Formel 1: Ferrari-Teamchef nennt es einen Witz

Die bittere Wahrheit über die «MotoGP-Familie»

Von Michael Scott
Die «MotoGP-Familie» beim Saisonstart-Event in Thailand

Die «MotoGP-Familie» beim Saisonstart-Event in Thailand

Mit seinem Vorschlag, Verletzungs-Rückkehrer wie Jorge Martin mit einem MotoGP-Bike testen zu lassen, blitzte Aprilia-Rennchef Massimo Rivola bei Ducati ab. Familienfehden hinterlassen Narben. Der Egoismus siegt.

In einem interessanten Gerichtsverfahren im Vereinigten Königreich stritten sich kürzlich Bruder und Schwester über die Verteilung des Vermögens ihrer verstorbenen Mutter. Kurz vor ihrem Tod hatte die alte Dame ein neues Testament verfasst. Zuvor sollte ihr Vermögen zu gleichen Teilen unter ihren beiden Kindern aufgeteilt werden, was in der neuen Fassung nicht mehr der Fall war – die Schwester erhielt alles.

Sie untermauerte ihre Behauptung mit einem Video, auf dem zu sehen war, wie ihre halb komatöse Mutter das neue Testament unterzeichnete. Die alte Dame war offensichtlich dem Tod sehr nahe und konnte auf Fragen nur mit unbestimmten Grunzlauten reagieren. Man sieht sogar, wie die Tochter ihre Hand führt. Sie hat den Fall verloren.

Was hat das mit der MotoGP zu tun? Es geht darum zu zeigen, dass Familien nicht unbedingt fair miteinander umgehen. Die Dorna ist immer darauf bedacht, von der «MotoGP-Familie» zu schwärmen. Als ob jedes Rennen ein fröhliches Picknick mit Cousins und Cousinen wäre, die mit einem Tennisball spielen, während ihre Väter am Grill herumalbern. Dabei ist es ein enorm teurer und todernster kommerzieller Wettbewerb.

Es ist, wie es sein sollte. Es ist die Weltmeisterschaft. Der Beweis wurde in Argentinien erbracht, als ein Onkel die anderen Onkel bat, einem der derzeit benachteiligten Cousins zu helfen. Doch der Oberonkel sagte ihm höflich, er solle sich zusammenreißen.

Der Benachteiligte ist der glücklose Jorge Martin, der auf seiner neuen Aprilia in Malaysia gerade einmal 13 gezeitete Runden gedreht hatte, als ihn der zweite Crash mit Verletzungen nach Hause in die orthopädische Abteilung schickte. Er hatte Frakturen an der rechten Hand erlitten.

Der dritte und schwerste Sturz ereignete sich abseits der Rennstrecke, als er auf einem Supermoto-Motorrad die Festigkeit seiner frisch zusammengeschraubten Knochen testete. Diesmal brach er sich die Knochen des linken Handgelenks, einschließlich des Kahnbeins – lästig, schmerzhaft und langsam heilend. Richtiges Pech.

Die Mission Titelverteidigung und sein neues Abenteuer mit Aprilia hätten kaum schlechter beginnen können. Er wird auf jeden Fall die ersten drei Rennen verpassen und möglicherweise noch mehr. Und wenn er zurückkommt, wird er seine körperliche Stärke wiedererlangen und gleichzeitig lernen müssen, wie er das Beste aus seinem neuen Motorrad und seinem neuen Team herausholen kann. Seine Konkurrenten hingegen werden bereits rennerprobt und auf der Höhe sein. Meisterschaftschancen? Fehlanzeige. Aber man sollte nie aufgeben. Man kann ja nie wissen und die Konkurrenten könnten im Laufe des Jahres ebenfalls in die Verletzungsfalle tappen.

Aprilia versuchte natürlich, seine Position so gut wie möglich zu verbessern. Ein Element wäre eine Ausnahme von der Regel, die es Fahrern verbietet, MotoGP-Bikes außerhalb der sehr begrenzten offiziellen Tests zu erproben. Aprilia schlug vor, diese Regel zu ändern und Ausnahmen für Fahrer zu machen, die zum Beispiel eine bestimmte Anzahl von Rennen verletzungsbedingt verpasst haben.

Man sollte sie (in diesem Fall Jorge) ihre echten Rennmaschinen fahren lassen – dies sowohl aus Sicherheitsgründen als auch, um sich mit dem Motorrad vertraut zu machen. Derzeit können sie nur auf schnellen Straßenmotorrädern testen. Früher hatten diese vielleicht mehr mit Grand-Prix-Prototypen gemeinsam, aber die Entwicklungen der letzten zehn Jahre – Elektronik, Aerodynamik, Systeme zur Fahrzeughöhenverstellung, etc. –, haben die Kluft deutlich vergrößert. Es ist schön und gut, mit einem Track-Day-Bike ohne Scheinwerfer durch die Gegend zu düsen, aber es reicht bei weitem nicht an die Feinheiten und die Wucht einer MotoGP-Rakete heran. Und Feinheiten sind von größter Bedeutung, da die technischen Vorschriften alle Motorräder (und ihre Reifen und ECUs) sehr ähnlich machen.

Bei den anderen Teams herrschte allgemeines Einverständnis. Schließlich könnten sie sich leicht in einer ähnlichen Situation wiederfinden. Eine Lockerung dieser Beschränkung würde potenziell allen zugutekommen. Selbst Ducati nannte es eine gute Idee. Nur nicht jetzt. Und vor allem nicht für Jorge. Immerhin, so Lenovo-Teammanager Davide Tardozzi, war dies der Fahrer, der das Werksteam im letzten Jahr geschlagen hatte. Und dann (obwohl er das nicht erwähnte) Ducati verließ. Angesichts Jorges Fähigkeiten glaube Tardozzi zudem nicht, dass er zusätzliche Hilfe benötige.

In einem Interview mit der Dorna erklärte Tardozzi, dass eine Regeländerung frühestens 2026 erfolgen sollte. Es sei «eine gute Idee für die Zukunft.» Jorge sei nicht nur gut genug, um sie nicht zu brauchen. Auch – und hier zeigen sich die Narben der Familienfehde – als sich ihr eigener Werksfahrer Enea Bastianini Anfang 2023 verletzte, «gab uns niemand die Möglichkeit, ihn testen zu lassen.»

Jorge Martin nahm an der Pressekonferenz vor dem Rennwochenende in Argentinien teil und gab seinen Hauptrivalen – den Marquez-Brüdern und Bagnaia – die Gelegenheit, herzliche Genesungswünsche zu äußern. Er solle sich vor allem Zeit lassen, um wieder zu Kräften zu kommen, betonte Marc. Anstatt zurückzukommen, um Punkte für die Meisterschaft zu holen, versteht sich. Glückwünsche sind eine Sache, tatsächliche Hilfe eine andere – auch in der Familie.

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