MotoGP: Neuer Yamaha-Motor zu stark

Exklusiv: Ducati-Open-Bike mit Seamless-Getriebe!

Von Günther Wiesinger
Was Honda und Yamaha nicht geschafft haben, hat Ducati in aller Heimlichkeit verwirklicht: Bei Avintia fahren Héctor Barbera und Mike di Meglio schon jetzt mit dem Seamless-Getriebe, trotz Einheits-ECU der Open-Class.

Manche Technikfans fragen sich, warum an den Open-Class-Bikes von Forward-Yamaha (Bradl, Baz) und Honda (Miller, Hayden, Eugene Laverty und Abraham) in diesem Jahr kein Seamless-Getriebe eingebaut werden kann.

Es sei mit der Einheits-ECU von Magneti Marelli nicht kompatibel, heisst es.

Dirk Debus, Mitbegründer und Mitbesitzer der deutschen Firma «2D datarecording», ist seit 2012 für Forward Racing in der MotoGP-WM als Elektronik-Ingenieur tätig. Er sagt: «Die Ursache ist einfach zu erklären, in dieser Motorsteuerung für die Open-Class sind die notwendigen Steueralgorithmen nicht implementiert.»

Wird es für 2016 eine Update-Version geben, wenn dann auch die Factory-Teams von Repsol-Honda, Movistar-Yamaha und Ducati Corse mit der Einheits-ECU fahren müssen?

«Ich weiss es nicht», sagt Debus. «Wenn an der Firmware nichts geändert wird, wird kein Seamless funktionieren.»

Dann fügt Debus an: «Vielleicht ist im neuesten Update der Open-ECU etwas versteckt, das ich überlesen habe.»

Das ware kein Wunder: Die Parameteranzahl hat sich bei der Einheits-ECU von Marelli gegenüber 2014 von ca. 1700 auf ca. 2500 erhöht.

Bei Honda sind die Techniker überzeugt, dass das Seamless-Getriebe in der Saison 2016 mit der Eunheits-ECU kompatibel sein wird. «Ich kann mir nicht vorstellen, dass es ein Problem sein sollte, die Honda 2016 mit Seamless fahren zu lassen», sagte uns ein Data-Recording-Ingenieur eines Honda-Teams.

Ducati entwickelt ihr Seamless-Getriebe gemeinsam mit dem englischen Spezialisten «X Trac».

In diesem Jahr müssen auch die Factory-Teams dieselbe Hardware von Marelli benützen wie die Open-Teams. Und die allgemeine Software für 2016 wird auf der letzten Version der Magneti-Marelli/Dorna-Software basieren, die am 30. Juni 2015 im Einsatz sein wird. Nachher wird sie mit der Unterstützung aller Hersteller weiterentwickelt, Honda, Yamaha und Ducati werden brav ihren Input liefern.

«Wir sehen deshalb keinen Grund, warum das Seamless-Getriebe nicht mit der Einheits-Elektronik kompatibel sein sollte», heisst es bei Ducati. Und das ist sogar nur die halbe Wahrheit.

Die Roten arbeiten in der MotoGP-Klasse vom ersten Tag 2003 an mit Magneti Marelli zusammen, während alle anderen Werke ihre eigene Elektronik entwickelten, Honda und Yamaha erledigten es In-house, Suzuki jahrelang mit Mitsubishi, dann selber, Aprilia nannte die Elektronik bei den Claiming-Rule-ART-Bikes APX2, das System wurde in Noale entwickelt. Jetzt wird mit der Hardware von Marelli gefahren, die Software kommt weiter von Aprilia, sie heisst intern nur noch APX.

Die Allianz Ducati/Marelli trögt Früchte, Wenn man sich nämlich bei Avintia-Ducati-Pilot Héctor Barbera erkundigt, ob er über ein Seamless-Getriebe verfüge, dann plaudert er ein Geheimnis aus und verrät, dass er an seinem Open-Class-Motorrad schon das Seamless-Getriebe verwendet! Aber die pfiffigen Ducati-Manager hängen diese Neuigkeit nicht an die grosse Glocke.

Das Seamless-Getriebe bei Avintia funktioniert zwar wie beim Ducati-Corse-Werksteam und bei Pramac-Ducati nur vom ersten bis zum fünften Gang, beiim Wechsel in den sechsten Gang existiert eine Zugunterbrechung, dafür funktioniert das Ducati-Seamless beim Rauf- und beim Runterschalten.

Seamless-Getriebe: Für Privatteams zu teuer?

Es besteht die Vermutung, Honda und Yamaha würden den Open-Teams die aufwändige Kraftübertragung ohne Zugunterbrechung («seamless») vorenthalten, weil die Kosten für die Privatteams zu hoch seien.

Tatsächlich verlangte HRC von den Kundenteams für die Saison 2012 noch 700.000 Euro Aufpreis für das Seamless-Getriebe an zwei Maschinen. Da spielte aber mit, dass zur Wartung des Getriebes für jedes Team ein eigener japanischer Ingenieur für jedes Team zu den Tests und Rennen abgestellt werden muss. Noch heute darf kein Teamtechniker bei Repsol, LCR oder Marc VDS einen Blick auf das Seamless-Getriebe werfen, wenn es geöffnet, gewartet und umgebaut wird.

Nach fünf Jahren sind jedoch bereits Dutzende Exemplare des Honda-Getriebes gebaut worden, die Stückpreise sinken, die Entwicklungskosten haben sich längst amortisiert.

«Die Entwicklung eines Seamless-Getriebes kostet zwischen 1 und 5 Millionen Euro», erzählte uns ein Experte. «Honda hat wahrscheinlich die obere Grenze investiert. Ducati hat das Seamless mit X Trac entwickelt und dadurch Kosten gespart.»

Ein herkömmliches Renngetriebe kostet zwischen 10.000 und 20.000 Euro, für eine Seamless-Version werden zwischen 40.000 und 50.000 Euro in Rechnung gestellt.

Diesen Betrag kann sich sogar das Avintia-Ducati-Team von Barbera leisten.

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