Thomas Scholz/Bridgestone: Gute Kompromisse gefunden
Seit 2009 wird die MotoGP-WM mit Einheitsreifen von Bridgestone bestritten. 2015 wird das siebte und letzte Jahr sein.
Es gab zwei Drei-Jahres-Verträge mit der Dorna, danach wurde der Deal um ein zusätzliches Jahr verlängert, weil Michelin ein Jahr Zeit für weltweite Testfahrten brauchte.
Die MotoGP-Fahrer beschwerten sich in den letzten Jahren immer wieder über die unzureichende Allocation. Sie wünschten sich eine grössere Auswahl von Reifen. Aber es gibt nur 21 Slicks pro GP-Wochenende, elf für vorne, zehn für hinten. Genau gesagt: drei unterschiedliche Mischungen für vorne, zwei unterschiedliche für hinten.
Aber Bridgestone produziert rund 15.000 MotoGP-Reifen im Jahr, die Teams bekommen die Reifen kostenlos, dieses MotoGP-Engagement kostet rund 20 Millionen Euro pro Saison. «Wir bringen rund 1300 Reifen zu jedem Rennen mit», verrät Thomas Scholz, Chief Coordinator bei Bridgestone Motorsport. «Und zuletzt waren es etwa 470 Reifen, die wir effektiv jedes Wochenende verbraucht haben.»
Die MotoGP-Fahrer deckten Bridgestone immer wieder mit Kritik ein, denn 2013 funktionierte zum Beispiel hinten auf den meisten Rennstrecken nur eine von zwei Mischungen. Und der hitzebeständige neue harte Hinterreifen rief zu Beginn der Saison 2014 auch wenig Begeisterung hervor.
«Natürlich könnte man immer mehr verschiedene Mischungen anbieten», sagt Thomas Scholz. «Das ist schon klar. Aber mit dem Gerüst, das uns zur Verfügung steht, haben wir in der Saison 2014 für vorne einen guten Kompromiss gefunden. Es konnte keiner mehr sagen, er hätte für vorne nicht die richtige Auswahl. Es gab natürlich immer wieder mal Diskussionen, warum wir zum Beispiel die extraweiche Mischung vorne als Hauptreifen genommen haben. Aber meistens lagen wir von der Einschätzung her richtig. Wir müssen ja immer das Wetter für die drei Tage am GP-Wochenende berücksichtigen, das manchmal stark schwankt. In Silverstone wurden wir zum Beispiel am Freitag kritisiert, für Samstag und Sonntag lagen wir richtig. Logisch, es wäre manchmal mit einer breiteren Auswahl einfacher. Aber wir müssen mit dem auskommen, was wir haben.»
2009 war das erste MotoGP-Jahr mit Einheitsreifen. Inzwischen wird dieses System kaum mehr in Frage gestellt. Aber Bridgestone geriet immer wieder ins Kreuzfeuer der Kritik der Fahrer, manchmal von Yamaha, manchmal von Honda.
Scholz: «Ja, was soll ich dazu sagen? Die ersten Jahre einer Ehe sind immer sehr schön, aber wenn die Gewohnheit eintritt, werden schon kleine Probleme zu ganz grossen! Im Rahmen des vorgegebenen Reglements haben wir immer versucht, uns bestmöglich zu verbessern und aus Fehlern zu lernen. Das Wohl und die Sicherheit der Fahrer standen und stehen bei uns ganz oben auf der Liste.»
«Logischerweise ist die Entwicklungsgeschwindigkeit nicht mehr so hoch wie früher», betont Scholz. «Aber wir haben bisher nie unsere Qualitätsstandards bei den Reifen nach unten korrigiert, um billiger zu produzieren. Das werden wir auch weiter nicht tun. Grundsätzlich verwenden wir die gleichen Materialien zur Herstellung wie noch 2008, als der Reifenkrieg voll im Gange war.»
Ging der Entschluss zum Rückzug als Einheitsreifen-Lieferant von Bridgestone aus? Oder wollte die Dorna mit Michelin einen neuen Partner?
«Bridgestone wollte nicht mehr», hält Thomas Scholz fest. «Die neuen Verträge für drei weitere Jahre waren Ende 2013 fertig. Dann gab es in Japan eine strategische Umentscheidung in der Zentrale. Das hatte nichts mit der Dorna zu tun. Wir waren uns über die Zukunft völlig einig. Es war ein neuer Drei-Jahres-Plan ausverhandelt. Aber die Konzernspitze hat sich dann anders entschieden.»
Momentan sind bei Bridgestone Motorsport in der deutschen Zentrale 23 Mitarbeitende mit MotoGP-WM beschäftigt. Bisher wurde nicht entschieden, wie es mit diesen Fachleuten weitergeht, zu denen auch Ex-GP-Pilot Klaus Nöhles gehört, der 2014 das Repsol-Team und Stefan Bradl betreute. Pit Baumgartner kümmert sich seit vielen Jahren um das Yamaha-Werksteam und Tech3-Yamaha.
Thomas Scholz ist seit mehr als 20 Jahren bei Bridgestone tätig; er kümmerte sich in den Anfangsjahren schon um die 125er-Reifen.
«Wir arbeiten daran, neue Aufgaben für die Mitarbeiter zu finden», sagt Scholz. «Aber wenn du nur an einer globalen Motorsportrennserie beschäftigt bist, ist das nicht einfach. Bridgestone beteiligt sich sonst nur an der japanischen GT-Autorennserie, sonst machen wir nichts. Ich kann mir vorstellen, dass in ganz Europa und Amerika niemand wirklich glücklich darüber ist, dass wir nach der Saison 2015 keine Plattform mehr haben werden, wo wir uns als Technologie-Träger darstellen können. Jetzt müssen sich die Beteiligten aus Amerika, Europa und Japan zusammensetzen und überlegen, welche Perspektiven wir für die Zukunft entwickeln können.»
Die Superbike-WM ist für Bridgestone kein Thema und wird auch keines werden. «Wir müssen dort drei Kategorien ausrüsten, Superbike, Superstock und Supersport», gibt Scholz zu bedenken. «Dadurch würde sich unser Engagement noch mehr aufblähen. Noch dazu bei einem niedrigen Niveau des Werbeeffekts, das macht für uns keinen Sinn.»