in der Königsklasse gepunktet hat, hellhörig geworden.

Ob die Trennung von Technical Director Takeo Yokoyama per Saisonende ausgerechnet deshalb in Silverstone beschlossen wurde, kann nur vermutet werden.

Kalex: Zehn Marken-WM-Titel in der Moto2 in Serie

Jedenfalls weht inzwischen bei HRC ein anderer Wind. Im Misano war am Wochenende zu hören, eine HRC-Abordnung sei am vergangenen Montag bei der Anreise nach Misano in Bobingen bei Augsburg bei Kalex engineering vorstellig geworden. Die deutsche Firma, die 2022 den zehnten Moto2-Konstrukteurs-WM-Titel hintereinander gewonnen hat, wurde von HRC mit der Herstellung von Hinterradschwingen für die MotoGP-Honda beauftragt.

SPEEDWEEK.com ertappte Kalex-Geschäftsführer Klaus Baumgärtel am Freitag gegen 19.40 Uhr hinter den Boxen bei einem intensiven Gespräch mit HRC-Vizepräsident und Techniker Shinichi Kokubo.

Am nächsten Tag war zu hören, Kalex werde bereits für den Test am Dienstag und Mittwoch Schwingen in der Honda-Box abliefern. Aus Aluminium.

Es ist kein Geheimnis, dass auch KTM beim Einstieg in die MotoGP-WM 2017 beim Gitterrohrstahlrahmen auf die Unterstützung von Kalex im Bereich der Alu-Hinterradschwinge zurückgegriffen hat.

Das war nicht die erste Zusammenarbeit zwischen KTM und Kalex. Denn in den ersten zwei Jahren der 250-ccm-Viertakt-Moto3-WM baute Kalex 2012 und 2013 Moto3-GP-Maschinen als Partner für Motorenlieferant KTM. Mit der Kalex-KTM wurden immerhin drei Moto3-GP-Siege errungen. In der Moto2-WM musste Kalex gestern in Misano die erste Niederlage seit Phillip Island 2019 (Brad Binder auf der Red Bull-Ajo-KTM) hinnehmen.

Der Markenname Kalex setzt sich aus den Vornamen der beiden Firmengründer Alex Baumgärtel und Klaus Hirsekorn (er steuert das K bei) zusammen.

Übrigens: Ein komplettes Rolling Chassis hat Kalex engineering für die MotoGP-WM nie gebaut.

Doch auf das Schwingen-Knowhow aus Bobingen setzt inzwischen sogar das BMW-Werksteam in der Superbike-WM – seit Juni 2022.

Dass Scott Redding dann gleich den ersten Podestplatz errang, ist Honda sicher nicht verborgen geblieben. Das italienische Puccetti-Kawasaki hat in der SBK bereits 2017 erstmals eine Kalex-Alu-Schwinge eingesetzt.

Da Alberto Puig auch in der Leitung des Honda-SBK-Teams involviert ist, könnte er die treibende Kraft hinter der Zusammenarbeit mit Kalex sein. Auch Honda-MotoGP-Testfahrer Stefan Bradl hat die Vorzüge und innovativen Ideen von Kalex schätzen gelernt. Der Bayer hat 2011 als erster Fahrer einen Moto2-WM-Titel für Kalex gewonnen, nach einem heftigen Zweikampf gegen Marc Márquez, wohlgemerkt.

Marc Márquez stellte jedenfalls in Österreich die europäischen Werke als Beispiel hin und betonte, die Japaner müssten aus deren Vorteilen und Erfolgen lernen und die Entwicklungsgeschwindigkeit erhöhen.

MotoGP: Auch andere Werke kaufen Technologie ein

Auch andere MotoGP-Werke greifen gern auf die Hilfe externer Partner zu. Die Schweizer Engineering Company Suter Industries baute ab 2013 jahrelang die Alu-Chassis für das Ducati-MotoGP-Werksteam. Und Suzuki ließ den neuen 1000-ccm-MotoGP-Reihenmotor 2016 bei Pankl Racing in Österreich auf Vordermann bringen.

Ob eine Alu-Schwinge HRC über Nacht aus der MotoGP-Misere retten kann, ist fraglich. «Aber es zeigt, wie verzweifelt die Japaner sind», meinte ein gegnerischer Crew-Chief.

Einen riesigen Aufholbedarf hat Honda bei der Aerodynamik. Auch hier ist Betriebsamkeit angesagt, denn Marc Márquez kann 2022 als einziger Honda-MotoGP-Pilot noch einen zweiten «Aero Body» homologieren lassen. 

Kalex hat sich nach 2017 bis zum Sommer 2022 aus der Superbike-WM zurückgezogen, weil damals das Reglement geändert und ein Kostendeckel von 10.000 Euro eingeführt wurden. Dadurch wurden Homologationen für die Schwingen nötig. Die Teams und Werke gaben dann wieder ihren eigenen Schwingen den Vorzug.

Welche Fertigungsverfahren gibt es für eine Schwinge? «Du kannst Teile der Schwinge aus Blech machen und umformen, pressen, gestalten, oder sie aus dem Vollen fräsen. Damit bist du variabler, was die Wandstärken betrifft. Diese Aluminiumteile werden dann zusammengeschweißt», verrät Alex Baumgärtel. «Man kann auch Karbon-Schwingen entwickeln, wie sie in der MotoGP-Klasse eingesetzt werden. Das ist noch einmal ein anderer Aufwand, auch von der Simulation. Damit habe ich keine Erfahrung, wir kommen mit unserer Infrastruktur mit Aluminium und Fräsen gut zurecht.»

«Für Karbon müssten wir in etwas investieren, wofür wir die Kapazität bisher nicht haben. Wir sind nahe mit der Automobilfirma Holzer verbunden und haben kurze Wege, was die Fertigung betrifft. Ich sehe es als wirtschaftlich sinnvoll, mit Aluminium weiterzumachen. Für die Moto2-Klasse funktioniert das auch gut, man kann die Alu-Schwingen reparieren. Nach einem Sturz mit einer Karbon-Schwinge hängt ein großer logistischer Aufwand dahinter, weil sie dann mit Ultraschall geprüft werden muss und so weiter. Mit der Anzahl Schwingen, die wir in Moto2 machen, wäre das zu viel. Ich halte das Karbon nicht für passend für die Moto2-Klasse.»

Übrigens: Für die 24 Fahrer in der Moto2-WM baut Kalex ca. 50 Schwingen im Jahr.

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