Formel 1: Max Verstappen – alles für die Katz

Ich habe bisher nur schlaue Rennfahrer getroffen

Kolumne von Michael Scott
Valentino Rossi vor den Medien: Killerinstinkt, mit Witz und Charme

Valentino Rossi vor den Medien: Killerinstinkt, mit Witz und Charme

Es wurde erforscht, dass Profi-Sportler einen hohen Intelligenz-Quotienten haben. Sie sind schlauer als Akademiker und Wissenschaftler.

Die Story schaffte es hier in England auf die Titelseiten. Neue Forschungen (wo nehmen diese Forscher nur die Zeit her?) zeigen, dass professionelle Sportler schlauer sind als Akademiker. Gescheiter als Wissenschaftler oder künftige Ärzte.

Wieso sollte das überraschend sein? Ist es nicht, obwohl es gute Schlagzeilen sind.

Das ist aus verschiedenen Gründen nicht überraschend.

Ein Grund dafür ist die Art und Weise des Testens, die angewendet wird. Eine Prüfung enthielt die Computerversion des Becher-und-Kugel-Spiels. Drei umgedrehte Becher werden vermischt und du musst entscheiden, unter welchem sich die Kugel befindet. So prüft man nicht nur räumliche Aufmerksamkeit, sondern auch die Schnelligkeit des Auges und eine schnelle Anpassung an wechselnde Umstände.

Die Fussballspieler (die ganze ManU-Mannschaft) schlug sich am besten. Sie waren nicht nur am Anfang besser, sie lernten auch schneller aus ihren Fehlern.

Mehr oder weniger, was man erwartet, aber trotzdem interessant. Joceyln Flaubert, Professorin an der University of Montreal, wurde in «The Times» zitiert: «Du wirst keinen Fussballer darum bitten, die Relativitätstheorie zu erklären. Sie können sich vielleicht verbal nicht ausdrücken oder gut mit Zahlen umgehen, aber Intelligenz kann auch andersartig gezeigt werden.»

Elite-Athleten interpretierten visuelle Szenen schneller und trafen bessere Entscheidungen, nicht nur als Akademiker, sondern auch als Amateur-Sportler. Die Professorin sagte, dass sie «hyper-fokussieren» konnten.

Dies wurde untermalt von einer früheren Studie aus Schweden, bei der ein Team von vielfachen Torschützen gegen ihre Teamkollegen bei Mentaltest gewonnen hatte.

Das bezeugt, was jeder, der über Sport nachdenkt, ohnehin schon weiss. Die Besten von den Besten sind speziell, weil sie von der Natur besser ausgestattet wurden. Es geht hier nicht um Können. Das wird bei jedem vorausgesetzt, der sich für einen Grand Prix qualifiziert. Es geht um mehr Intelligenz.

Ruhige Helden und laute Idioten

Es gibt viele Parallelen zwischen Fussball und Motorradsport: lange Zeitabschnitte, in denen nichts passiert – mehr Spannung als Action; unterbrochen von gelegentlichen Momenten von lebendiger Aufregung (Tore/Überholmanöver oder Unfälle).

Es gibt auch Parallelen unter den Teilnehmern.

GP-Podestkandidaten können einsilbig und im normalen Leben unbeholfen sein. Sie sind es auch häufig. Sie haben möglicherweise keine Ahnung, wie ein internationaler Verbrennungsmotor funktioniert. Sie wissen vielleicht auch nicht über gewisse Zwischentöne im realen Leben Bescheid. Aber fehlende Intelligenz? In fast dreissig Jahren im MotoGP-Sport habe ich das bei einem Spitzenfahrer nie vorgefunden.

Ich habe Fahrer getroffen, vom ruhigen Helden bis zum lauten Idioten (um ehrlich zu sein) und alles dazwischen sowieso. Aber was das Interesse stärker aufrecht erhält als technischer Fortschritt oder sinkende Rundenzahlen, was über die Jahre wie ein sinnloses Rennen nach dem anderen aussehen kann, sind die Fahrer. Die Unterschiede zwischen ihnen. Die Ähnlichkeiten, der gemeinsame rote Faden. Und die Höhe der Intelligenz bei den Besten von ihnen.

Egal, wie gut sie auch versteckt sein mag.

Ich lasse meine Erinnerungen über eine Palette von Exzentrikern schweifen.

John Kocinski, dessen Besessenheit mit dem Wegblasen von Staub auf seinem Leder und sogar von seinen Socken nach jeder Session auffallend eigenartig war. Ein Weltmeister auf einem 250-ccm- und einem Superbike und heute ein äusserst erfolgreicher Highend-Hollywood-Immobilienmakler. Rätselhaft, aber nie etwas anderes als schlau. Und sehr schnell.

Die gefolterte Seele Max Biaggi, ein hervorragender Fahrer mit ernsthaften Problemen, einen Bezug zu Mitmenschen aufzubauen. Nicht sehr beliebt bei seinen Rivalen und Teamkollegen, um es vorsichtig auszudrücken. Aber kein Idiot und ein Titelgewinner bis ans Ende seiner Karriere.

Der aussergewöhnliche Anthony Gobert – talentiert, aber entschlossen unsozial; der ausgeflippte Randy Mamola, der beängstigende Mick Doohen, der brodelnde Stoner.

Dann die ganz normalen Jungs, nur eine Hand voll. Bereit sich ihrer Umgebung und mit einem klaren Verständnis davon, welchen Platz sie im grösseren Schema einnehmen. Da kommt mir Wayne Rainey in den Sinn, obwohl nicht einmal er selbst den Trieb verstehen konnte, der ihn zu seinem letzten schlimmen Unfall führte. Und der tief-ironische Eddie Lawson. Und heutzutage Nicky Hayden: Es ist kein Zufall, dass er in allen Sprachen als liebenswert und beliebt bezeichnet wird.

Genies wie Roberts, Spencer, Schwantz und Rossi

Tatsache ist, dass der Rennsport Intelligenz immer anerkannt hat. Warum sonst würde die Beschreibung «Genie» bei so vielen grossartigen Menschen angewendet? Man denke an Roberts, Spencer (wenn auch nur kurz); Schwantz. Und heutzutage Rossi, der sein gnadenloses dunkles Herz und seinen Killerinstinkt unter lockerem Witz und Charme versteckt. Und er ist bestimmt der cleverste Fahrer auf der Strecke, egal wie ernsthaft Lorenzo studiert und sich bemüht.

Schon bei den Wintertests war das junge Genie Marc Márquez sofort einer der Schnellsten... und er hat bei den ersten sechs Rennen alle Erwartungen klar übertroffen.

Im Honda-Team ist Márquez in der Position, all seine Gehirnkapazität in den Rennsport zu legen. Das Gegenteil ist der Fall am anderen Ende der Zeitenliste, wo sich die unglückseligen CRT-Fahrer befinden, die die hochgepriesene Einheits-ECU von null weg entwickeln müssen. Ground Zero. Diese werden zu beschäftigt sein mit Analysen, dass sie sich nicht mehr aufs Rennfahren konzentrieren können, sogar wenn ihre Bikes schnell genug werden.

Trotzdem würde ich niemandem raten, mit einem von ihnen das Becher-und-Kugel-Spiel zu spielen.

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