Lucio Cecchinello: «Bradl ist verblüffend talentiert»
2013 erlebte LCR-Honda-Pilot Stefan Bradl eine durchwachsene Saison und eine ständige Berg-und-Talfahrt. Die Saison startete mit zwei Sütrzen in den ersten drei Rennen. Nach einigen souveränen Rennen folgte dann das absolute Highlight des Jahres: In Laguna Seca schnappte sich Bradl die Pole-Position und mit Rang 2 im Rennen seinen ersten Podestplatz in der MotoGP-Klasse.
Doch in Sepang erlitt der Bayer den nächsten Rückschlag. Er brach sich im vierten freien Training den rechten Knöchel und fiel für zwei Rennen aus. In Valencia schloss der angeschlagene Bradl die Saison mit einem guten sechsten Platz ab. LCR-Teamchef Lucio Cecchinello sprach über das Jahr 2013 und die Ziele in der nächsten Saison.
Lucio, was waren deine besten und schlimmsten Momente des Jahres 2013?
Ganz einfach! Ein guter Moment, eigentlich ein fantastischer Moment, war Laguna Seca. Es war ein unglaublich schönes Gefühl! Das schlimmste Erlebnis war Malaysia, als wir merkten, dass unser Fahrer verletzt wurde und eine Operation nötig war. Stefan konnte zwei Rennen nicht fahren. Aus diesem Grund konnten wir auch Cal Crutchlow in der Meisterschaft nicht mehr einfangen.
Stefan stürzte einige Male im Laufe der ersten Hälfte der Saison. Wie haben du selbst und der Rest des Teams versucht, weitere Zwischenfälle zu vermeiden?
Wir haben erkannt, dass er immer über das Vorderrad stürzte, vor allem am Kurvenausgang und nicht so sehr am Eingang. Das heißt, er stürzte, sobald er die Bremsen gelöst hatte.
Wir haben verstanden, dass wir ein Problem mit der Vorderradaufhängung hatten. Darum entschieden wir uns dazu, sehr intensiv mit Öhlins und der ganzen HRC-Mannschaft zusammenzuarbeiten, um zu versuchen unsere schwächste Stelle, das Vorderrad-Gefühl, in den Griff zu bekommen.
Ich würde sagen, es war nicht nur seine Schuld, sondern hatte auch einige technische Gründe, denn die Fahrwerkseinstellungen passten nicht perfekt zu seinem Fahrstil. Natürlich haben wir versucht, Stefan zu erklären, dass er nicht stürzen soll. (Er lacht). Aber wir haben auf beiden Seiten gearbeitet: vorsichtiger zu sein und Probleme zu lösen.
Wie ist der Test in Valencia verlaufen? War es ein bedeutender Test?
Auf jeden Fall. Es war eine fantastische Erfahrung, das neue Bike zu testen. Das neue Motorrad ist sehr, sehr ähnlich zu dem vorherigen Bike, aber Honda veränderte einiges am Chassis-Design und Stefan sagte, dass er vom Vorderreifen ein viel besseres Feedback spürt.
Das Bike ist steifer und stabiler. Es ist erstaunlich, denn Honda war in der Lage, das zu verbessern, was schon fast perfekt war. Wir haben auch kleine Anpassungen an der Hinterradaufhängung vorgenommen und konnten die Traktion verbessern. Dadurch konnten wir unsere Zeit deutlich steigern. Unsere Bestzeit im Training am Rennwochenende war eine 1:31,5 min, beim Test haben wir eine 1:30,8 min erreicht. Ein sehr gutes Ergebnis.
Tech3-Pilot Bradley Smith hofft, dass er Alvaro Bautista und Stefan in der Saison 2014 herausfordern kann. Denkst du, dass es ein schwieriges Jahr für LCR werden wird?
Absolut! (Er lacht). Es wird schwierig werden. Eine sehr anspruchsvolle, schwierige Saison für uns, aber das ist es, warum wir hier sind und warum Stefan bis Donnerstag hier in unserer Werkstatt in San Marino gewesen ist, um mit uns zu reden, zu planen und Dinge gemeinsam zu lösen, um die Ziele für das nächste Jahr festzulegen. Ich würde sagen, es wird eine spannende Saison werden. Ich kann es kaum erwarten, dass sie beginnt.
Wie kurz vor einer Unterschrift stand Nicky Hayden?
Nun, dieses Jahr haben wir mit Nicky und mit Honda gesprochen, allerdings nicht direkt mit American Honda, sondern über HRC. Natürlich wäre es ein Traum gewesen, wenn wir das Programm hätten umsetzen können, aber wir hätten ein größeres Budget benötigt. Durch HRC und American Honda konnten wir 50 Prozent dieses Budgets finden. Für die anderen 50 Prozent sprachen wir mit potenziellen und bestehenden Sponsoren, aber leider haben sie unseren Vorschlag nicht angenommen. Darum mussten wir unser nächstes Ziel, ein Zwei-Fahrer-Team zu haben, erst einmal verschieben. Verschieben, aber nicht aufgeben.
Steht ein Zwei-Fahrer-Team für das Jahr 2015 auf dem Programm?
