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Romano Albesiano (Aprilia): «Europäer riskieren mehr»

Von Manuel Pecino
Romano Albesiano geht im Interview auf die Frage ein, was die Europäer in der MotoGP aktuell besser machen, und spricht über die Neuheiten der Saison 2023 – ohne «concessions» und mit Aprilia-Kundenteam.

Die europäischen Hersteller holten 2022 in 20 Grand Prix 15 Siege (12x Ducati, 2x KTM, 1x Aprilia), nach Japan gingen nur fünf Erfolge (3x Yamaha, 2x Suzuki). Aprilia trug sich beim Argentinien-GP dank Aleix Espargaró erstmals überhaupt in die MotoGP-Siegerlisten ein. Die Freude und Erleichterung in Noale war groß.

Wie erklärt Romano Albesiano, Aprilias Technischer Direktor, die aktuelle Dominanz der Europäer? «Ich glaube, dass die europäischen Hersteller zumindest den Level der Japaner erreicht haben. Mit Sicherheit ist die Mentalität eine andere, wahrscheinlich auch das Entwicklungsmodell – das gilt auch in der Produktion von Serienmotorrädern.»

«Die Philosophie ist anders», fuhr Albesiano fort. «Wir können sagen, dass die Japaner ‚weniger Risiko‘ eingehen. Als Europäer wagen wir es wahrscheinlich mehr, neue Dinge einzuführen. Wir gehen mehr Risiko ein und forcieren den Entwicklungsprozess konstant. Die Japaner sind extrem vorsichtig in der Entwicklung, um jegliche Art von Problem zu vermeiden. Das ist in einigen Bereichen natürlich positiv und für die Zuverlässigkeit generell sehr gut, aber es verlangsamt die Entwicklung.»

«Das ist eine Möglichkeit, um diese Situation zu erklären. Dazu kommt, dass sie wahrscheinlich in gewissen neuen Bereichen nicht genug investiert haben, zum Beispiel in die Aerodynamik, die in den vergangenen Saisons einen großen Unterschied gemacht hat», betonte der Italiener.

Gerade die Aerodynamik ist mit Sicherheit ein Aspekt, der dazu führte, dass sich die RS-GP in den vergangenen paar Jahren vom Nachzügler zum Sieganwärter mauserte.

Laut Albesiano sei das Motorrad aber in allen Bereichen verbessert worden. «Wir haben den Level des Motors stark verbessert, im Bereich der Aerodynamik haben wir uns ebenso verbessert, genauso in der Konstruktion des Bikes mit dem Chassis. Ein weiterer Schlüssel ist, wie wir das Motorrad auf die Strecke bringen. Davon wird selten gesprochen, aber in dieser Hinsicht haben wir uns in den vergangenen sechs Jahren am meisten verbessert. Mit der Anzahl und der Qualität der Leute, die wir an die Strecke bringen, hat sich auch der Level der Performance-Analyse stark verbessert… Elektronik, Reifenmanagement, Motorenmanagement. Und wenn ich Elektronik sage, dann meine ich die Strategien», zählte der Technical Director auf.

Aprilia genoss auch noch die Vorteile eines «concession teams» und durfte somit unter anderem uneingeschränkt mit den Stammfahrern testen oder auch noch während der Saison am Motor arbeiten. Mit den 2022 eingeheimsten Podestplätzen (6 durch Aleix Espargaró und 3 durch Viñales) gingen diese Privilegien verloren.

Albesiano ist deshalb aber nicht besorgt. «Nicht so sehr, um ehrlich zu sein», gab er sich betont gelassen. «Wir haben die ‚concessions‘ in der vergangenen Saison nicht allzu sehr genutzt, weder bei den Tests mit den Werksfahrern, noch beim Motor. Okay, es ist sicherer und besser, diese Optionen zu haben, falls du sie brauchen solltest, aber wir haben sie nicht angewandt. Deshalb mache ich mir auch keine Sorgen.»

«Auf der anderen Seite haben wir diese Saison natürlich auf eine andere Weise vorbereitet. Wir haben versucht, einige Entscheidungen früher zu treffen, mehr im Vorfeld zu testen, und vor allem haben wir zwei Motorräder mehr auf der Strecke», verwies der Aprilia-Ingenieur auf das neue Kundenteam CryptoDATA RNF mit Miguel Oliveira und Raúl Fernández.

2023 ist zudem das MotoGP-Format mit den Sprintrennen am Samstag neu. Wie wird sich das auf die Arbeit auswirken? «Das ist nicht klar, wir versuchen es herauszufinden. Der Stress-Level der Leute und Fahrer wird höher sein, das ist klar. Wenn es aber um Teile oder technische Aspekte geht, wissen wir es nicht, auch wenn sich die Kilometeranzahl insgesamt nicht allzu sehr verändern wird. Vielleicht wird das Sturzrisiko höher sein, weil es mehr Starts gibt und der Druck im Rennen ein anderer ist, aber aus einer rein technischen Sichtweise sehe ich keinen großen Unterschied. Ich kann mir auch vorstellen, dass in einigen Bereichen ein anderes Management gefragt sein wird, zum Beispiel bei den Reifen. Wir werden etwas anders machen müssen, ich glaube aber nicht, dass es super kritisch sein wird.»

Über die halbe Renndistanz sollten explosive Fahrer im Vorteil sein, wie etwa Pramac-Ducati-Jungstar Jorge Martin. Welchem Aprilia-Piloten kommen die Sprintrennen entgegen? «Martin ist auch sehr schnell im Qualifying, weshalb er normalerweise vorne startet», ergänzte Albesiano, ehe er auf die Frage einging.

«Wir wissen nicht wirklich, wie Miguel und Raúl auf unserem Bike performen werden. Deshalb können wir diese Situation auch noch nicht bewerten. Und bei Maverick und Aleix – beide sind manchmal im ersten Part eines Rennens super schnell… Aber ich würde generell nicht sagen, dass es unsere große Stärke ist», meinte Albesiano.

MotoGP-WM-Endstand 2022 (nach 20 Rennen):

1. Bagnaia 265. 2. Quartararo 248 Punkte. 3. Bastianini 219. 4. Aleix Espargaró 212. 5. Miller 189. 6. Brad Binder 188. 7. Rins 173. 8. Zarco 166. 9. Martin 152. 10. Oliveira 149. 11. Viñales 122. 12. Marini 120. 13. Marc Márquez 113. 14. Bezzecchi 111. 15. Mir 87. 16. Pol Espargaró 56. 17. Alex Márquez 50. 18. Nakagami 48. 19. Morbidelli 42. 20. Di Giannantonio 24. 21. Dovizioso 15. 22. Raúl Fernández 14. 23. Remy Gardner 13. 24. Darryn Binder 12. 25. Crutchlow 10. 26. Bradl 2.

Konstrukteurs-WM:

1. Ducati 448 Punkte. 2. Yamaha 256. 3. Aprilia 248. 4. KTM 240. 5. Suzuki 199. 6. Honda 155.

Team-WM:

1. Ducati Lenovo Team 454 Punkte. 2. Red Bull KTM Factory 337. 3. Aprilia Racing 334. 4. Prima Pramac Racing 318. 5. Monster Energy Yamaha 290. 6. Suzuki Ecstar 260. 7. Gresini Racing 243. 8. Mooney VR46 Racing 231. 9. Repsol Honda 171. 10. LCR Honda 98. 11. WithU Yamaha RNF 37. 12. Tech3 KTM Factory 27.

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