Lucio Cecchinello: «Miller ist fitter als gedacht»
Jack Miller und Lucio Cecchinello
Derzeit befindet sich LCR-Boss Lucio Cecchinello in Sepang, wo er mit MotoGP-Rookie Jack Miller den letzten Test vor der Winterpause absolviert. Dort soll sich der junge Australier an seine RC213V-RS Open-Maschine gewöhnen. Das neue Bike ist einer Werks-Honda sehr ähnlich. Es fehlt jedoch das Seamless-Getriebe und es wird die Software von Magneti Marelli verwendet.
Nach 39 Testrunden setzte um 16 Uhr Ortszeit Regen ein und beendete den ersten Testtag auf der 5,543 Kilometer langen Strecke frühzeitig. Mit «motogp.com» sprach Cecchinello nun über seine beiden Fahrer für 2015, die Entwicklung von Miller und seine Fitness.
Lucio, für dich hat ein neues Kapitel begonnen. Du trittst nun erstmals mit zwei Fahrern an und scheinbar mit zwei sehr guten.
Das ist ein sehr besonderes Gefühl. Das erste Mal arbeiteten wir beim Valencia-Test mit zwei Fahrern. Mit Cal haben wir einen sehr erfahrenen Fahrer, der sich aber noch entwickelt, und mit Jack einen jungen Fahrer, der sehr viel Potenzial hat. Beide vermitteln mir ein gutes Gefühl, das mich motiviert.
Miller ist ohne Zweifel ein Talent. Doch da er direkt aus der Moto3-Klasse kommt, liegt viel Arbeit vor ihm. Er muss vor allem seinen Oberkörper kräftigen. Wie wird sein Training aussehen?
Jack hat bereits einen Test seiner Fitness im C.A.R. (Centro de Alto Rendimiento / Hochleistungszentrum) in Barcelona absolviert. Die Ergebnisse waren interessant. Er ist fitter als gedacht, da er drei oder vier Mal die Woche Motocross fährt. Daher kommt seine Stärke und vor allem die Kraft in den Armen. Das ist sehr wichtig, um Krämpfen vorzubeugen, mit denen viele MotoGP-Neulinge zu kämpfen haben. Er wird nun weiter an seinem Nacken und dem Trizeps arbeiten. Im Moment hat er alles unter Kontrolle und wir sind sicher, dass er zum ersten Rennen in perfekter Verfassung ist.
In Valencia war Miller noch auf der diesjährigen Open-Honda unterwegs. Nun testet er in Sepang die neue RC213V-RS.
Jack hat schon festgestellt, dass die Maschine viel kraftvoller ist. Er mag die Power, den Topspeed und die sanftere Gasannahme. Das Bike ist der 2014er-Werksmaschine sehr ähnlich, doch das Chassis wurde auf die größere Tankfüllung angepasst und wir verwenden die Software von Magneti Marelli. Es ist eine ermüdende Arbeit, die Elektronik nun auf die RCV abzustimmen.
LCR setzt zwei verschiedene Motorräder ein, daher auch zwei verschiedene Technik-Teams. Wie gehst du damit um?
Im Grunde arbeitet die Mannschaft von Stefan Bradl jetzt für Cal Crutchlow, beim Werks-Motorrad hat es keine Umbesetzungen bei der Mannschaft gegeben. Die Leute, die bei Miller arbeiten, werden von Cristian Gabarrini geleitet, er ist durch uns in die Weltmeisterschaft gekommen und hat 2003 mit Casey Stoner in der 125-ccm-Klasse gearbeitet. Seit dem war er bei Ducati und dann wieder bei Honda, immer an der Seite von Stoner. Die anderen Techniker, die mit Miller arbeiten, gehören zu HRC und sind alle Spitzenklasse-Jungs.
Cal Crutchlow: Wird das die Saison, in der er zurückschlägt?
Cal weiß, dass 2015 eine sehr wichtige Saison für ihn wird. Er wird auf einer Werks-Honda sitzen, die der von Márquez und Pedrosa entspricht. Wenn man bedenkt, was er 2013 und in der zweiten Saisonhälfte 2014 geschafft hat, ist er der Erste, der hohe Erwartungen haben muss. Hoffentlich bekommt er so schnell wie möglich ein Gefühl für die Honda. Gleichzeitig müssen wir realistisch sein. Wir wissen, dass die Honda einen besonderen Fahrstil braucht – im Scheitelpunkt der Kurven mögen die Geschwindigkeiten nicht sehr schnell sein, aber am Kurvenausgang sind die beeindruckend. Da musst du die Leistung gut abrufen, denn sonst driftest du quer raus. Cal weiß das und hat schon gesagt: ‹Wenn ich auf das Podest kommen will, muss 80 Prozent der Arbeit dafür von mir selbst kommen.›
Kannst du die Verträge der beiden Fahrer erklären?
Als Team haben wir einen Vertrag, der uns auf jährlicher Basis an HRC bindet. Wir hoffen, dass wir den immer wieder verlängern können, so wie wir das seit unserem Einstieg in die Königsklasse 2006 gemacht haben. Gleichzeitig hat Jack für die nächsten drei Jahre einen Vertrag direkt mit HRC. Wir hoffen, dass wir auch 2016 und 2017 mit Jack arbeiten können. Cal hat einen Zwei-Jahres-Vertrag, der auch Ausstiegsklauseln enthält, sollte eine der Parteien nicht zufrieden sein. Wenn wir das Projekt weiter führen können – was nur dank unseres neuen Hauptsponsors CWM möglich war – mit beiden Fahrern, dann denke ich, dass Cal auch 2016 und darüber hinaus bei uns bleiben würde.
Wie ist der erste Testtag in Sepang gelaufen und was plant ihr mit Miller in den kommenden Tagen?
Zuerst wollen wir Jack Vertrauen geben. Wir sind nicht so naiv zu glauben, dass ein Rookie, der direkt aus der Moto3 kommt, direkt unglaubliche Rundenzeiten hinbrennt. Das Ziel dieses Tests ist, Vertrauen für die kommende Saison zu finden. Das ist besonders für ihn selbst wichtig, er muss verstehen, wie sich das Motorrad unter verschiedenen Bedingungen verhält. Wir haben uns dazu entschieden, die Tests ohne zu viele Elektronik-Hilfen anzugehen. Er soll verstehen, dass die Elektronik eine Hilfe ist, die er in der Zukunft bekommt, aber erst, wenn er sich selbst durch die Extreme des Motorrades gekämpft hat. Sobald er seinen Fahrstil und Körper auf das Motorrad angepasst und das natürliche Limit gefunden hat, werden wir ihm in kleinen Dosen mehr Elektronik geben. Aber zuerst muss er das Motorrad verstehen und lernen, wie er das Biest bändigt.