Das Ziel ist sicherlich 2015. Aber natürlich kommt es immer noch darauf an, Sponsoren zu finden, die dafür zahlen und die Realität ist, dass potenzielle Sponsoren immer noch von der schwierigen Wirtschaftslage betroffen sind. Wir müssen froh sein, dass wir einen Fahrer mit einer Werksmaschine in der Königsklasse haben, der das Ziel hat, auf das Podium zu fahren. Wir werden weiter daran arbeiten, einem zweiten Fahrer den Einsatz zu ermöglichen, aber ich werde nicht traurig sein, wenn wir es letztlich nicht hinbekommen.
Basierend auf den guten und schlechten Zeiten von 2013, wird LCR seinen Ansatz im nächsten Jahr ändern?
Wir haben mit unserem Team, unserem Crew-Chief Christophe Bourguignon, Honda, HRC und unserem Fahrer Gespräche geführt, da es immer Punkte gibt, die man verbessern kann. Das gilt für jeden Aspekt des Lebens.
Sicher sind da viele kleine Verbesserungsmöglichkeiten, die wir uns für die Zukunft vornehmen. Wir haben bereits eine Liste aufgestellt und wissen, was zu tun ist.
Es werden keine großen Änderungen sein, sondern das beinhaltet nur mehr Arbeit in bestimmten Bereichen. Das schließt die Vorbereitung des Fahrers ein, um Stefan während der Winterzeit mehr zu unterstützen. Das heißt, das ihm Honda Offroad-Motorräder zur Verfügung stellen wird und ihn unterstützt, wenn er irgendwo fahren möchte. Wir wollen mehr Zeit mit ihm zu verbringen, um Dinge zu analysieren, seine Körperkraft zu verbessern und auch seine Fähigkeit, schnell zu sein, vor allem mit gebrauchten Reifen.
Kann Stefan Bradl bestimmte Bereiche verbessern?
Er hat eine kleine Schwäche, die verbessert werden muss: Sein Schräglagenwinkel in den Linkskurven. Wir werden noch ein paar Übungen mit ihm machen, um die Balance der linken Körperseite zu verbessern. Es sind alles sehr kleine Dinge. Wenn man einen unglaublichen, verblüffend talentierten Fahrer hat, muss man sich keine wirklichen Sorgen machen.
Wenn man einen sehr talentierten Fahrer hat, aber dieser letzte Aspekt fehlt, muss man arbeiten, arbeiten, arbeiten. Stefan ist sehr konzentriert und will so schnell fahren wie Marc Márquez, der einer dieser wirklich seltenen und extremen Talente ist.
Stefan weiß, dass er diese kleine Lücke von wenigen Zehntelsekunden schließen muss, und, dass er einfach nur arbeiten, arbeiten, arbeiten muss.
Die Zeiten ändern sich auch in der MotoGP-WM. 2014 kommt die Open-Kategorie stat der Claiming Rule. Zudem wird das gesamte Feld zum ersten Mal eine spezifizierte ECU-Hardware einsetzen. Wie siehst du die Zukunft der Weltmeisterschaft?
Auf jeden Fall positiv. In erster Linie muss die MotoGP-WM für unsere Verbraucher, die Zuschauer und die ganze Fangemeinde, das bestmögliche Spektakel bieten. Wir mussten die Lücke zwischen den Werks- und Open-Bikes minimieren und die Änderungen für das Jahr 2014 sind ein sehr guter Kompromiss.
Die ‹Open›-Bikes haben einen technischen Vorteil, nicht wirklich mit der Elektronik, aber mit dem Kraftstoff im Rennen. Gleichzeitig haben die Werksteams die Möglichkeit, ihre eigene Software zu verwenden, was eine sehr gute Chance ist. Doch wir glauben, dass die ‹Open›-Teams einen großen Vorteil haben, weil die Werksmotorräder auf nur 20 Liter statt 24 begrenzt sind und da die ‹Open›-Teams auch einen weicheren Hinterreifen verwenden könnten, auch wenn das noch bestätigt werden muss. Es wird also schwierig für uns!
Was ist dein Plan während für den Winter? Ist ein Urlaub gebucht?
(Er lacht). Jeder sagt mir ‹Die Meisterschaft ist nun vorbei!› Und ich sage: ‹Danke! Aber hört mal zu, wir beginnen jetzt eine weitere Meisterschaft!› Zuerst ging es um das Sammeln von Punkten und jetzt hat für mich gerade eine andere Meisterschaft begonnen, in der ich das Geld sammeln muss. Daher kann ich nicht über Urlaub nachdenken! Für Weihnachten und Neujahr habe ich momentan nichts geplant. Ich denke, ich werde die Zeit mit meiner Familie verbringen. Ich habe eine Einladung, um Anfang Januar für ein paar Tage auf eine Karibikinsel zu gehen. Wenn ich Zeit habe, werde ich meine Freunde für vier oder fünf Tage dort besuchen.
Das Problem ist, dass ich meinen Job und das, was ich mache, so sehr liebe. Ich bin motiviert, eine sehr gute Saison zu machen, so dass ich nicht mehr als eine Woche abschalten kann. Heute früh habe ich meine Mutter besucht, und sie sagte ‹Oh, du siehst müde aus!› und ‹Du solltest sich ein bisschen ausruhen!›. Ich sagte ihr, dass ich meinen Job so sehr liebe, dass ich das in Kauf nehme.
(Er lacht). Heute Morgen zum Beispiel, habe ich um sechs Uhr meine Augen geöffnet, bin sofort duschen gegangen und dann ab ins Büro, denn ich hatte viele Dinge zu tun und jede Menge Ideen. Ich halte mich für einen sehr glücklichen Menschen!