GP-Sport: Wer soll künftig die Vorschriften machen?
Im Motorrad-GP-Sport hat die FIM seit der Saison 1992 ihre Macht an die Dorna verkauft. Diese spanische Agentur sollte sich eigentlich in erster Linie um die kommerziellen Belange kümmern, um TV-Rechte, um den Verkauf der Bandenwerbung, um den Verkaufs der GP-Namensrechte und um die Verträge mit den Veranstaltern, also auch um den Rennkalender.
Bis zu diesem Zeitpunkt hat die Technische Kommission der FIM die technischen Vorschriften für die GP-Klasse erstellt.
Mit der Entmachtung der FIM verloren auch die Kommissionen des Weltverbands ihr Mitspracherecht. «Die FIM-Kommissäre können jetzt nur noch die Pokale bei der Siegerehrung verteilen», hiess es damals.
Inzwischen existiert als oberstes Gremium im GP-Sport die «Grand Prix Commission», in der Mitglieder der Dorna, der FIM, der Hersteller-vereinigung MSMA und der Teamvereinigung IRTA sitzen.
Die GP-Kommission entscheidet jetzt über die sportlichen und technischen Reglements.
Und da die Dorna die FIM (mit rund 7 Millionen US-Dollar im Jahr) finanziert und auch die Teams (also die IRTA), passiert in der GP-Kommission naturgemäss längst nichts mehr gegen den Willen der Dorna.
Das stösst nicht immer auf grenzenlose Zustimmung. Zum Beispiel hat der umstrittene Dorna-Technik-Berater Corrado Cecchinelli (er kam von Ducati) bei der Einheits-ECU für die Moto3-WM den italienischen Hersteller Dell’Orto auserwählt; eine saubere Ausschreibung hat niemand gesehen. Ähnlich ging es bei der Auswahl der Einheits-ECU für die MotoGP-WM zu. Einige Werke und Teams waren sauer, denn auch hier bekam mit Magneti-Marelli ein italienischer Hersteller den Zuschlag. Diskussionslos.
Dell’Orto galt bis dahin in erster Linie als Vergaser-Hersteller und hatte kaum das nötige Knowhow für diese Aufgabe. «Sie mussten den Auftrag quasi an Aprilia weiterreichen», meint der ehemalige Aprilia-Renndirektor Jan Witteveen. «Aprilia hat dann alles gemacht, so viel ich weiss.»
Da die FIM keine Macht mehr ausübt, diktiert Dorna-Chef Carmelo Ezpeleta das Geschehen, wie es Bernie Ecclestone jahrelang in der Formel 1 als Diktator vorexerziert hat.
Wir findet man unabhängige Experten?
Die Frage, wie technische Vorschriften am besten und sinnvollsten gestaltet werden sollten, lässt sich schwer beantworten.
«Ich habe schon vor Jahren vorgeschlagen, man sollte einen Technik-Ausschuss mit fünf oder sechs unabhängigen Experten bilden», sagt Jan Witteveen. «Ich habe FIM-Präsident Vito Ippolito vor einigen Jahren einmal meine Berater-Tätigkeit angeboten. Aber das ist nie ernsthaft zur Debatte gestanden. Ezpeleta hat auch seine Berater.»
Die Suche nach unabhängigen Beratern ist so gut wie aussichtslos. Denn alle Experten stehen bei einer Firma im Sold – und vertreten in erster Linie die Interessen des eigenen Unternehmens.
«Man müsste ein Mittel finden, damit sich der Sport positiv entwickeln kann», sagt Witteveen. «Ich habe nichts gegen neue technische Reglements. Aber sie sollen sinnvoll sein. Man muss dabei auch Entscheidungen treffen, die vielleicht dem einen oder anderen Werk weh tun. In der Moto3 habe ich das Gefühl, dass ein bisschen der Weitblick gefehlt hat. Dadurch haben wir jetzt eine Situation, die unbefriedigend ist. Vom sportlichen und technischen Standpunkt aus müsste man in die richtige Richtung gehen. Auch die Einheitsmotoren in der Moto2 stossen bei einigen Teams und Herstellern auf Widerstand.»
Es drängt sich auch immer die Frage auf, ob Honda bei den technischen Reglements zu viel Mitsprachrecht und Einfluss hat.
Die Vermutung: Honda erwirkte diesen Einfluss durch die Einheitsmotoren in der Moto2, die Teilnehme an allen drei GP-Klassen und durch die Entwicklung der Production-Racer für die MotoGP, wo Ezpeleta den Claiming-Rule-Bikes den Garaus machen wollte.
Honda bestimmte offenbar die Vorschriften in der Moto3 inklusive Senkung der Drehzahl für 2015 auf 13.500/min (von 14.000/min) massgeblich mit. «Wir hätten von Anfang an lieber 15.000/min gehabt», betont KTM-Rennchef Pit Beirer.