Marc Márquez: Der Gnadenlose
Márquez der Gnadenlose. Das war mein Name für ihn in den Zeiten, als er die Plage in der Moto2 war: Er hat ihn verdient. Die Sanktionen und Strafen ausser Acht lassend, muss man sich nur die Onboard-Aufnahmen seiner ersten Runde in Motegi letztes Jahr anschauen.
Er versaute den Start, fuhr als Letzter weg, aber in der ersten halben Runde überholte er 22 Fahrer. Jedes Überholmanöver war komplett erbarmungslos. Natürlich hat Márquez gewonnen.
Die gleiche Einstellung hat der Moto2-Weltmeister in die MotoGP mitgenommen – fast unverständliches Talent kombiniert mit einem unwiderstehlichen Überholdrang. Der Repsol-Honda-Werkspilot gewann das zweite MotoGP-Rennen seines Lebens, schaffte es bisher bei acht von neun Rennen aufs Podest. Und in diesen neun Rennen überholte er alle Topfahrer mindestens einmal. Marc Márquez ist 20 – und ganz offenbar ein Phänomen.
Dann gibt es da noch den Marc, der nicht auf dem Motorrad sitzt. Márquez der Gnädige vielleicht. Die Art eines frechen Sängerknabens, der Freude ausstrahlt und viel lacht, der die lustige Seite sieht. Ein umgänglicher junger Kerl. So höflich. So erbarmungslos. So verdammt schnell.
Es sieht aus wie der Beginn einer Ära, aber diese Márquez-Ära ist anders. Es ist eine potenzielle Dynastie. Es gibt sogar zwei von ihnen – Marc und Alex, der in der Moto3 fährt. Es ist eine Familien-Angelegenheit.
Heutzutage ist Marcs Weg zum Ruhm bekannt. Von einer Arbeiterklasse-Familie in Cervera, auf halber Strecke in die Berge von Barcelona aus, wurde Marcs Talent erkannt, als er acht Jahre alt war. Im Alter von zwölf Jahren hatte er bereits einen Platz im Team des ehemaligen 125-ccm-Weltmeisters Emilio Alzamora.
Das starke spanische Einstiegslevel-Support-System, besonders der RACC (Royal Automobile Club of Catalunya), stellte erstklassige Technik zur Verfügung, welche sich Marquez’ Familie sonst nicht hätte leisten können, Emilio förderte Marcs Talent, danach holte ihn Repsol unter die gut gepolsterten Fittiche.
Da ist er nun und richtet in der MotoGP-Klasse Verwüstung auf einer Werks-Honda an. Er nahm den schnellsten Weg direkt ins Top-Team. Sein Weg ist ähnlich wie der Rossis: ein Titel in jeder Junioren-Klasse (125 und nachher 250 beziehungsweise Moto2), dann die grossen Erfolge, wobei seine bisherigen Resultate diejenigen von Valentino ausstechen. Und er ist sogar jünger als das letzte jugendliche Ausnahmetalent, Freddie Spencer, dessen Rekorde Marc von Rennen zu Rennen bricht.