Wilco Zeelenberg (Yamaha): Was ist mit Lorenzo los?
Frühstart in Austin, Boxendurchfahrtsstrafe, nur Platz 10 im Rennen von Texas, Platz 16 in der WM-Tabelle mit kargen sechs Punkten nach zwei Rennen – die Lage von Jorge Lorenzo ist hoffnungslos, aber nicht ernst.
Der MotoGP-Weltmeister von 2010 und 2012 beklagte sich über die neuen Bridgestone-Reifen, er wird teilweise von Rossi brüskiert, der überragende Marc Márquez verpasst ihm einen Denkzettel nach dem andern.
Der einst so übertrieben selbstsicher gewesen Yamaha-Star wirkt nachdenklich, manchmal sieht er aus wie ein Häufchen Elend, während Rivale Márquez auf Wolke 7 schwebt.
Wilco Zeelenberg, 1990 Sieger des 250-ccm-GP auf dem Nürburgring, ist Manager des Yamaha-Werksteams von Lorenzo. SPEEDWEEK.com hat sich mit dem Niederländer unterhalten.
Wilco, hat sich Jorge durch das Gejammer über die neue hitzebeständige Bridgestone-Reifengeneration zu stark belastet und aus dem Tritt bringen lassen? Márquez verliert kein Wort darüber – und gibt unbekümmert Gas. In Katar waren die Rundenzeiten ja identisch mit 2013. Nur vermitteln die neuen Reifen kein so gutes Gefühl?
Ja, das ist korrekt, deshalb beschwert er sich. Denn erstens ist das Fahren dadurch weniger sicher, und zweitens ist der Grip ganz klar weniger. Die 2014-Hinterrreifen sind zwar hitzebeständiger, Bridgestone ist damit eher auf der sicheren Seite nach den Vorkommnissen von Australien 2013.
Jorge will nicht stürzen. Das ist ihm aber im Rennen in Katar passiert.
Es ist immer ein Kompromiss. Bridgestone muss Reifen erzeugen, die sicher sind und die Renndistanz durchhalten. Die Reifen müssen aber auch brauchbaren Grip haben.
Wir allen wissen, dass Jorge ein spezieller Fahrer ist. Er fährt gern mit extrem viel Schräglage.
Und wenn wir keine Seitenhaftung haben, stecken wir in Schwierigkeiten. Und das ist genau der Grund, warum er sich beschwert.
Bridgestone-Koordinator Thomas Scholz hat sich geärgert, weil sie Jorge beim Australien-Test dargelegt haben, dass für Le Mans im Mai eine neue Reifengeneration entwickelt wird. Aber das geht halt nicht von heute auf morgen. Die Reifen müssen ja auch verfrachtet und eingeschifft werden.
Okay, aber wenn eine Reifenfirma keine Lösungen für den Sonntag zustande bringt, dann regen sich die Fahrer auf. So läuft es halt.
Klar, Bridgestone bemüht sich, auf alle Hersteller Rücksicht zu nehmen. Das ist sicher schwierig. Denn zuerst einmal wollen sie keine explodierenden Reifen, das war das Problem in Phillip Island. Auf jeden Fall sind dort grössere Stücke davon geflogen. So etwas zu vermeiden, das ist die erste Priorität bei einem Reifenhersteller.
Anderseits wollen die Fahrer auch Performance. Das führt manchmal zu Meinungsverschiedenheiten. Du weisst, ein Fahrer ist ein Fahrer. Er ist nur happy, wenn er am Sonntag gewinnt. Wenn er nicht gewinnt, wird er alles tun, um das zu ändern.
Valentino Rossi hat vor einem Jahr gesagt, Honda ist es gelungen, ein Motorrad zu bauen, das besser zu den Reifen passt als die Yamaha. Spät bremsen, kurz umlegen, aufrichten, heftig Gas geben, wenig Zeit auf der Reifenflanke...
Ja... was kann ich dazu sagen?
Yamaha hat zwei Fahrer, die den falschen Fahrstil für die neuen Bridgestone-Reifen haben? Und das Chassis harmoniert auch nicht mit den Bridgestone?
Ja, das ist korrekt.
Aber ich denke, auch wenn du einen Honda-Fahrer auf eine Yamaha setzt, wird er spät bremsen und das Motorrad möglichst rasch wieder aufrichten, um beschleunigen zu können.
Wir kennen unsere Motoren-Philosophie. Wir haben einen Reihenvierzylinder, Honda und Ducati einen V4. Der V4 hat weniger Kurbelwellenlager, wie wir alle wissen. Und drehfreudiger.
Aber das ist nicht immer die perfekte Lösung.
Deshalb beharrt Yamaha weiter auf das Reihenmotor-Konzept. Wir haben dafür eine bessere Kraftentfaltung. Und wir sind immer noch in der Lage, damit Rennen zu gewinnen.
Aber die Yamaha hat ihre Vorzüge immer durch den höheren Kurvenspeed ausgespielt. Jetzt erlauben ihr die neuen Reifen den höheren Kurvenspeed nicht mehr.
Ja, das ist einer der Tricks, der uns Mühe macht. Wenn du viel Seitenhaftung opferst, dann wirst du arg eingeschränkt. Das ist es, was Jorge fühlt. Er will schneller fahren, aber ohne «side grip» kann er nicht die maximale Performance herausholen. Das war bisher einer unserer starken Punkte.
Honda war schon 2013 in Austin überlegen, aber diesmal noch deutlicher?
Ja, aber manchmal ist das schwierig zu analysieren. Es gibt in Texas zwei lange Geraden.
Aber wenn du dir das Rennen 2013 in Erinnerung rufst, dann hatten wir an ein oder zwei Stellen auf der Piste Mühe, bei der Beschleunigung aus den langsamen Ecken raus hatten wir Mühe, es gab zu viele Wheelies, ausserdem hatten wir noch kein Seamless-Getriebe.
Dieses Jahr war es etwas besser. Aber es hat nicht gereicht. Die Nachteile gegenüber Honda beim späten Bremsen, die haben wir nicht lösen können.
Wir müssen überlegen, wie wir uns da verbessern können.