Marc Márquez' kontroverses «Geständnis» von Le Mans
Stratege Marc Márquez
Am Freitagnachmittag des Frankreich-GP erklärte Marc Márquez, dass er in der Schlussphase des zweiten Trainings auf Platz 8 liegend mit der Einstellung «alles oder nichts» in die letzte Runde gegangen sei, um nicht noch aus den Top-10 und damit dem Q2 verdrängt zu werden. Mit einer guten Runde hätte er sich den mühsamen Q1-Umweg erspart… «Und wenn ich stürze, gibt es eine gelbe Flagge», ergänzte Marc und erinnerte damit daran, dass eine späte Gelbphase den Rivalen jede Chance genommen hätte, ihn noch zu übertrumpfen.
In anderen Worten: Unabhängig von dem, was schlussendlich passieren sollte, würde er als Sieger hervorgehen.
Ein beachtlicher Plan, wenn man bedenkt, wie vorausschauend er agiert, aber gleichzeitig offenbarte Márquez mit diesem «Geständnis» auch, wie es die aktuellen Regeln ermöglichen, das Ergebnis eine Qualifying-Session zu manipulieren. Denn das Regelwerk schreibt vor, dass bei einer gelben Flagge automatisch alle Rundenzeiten jener Fahrer gestrichen werden, die während dieser Gelbphase den betroffenen Streckenabschnitt passieren.
Im Fall von Márquez, der auf Platz 8 lag, bedeutete ein Sturz (was tatsächlich passiert ist), dass keiner der nachfolgenden Fahrer das Klassement noch verändern und seinen Q2-Einzug gefährden konnte. Und Marc selbst gab durch seine Aussagen zu, dass das Teil seiner Strategie war.
- Plan A bestand darin, die eigene Rundenzeit zu verbessern.
- Plan B war, eine gelbe Flagge zu verursachen.
Formel-1-Fans werden sich an Michael Schumachers «Rascasse-Parkaffäre» in Monte Carlo im Jahr 2006 erinnern. Dem siebenfachen Weltmeister wurden damals allerdings alle Qualifying-Zeiten gestrichen, was ihn ans Ende der Startaufstellung zurückwarf.
Nachdem diese Möglichkeit der Manipulation nun öffentlich aufgezeigt worden ist, ist es für die MotoGP-Verantwortlichen Pflicht, diese Grauzone in den Vorschriften zu korrigieren. Alles andere wäre unverantwortlich.
Es wäre unrealistisch anzunehmen, dass vor dieser Strategie-Entscheidung von Márquez noch kein Fahrer – oder Team – die bestehende Regel zum eigenen Vorteil genutzt hätte. Der Unterschied besteht jedoch darin, dass Marc es «zugegeben hat».
Wird jetzt nicht eingegriffen, könnte es Situationen geben, in denen ein Hersteller mit einem Fahrer auf der provisorischen Pole-Position einem Markenkollegen eine Nachricht auf das Dashboard schickt, um ihn dazu zu bewegen, beispielsweise in einer Kurve geradeaus zu fahren. Denn es braucht gar keinen Crash, um eine Gelbphase auszulösen.
Wäre das moralisch verwerflich? Wahrscheinlich schon, aber mit Sicherheit könnten einige das Vorgehen rechtfertigen, weil es aus ergebnistechnischer Sicht logisch und vor allem im Regelwerk als Strategie nicht verboten ist. Und Tatsache ist, dass die Versuchung, die Ethik der Philosophie zu überlassen, sehr groß ist, wenn man auf höchstem Niveau antritt und so viele Interessen mitspielen.
Welche Lösungsansätze gibt es für die bestehende Lücke im Reglement? Mit Sicherheit gibt es besser vorbereitete Entscheidungsträger, aber diese Vorschläge könnten zu einer Lösung beitragen:
- Eine Superpole, in der jeder Fahrer einzeln auf einer Runde seine Chance bekommt.
- Eine Art Nachspielzeit als Zugabe, sobald die Strecke wieder frei ist.
- Eine Strafversetzung für den Fahrer, der in der letzten Runde der Qualifying-Session eine gelbe Flagge verursacht.
Die ersten zwei Optionen lassen sich im ultra-komprimierten Format der heutigen MotoGP-WM nur schwer einfügen; die dritte mag die machbarste sein.
Wie dem auch sei, die nun öffentlich angesprochene Manipulation der Ergebnisse ist eine Situation, die der Motorrad-Weltverband FIM und WM-Promoter Dorna eher früher als später angehen und korrigieren sollten.